Ein Himmel für Kinder

Hilfsaktion | Deutsche Handwerker packen an: Meisterschüler und Unternehmer helfen tatkräftig beim Bau eines Kinderferienheims im rumänischen Radeln. Ein Besuch vor Ort.

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    Malermeister Manfred Ochs legt die kunstvoll gestaltete Decke im ehemaligen Pfarrhaus frei.
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    Architekt Sebastian Szaktilla erklärt Redakteurin Cornelia Hefer die verschiedenen Projektstufen.
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    Die Peter Maffay-Stiftung unterstützt die evangelische Kirche bei der Renovierung der Kirchenburg.
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    Radeln mit seiner Kirchenburg im Zentrum als Modell im Büro des Projektleiters Szaktilla.
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    Die Lehrer der Widmann Schule in Heilbronn: Mario Appel (re.) und Andreas Gehring.
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    Auf dem Pfarrgelände entsteht die Unterkunft für bis zu zwölf traumatisierte Kinder und ihre Betreuer.
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    Ein Abenteuer: Plumpsklos im Hof.
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    Zwei Köchinnen sorgen mit einheimi-scher Küche für eine gute Verpflegung der Handwerker.
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    Wir sind Helden: 20 Meisterschüler und zwei Handwerker schuften in Rumänien für die gute Sache.
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    Das Dach des Pfarrhauses wird ausgebaut: Später sollen dort auch Gäste übernachten.

Ein Himmel für Kinder

Es ist Donnerstag 11.00 Uhr in Radeln. Vormittags hat es mal wieder geregnet – wie schon an den letzten drei Tagen. Der Wind ist eiskalt und geht durch die Arbeitskleidung bis auf die Knochen. „Regen und Kälte schlagen einem auf die Stimmung“, sagt Stuckateur-Geselle Daniel Hoffmann an seinem vierten Tag in Siebenbürgen. Gute Laune sieht anders aus. Er weiß noch nicht, dass ihn am Nachmittag Kaffee, Kuchen und selbstgebrannter Schnaps bei einem freundlichen deutsch-rumänischen Ehepaar erwartet, den Dörners. Danach noch ein Fußballspiel auf einem holprigen Acker – zum Abreagieren.

Ende Oktober schuften 20 Stuckateur-Meisterschüler, Malermeister Manfred Ochs und Schlosser Jürgen Hölzemann in Rumänien für die gute Sache. In Kooperation mit der Peter Maffay-Stiftung unterstützen handwerk magazin und die Deutsche Handwerks Zeitung die Aktion „Deutsches Handwerk hilft“: den Bau eines Kinderferienheims im rumänischen Radeln (siehe Kasten rechts). handwerk magazin besuchte die tatkräftigen Helfer vor Ort.

Nichts für Weicheier

Aber gute Taten können anstrengend sein. Denn in Radeln, oder „Roades“ wie es heute heißt, ist es Ende Oktober bereits unfreundlich kalt. Wer draußen arbeitet, ist mittags das erste Mal durchnässt und friert. Die heiße Dusche am Abend in einem beheizten Badezimmer fällt aus. In Radeln stellt man sich unter eine Außendusche mit Brunnenwasser im Hof, wenn es denn Wasser gibt – schräg gegenüber dreier Plumpsklos.

Meisterschüler David Maschke aus Neustadt in Sachsen verbucht seinen Aufenthalt in Radeln trotz erschwerter Bedingungen „als gute Erfahrung, wegen der geleisteten Arbeit“. Der Stuckateur-Geselle stellt aber mit Blick auf den ein oder anderen klagefreudigen Kollegen klar: „Man darf eben kein Weichei sein.“

Maschke ist einer von 20 Meisterschülern zwischen 19 und 45 Jahren der Bundesfachschule für Stuckateure an der Johann-Jakob-Widmann- Schule in Heilbronn. Sie helfen zwei Wochen in Rumänien vor allem bei Ausbesserungsarbeiten an den größtenteils stark sanierungsbedürftigen Gebäuden. 30 Stunden haben sich die Stuckateure mit zwei Lehrern dafür in einen Reisebus gequetscht. Die Handwerkskammer und deutsche Unternehmen sponserten die Anreise.

