Endlich alles geregelt

Unternehmensnachfolge | So mancher Seniorchef scheut sich, klare Verhältnisse zu schaffen. Das hat nicht nur im Krankheits- oder Todesfall Konsequenzen, sondern belastet auch das Tagesgeschäft.

Endlich alles geregelt

Endlich ist alles geklärt. „Ich empfinde eine totale Leichtigkeit“, sagt Mechthild Feldmeier vom Schuhhaus Cornelius in Memmingen. Viele Jahre lang versuchte sie, ihre inzwischen 76-jährige Mutter davon zu überzeugen, das Geschäft an die drei Schwestern zu übergeben. Nur zwei davon sind in der Fachwerkstatt für orthopädische Schuhe aktiv. Die Dritte arbeitet nicht im Unternehmen. Ohne entsprechende Regelungen wäre im Falle eines Falles der Pflichtteil fällig gewesen, der für den Betrieb kaum zu bewältigen gewesen wäre. „Wir haben schon lange gesagt, dass wir diese Frage angehen müssen, aber meine Mutter tat sich damit schwer.“ Immer wieder wurde die Diskussion vertagt. Erst auf Drängen des Arztes war die schwer kranke Seniorchefin endlich bereit, die notwendigen Schritte einzuleiten. „Jetzt habe ich eine ganz andere Motivation, denn ich weiß endlich, wofür ich arbeite“, erklärt Tochter Mechthild.

Kein Einzelfall

Das Memminger Schuhhaus Cornelius ist kein Einzelfall. Nur knapp 44 Prozent der Mittelständler haben die Nachfolge geregelt. Dies zeigte eine repräsentative Befragung der Bonner Intes-Akademie im Frühjahr 2006. Zudem sind die bestehenden Dokumente nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Was vielen nicht bewusst ist: Mit einer richtig ausgestalteten Nachfolgeregelung wird nicht nur die Verteilung des Vermögens im Todesfall festgelegt, sondern damit werden auch die Weichen für die nächsten Jahre bis zur endgültigen Übergabe gestellt. Und dies hat häufig massive Auswirkungen auf das Tagesgeschäft.

Beim Schuhhaus Cornelius beispielsweise war eine rechtliche Umstrukturierung notwendig. „Wir haben das Unternehmen von einer Einzelunternehmung in eine GmbH & Co. KG umgewandelt. Ich bin nun auch formal Geschäftsführerin und habe dadurch eine ganz andere Position im Geschäft“, sagt Mechthild Feldmeier. Positiver Nebeneffekt: Das Standing bei der Bank verbessert sich. „Die Kreditinstitute achten immer mehr darauf, wie die Nachfolge geregelt ist, und das geht auch ins Rating ein“, erklärt Rechtsanwalt Arno Lehmann-Tolkmitt von der Intes-Akademie für Familienunternehmen in Bonn.

Standfestigkeit nötig

Doch bis es so weit ist, ist oft viel Durchhaltevermögen gefragt. „Ich musste mir in den letzten zehn Jahren alles erkämpfen. Beispielsweise mache ich den Einkauf jetzt alleine, aber das war sehr schwer durchzusetzen“, so Mechthild Feldmeier. Jahrzehntelang hatte Seniorchefin Lore Cornelius nur für das Geschäft gelebt, sich kaum Freizeit gegönnt, sogar krank an der Kasse gestanden. Verständlich, dass ihr das Loslassen sehr schwer fiel. Selbst bei Kleinigkeiten wollte die Seniorchefin gefragt werden und mitentscheiden, egal ob es um die anstehenden Werbemaßnahmen, die eingekauften Schuhbänder oder eine Umstellung des Sortiments ging. Die ungeklärten Zuständigkeiten führten zu widersprüchlichen Anweisungen, die das Personal verwirrten und nicht gerade für gute Stimmung im Betrieb sorgten. „Ich musste meiner Mutter viele Aufgaben regelrecht wegnehmen, denn in ihrem Alter kann sie nicht mehr jeden Tag an der Kasse stehen“, so Tochter Mechthild. „Wenn man das Geschäft später weiterführen soll, muss man ja in die Tätigkeit hineinwachsen. Wenn sie alles selbst macht, dann geht das natürlich nicht.“

Diese Situation ist typisch für den deutschen Mittelstand. „Viele Unternehmen sind sehr patriarchal geprägt. Es gibt kaum eine zweite Führungsebene, weil der Chef sich um alles selbst kümmern will“, so Experte Arno Lehmann-Tolkmitt. „Doch wenn die Kinder das Unternehmen später übernehmen sollen, müssen sie auch entsprechend darauf vorbereitet werden. Schließlich ist die Firma ja nicht nur das private Vermögen des Kindes, sondern daran hängen auch Mitarbeiter und deren Familien.“

Ungenutzte Ideen

Doch leider ist oft genug das Gegenteil der Fall. Die starke Konzentration auf den Chef führt in vielen Fällen dazu, dass die Unternehmen die Chancen vergeben, die mit den neuen Ideen der nachwachsenden Generation verbunden sind. So war es auch beim Schuhhaus Cornelius: Ob beim zeitgemäßen Umgang mit den Kunden, bei der Warenpräsentation oder auch nur einer innovativen Werbeaktion, moderne Ansätze und neue Ideen, die die Töchter in Seminaren kennengelernt hatten, waren, wenn überhaupt, nur nach intensiven Debatten durchzusetzen.

