EEG: Die Kleinen werden bei der Energiewende nicht entlastet

Zugehörige Themenseiten:
EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz)

Keine Rabatte für Handwerksbetriebe mit hohem Energieverbrauch, eine Umlagepflicht für Eigenverbraucher – das neue EEG, das am 1. August in Kraft tritt, enthält bittere Pillen für das Handwerk und neue Herausforderungen.

  • Bild 1 von 4
    © Micha Wolfson
    Hermann Gütler, Inhaber der Stelzenmühle bei Bad Wurzach, fühlt sich durch das EEG benachteiligt.
  • Bild 2 von 4
    © imago/Reiner Zensen
    „Mit der ­Reform des EEG stellen wir ­sicher, dass die Energiewende weiter vorankommt.“ Sigmar Gabriel, Bundeswirtschafts­minister.
  • Bild 3 von 4
    © Marina Lohrbach/Fotolia.com
    Die EEG-Reform wird dazu führen, dass die Nachfrage nach Solar­anlagen zurückgeht, fürchtet das Handwerk.
  • Bild 4 von 4
    © Chart: handwerk magazin
    Die Ökostromumlage ist seit ihrer Einführung 2003 nahezu explodiert.

Auf Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist Hermann Gütler derzeit gar nicht gut zu sprechen. „Die Reform des EEG- Gesetzes ist eine mittlere Katastrophe“, schimpft der Inhaber der Stelzenmühle nahe Bad Wurzach. „Gegenüber großen Industrieunternehmen werden kleine und mittlere Betriebe weiter massiv benachteiligt.“

Müller Gütler kann diese Behauptung mit konkreten Zahlen untermauern. Rund 10 000 Tonnen Dinkel, Roggen und Weizen verarbeitet er im Jahr. Hierfür benötigt er ungefähr 0,7 Gigawattstunden (GWh) Strom. Für diesen muss er den bisherigen Regierungsplänen zufolge die EEG-Umlage in voller Höhe bezahlen. Das macht bei 0,0624 Euro pro kWh satte 43 680 Euro. Er profitiert also auch in Zukunft nicht von Ausgleichsregelungen für Unternehmen mit besonders hohem Energieverbrauch. Denn für Strom, der oberhalb des Schwellenwerts von einer GWh verbraucht wird, müssen lediglich zehn Prozent EEG-Umlage gezahlt werden. Ab zehn GWh werden sogar nur ein Prozent Umlage für Unternehmen berechnet.

Die neue Ausgleichsregelung für stromverschlingende Industriebranchen ist einer der Eckpfeiler der EEG-Reform. Auch nach deren voraussichtlichem Inkrafttreten am 1. August 2014 müssen Industrieunternehmen aus 68 Branchen nur dann die volle Umlage zahlen, wenn die Stromkosten niedriger als 16 Prozent der Bruttowertschöpfung sind. Die großzügigen Beihilfeleitlinien, die die EU-Kommission am 9. April vorlegte, machen dies möglich.

Umlage für Eigenversorger

Weitere Eckpunkte der Reform sind Mengenbegrenzungen und reduzierte Vergütungssätze für alle erneuerbaren Energien. Außerdem sollen auch Betriebe, die ihren Öko-Strom selbst produzieren (sogenannte Eigenversorger), die EEG-Umlage bezahlen. Wollen sie weiteren Strom in öffentliche Netze einspeisen, müssen sie diesen selbst vermarkten (siehe Kasten).

Mit der dritten EEG-Reform innerhalb von fünf Jahren verfolgt Gabriel ein klares Ziel: Die Kosten der Energiewende sollen begrenzt und auf mehr Schultern verteilt werden. Der öffentliche Unmut für die explosionsartig gestiegene EEG-Umlage, die seit ihrer Einführung 2003 von damals 0,41 Cent / kWh um mehr als das Fünfzehnfache gestiegen ist, hat die Berliner Politik aufgeschreckt. Wirklich zufrieden ist jedoch kaum einer mit der Reform. Vor allem die Zahlungspflicht für Eigenverbraucher stößt auf Kritik. „Der Eigenverbrauch muss weiterhin von der EEG-Umlage befreit bleiben“, fordert Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), kategorisch. „Die Reform schafft gerade hier neue Ungerechtigkeiten.“ Verarbeitende Betriebe sollen den bisherigen Plänen zufolge lediglich 15 Prozent der Umlage zahlen. Alle übrigen Betriebe werden mit mindestens 50 Prozent zur Kasse gebeten. „Das benachteiligt Gebäudereiniger, Bauhandwerker oder Kfz-Werkstätten“, sieht Schwannecke viele mittelständische Gewerke in Mitleidenschaft gezogen.