„Diese ständigen Diskussionen sind für beide Seiten sehr schmerzhaft“, findet Mechthild Feldmeier. Und sie kosten viel Zeit und Nerven. Kraft, die eigentlich besser in das Unternehmen fließen sollte. „Gerade heute, wo man als kleines Unternehmen sehr stark kämpfen muss, fehlt dann manchmal die Energie für das eigentliche Geschäft. Außerdem bekommen natürlich auch die Mitarbeiter mit, dass Probleme bestehen und darüber merken es indirekt auch die Kunden“, erklärt die Chefin von 18 Angestellten. Das sieht man auch in der Kasse, selbst wenn man die finanziellen Konsequenzen dieser ungelösten Situation nicht auf den Cent genau berechnen kann, weil viele Faktoren die Höhe des Umsatzes bestimmen.

Keine Patentlösung

Doch wie löst man das Problem? Leider gibt es hier keine Patentrezepte. „Man muss ein klares Wort sprechen, denn bestimmte Themen werden oft lange nicht angerührt“, empfiehlt Mechthild Feldmeier. Vieles hängt dabei von der individuellen Streitkultur innerhalb der Familie ab. Gerade, wenn Konflikte in der Familie üblicherweise „ausgesessen“ werden, ist ein solches Gespräch sehr schwierig. Dass das Thema selbst vielen Menschen grundsätzlich unangenehm ist, macht die Sache nicht gerade leichter. „Niemand setzt sich gerne mit dem eigenen Tod auseinander, und auch das ist ein wichtiger Grund für die unzureichende Nachfolgeregelung in den Unternehmen“, so Experte Arno Lehmann-Tolkmitt.

Sehr hilfreich ist es, einen neutralen Dritten hinzuzuziehen, der vermitteln kann. Dies kann ein Rechtsanwalt oder Steuerberater, aber auch ein Coach oder Mediator sein. Allerdings darf nicht der Eindruck entstehen, dass diese außenstehende Person gemeinsam mit den Kindern Front gegen die Eltern macht. Bei diesen Gesprächen ist es sehr wichtig, zu verdeutlichen, dass es einem nicht um den eigenen Vorteil geht, sondern um den Erhalt des Lebenswerks der Eltern. Außerdem sollte man signalisieren, wie sehr man die Erfahrung der Eltern schätzt und dass man gar kein Interesse daran hat, auf dieses wertvolle Fachwissen zu verzichten. Hilfreich ist es zudem, sich die persönliche Betroffenheit und auch die eigenen Verletzungen einzugestehen, denn es ist oft schwierig, die

Sachebene und die Gefühlsebene zu trennen „Ich habe sehr viele Seminare besucht, um mich mit dem Thema auseinanderzusetzen und auch das Persönliche zu verarbeiten“, so der Tipp von Mechthild Feldmeier.

Beratung suchen

Dass Nachfolgeregelung notwendig ist, ist das eine. Ihre inhaltliche Ausgestaltung ist das andere. Ein Fachberater muss sowohl erbrechtliche als auch steuerliche Fragen bedenken. „Gute Rechtsanwälte und Steuerberater sind wichtig. Sie sollten sich in die Senioren einfühlen können, aber dennoch in der Sache deutlich werden“, so die Erfahrung der Unternehmerin. Oft scheuen die Eltern auch deshalb vor einer Entscheidung zurück, weil sie alle Kinder gleich behandeln möchten. „Bei der Unternehmensnachfolge kann es keine absolute Gerechtigkeit geben, ohne dass es dem Geschäft schadet“, ist Mechthild Feldmeier überzeugt. Dennoch sollten alle Beteiligten das Ergebnis als fair empfinden. Wie das im Einzelfall aussehen kann, hängt stark von der individuellen Situation der betroffenen Familien ab.

Zeit lassen

Überfallartige Hauruck-Aktionen, um die Angelegenheit endlich hinter sich zu bringen, sind bei Nachfolgediskussionen selten erfolgreich. Besser ist es, rechtzeitig das Gespräch zu suchen und den Übergang langfristig zu planen. Experten raten, sich spätestens mit dem 50. Geburtstag Gedanken über die Nachfolge zu machen.

Auch wenn die Zeit drängt, ist Vorsicht geboten und die Strategie der kleinen Schritte empfehlenswert. Idealerweise erarbeiten alle gemeinsam einen Zeitplan, bei dem der Senior nach und nach Kompetenzen an den bzw. die Nachfolger abgibt. Das ist ein schwieriger Prozess, der viel Stehvermögen braucht, aber auch seine positiven Seiten hat. So sieht es jedenfalls Mechthild Feldmeier: „Ich bin froh, dass ich durchgehalten habe. Das hat mich stark gemacht und ich habe viel gelernt.“

Silke Becker

gudrun.bergdolt@handwerk-magazin.de