Ärger beim Handwerk

Die Eigenverbraucher-Regelung stößt aber auch bei Bäckereien, Metzgereien und anderen verarbeitenden Handwerksbetrieben auf Unmut. Die meisten müssen die volle Umlage zahlen und würden deshalb von Kraft-Wärme-Koppelungs- oder Fotovoltaik-Anlagen im eigenen Betrieb besonders profitieren – wenn die Eigenverbraucherregelung nicht wäre. Hauptgeschäftsführer Armin Werner vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks mahnt: „Die Umlage verzerrt den Wettbewerb massiv.“

Solche und andere Bedenken versucht das Bundeswirtschaftsministerium mit der stereotypen Versicherung zu zerstreuen, dass Industrieunternehmen im internationalen Wettbewerb stehen, „normale“ Handwerksunternehmen hingegen nicht. Ähnlich wird bei Privatleuten argumentiert. „Was helfen Einsparungen von 40 Euro für einen Drei-Personen-Haushalt im Jahr, wenn wir hierfür mehrere 100 000 Arbeitsplätze verlieren“, rechtfertigt Minister Gabriel die Ausnahmeregelungen, die zwangsläufig höhere Belastungen für kleine Unternehmen und Privatverbraucher zur Folge haben.

Erste Kündigungen

Neben den Handwerkern, die viel Energie benötigen, sind auch die Betriebe betroffen, die Anlagen für erneuerbare Energien anbieten. Im Elektrohandwerk gibt es bereits erste Warnzeichen. So hat die Firma Reisinger Sonnenstrom in Egenhofen bei München im ersten Quartal 2014 rund 40 Prozent weniger Solaranlagen als im Vorjahreszeitraum montiert. „Seit der EEG-Reform 2012 geht wegen höherer Auflagen für Fotovoltaikenergie die Nachfrage zurück“, berichtet Inhaber Bernd Reisinger. „Ich musste mich deshalb von fünf Mitarbeitern trennen.“

Wenn in Zukunft auch Eigenversorger sich an der Umlage beteiligen müssen, werden vor allem Businesskunden nicht mehr in neue Solaranlagen investieren, zumal auch die Vergütungssätze sinken werden. Das jedenfalls fürchtet Reisinger. „Gerade diese Zielgruppe hat lange Jahre für florierende Umsätze gesorgt“, sagt der oberbayerische Elektrotechnikmeister. Er baut deshalb neue Geschäftsfelder im SHK- und Servicebereich auf. Andere Branchenbetriebe wie Krüger Elektrotechnik im ostfriesischen Großefehn weichen auf den LED-Markt aus. „Wir werden nur noch Bestandsanlagen warten“, teilt Geschäftsführer Hermann Krüger den Ausstieg aus der Fotovoltaikbranche mit.

Entlastung bei Stromsteuer

Weil die Regierung an den Eigenversorger-Zahlungen festhalten und Ausgleichsregelungen allenfalls in Nuancen ändern will, bringen die Verbände andere Finanzquellen ins Spiel. „Privilegierungen von Großunternehmen müssen aus öffentlichen Quellen finanziert werden“, regt Schwannecke an. Alternativ sollten Entlastungen bei der Stromsteuer geprüft werden.

Weil solche Vorstöße bislang ohne Resonanz bleiben, müssen die Betriebe sich selbst helfen. RKW-Energieexperte Kai Morgenstern (siehe Interview) regt bessere Beratungsleistungen an. „In Zukunft rechnen sich Anlagen für Eigenversorger nur an wirklich günstigen Standorten oder bei häufiger Nutzung“, sagt Morgenstern. „Das Handwerk muss deshalb interessierten Kunden genaue Berechnungen vorlegen.“