„Das ist schon ein Abenteuer, das wir hier erleben. Mit deutschen Anforderungen, Arbeitsschutz oder Ausstattung lässt sich das nicht vergleichen. Der Reiz für die Schüler ist hier das Improvisieren und Ausprobieren verschiedener Lösungen“, sagt Mario Appel, wissenschaftlicher Lehrer an der Widmann Schule und Initiator der Reise nach Rumänien. Improvisieren mussten seine Schüler bereits bei der Ankunft in Radeln. „Die Jungs wollten gleich mit der Arbeit loslegen, aber das ging nicht, weil das Material fehlte“, so Appel.

Unverzichtbar der Dolmetscher

Also klopften Schüler und Lehrer am ersten Tag die Strukturen für eine funktionierende Gemeinschaft fest: Sie bestimmten einen Brennmeister, zuständig für die Holz-Beschaffung und den Ofen, einen Banker oder eine Geldwechselstelle, einen Einkäufer, der für Nachschub von Lebensmitteln, Zigaretten und Bier sorgt, und einen Ältestenrat, der bei Streit und Konflikten eingreift. Der IT-Beauftragte war gleich am ersten Tag seinen Job wieder los, denn Internet-Zugang ist auf dem Land noch ein Fremdwort.

Unverzichtbar ist dagegen der deutsch-rumänische Dolmetscher: Daniel Fleps, Stuckateur-Azubi im ersten Lehrjahr, den Mario Appel gleich bei Schulbeginn ansprach, ob er nicht Lust auf die Tour nach Radeln habe. „Ich habe mich drauf gefreut – auch um den anderen aus Deutschland mal zu zeigen, dass Rumänien ein sehr schönes Land ist“, betont Fleps. Das notwendige Material für erste Ausbesserungen an den Fassaden sowie ein Gerüst für Putzarbeiten besorgten sich die Stuckateure von der ungarischen Baufirma, die das evangelische Pfarrhaus renoviert. „Der Lerneffekt ist riesig. Die Schüler müssen sich hier wieder mit den alten Techniken, wie Putz selbst mischen, vertraut machen – und manchmal auch verschiedene Varianten ausprobieren, bis das Ergebnis stimmt“, meint Andreas Gehrig, als technischer Lehrer auch für die Verarbeitung der verschiedenen Materialien zuständig.

Den Einsatzplan der Handwerker für die Aktion „Deutsches Handwerk hilft“ koordiniert Projektleiter Sebastian Szaktilla, Architekt und Spezialist für Kirchenburgen. Mit vier einheimischen Mitarbeitern sorgt er in Radeln dafür, dass der Laden läuft. Denn der Zeitplan für das Projekt in Rumänien ist ehrgeizig: Im ersten Schritt wird das Kinderferienheim auf dem ehemaligen Pfarrgelände errichtet und das frühere Pfarrhaus saniert. Im Mai 2011 ist die Eröffnung geplant. Danach unterstützt die Maffay-Stiftung die evangelische Kirche bei der Renovierung der Kirchenburg aus dem 14. Jahrhundert. Parallel dazu werden einzelne Häuser des Dorfes saniert, die als das Stiftungsbüro und als Bauhof dienen werden. Derzeit plant Projektleiter Szaktilla Handwerker nur für die Außenarbeiten ein. „Mit dem Innenausbau der verschiedenen Häuser starten wir dann im nächsten Jahr“, sagt er zuversichtlich. Die Fachleute, die sich bei ihm melden und in Siebenbürgen auf eigene Kosten helfen, beeindrucken den Architekten. „Ich habe durch die Aktion viele tolle Menschen aus dem Handwerk kennengelernt“, so Szaktilla.

Auf der Suche nach dem Abenteuer

Einer davon ist Manfred Ochs. Der 68-jährige Malermeister legt im ehemaligen Pfarrhaus eine kunstvoll bemalte Decke frei, die später von einer Kunstmalerin wieder restauriert wird. Er sagt, er habe bei „der Aktion jede Menge Spaß“, weil er „ein Abenteurer“ sei. Acht Tage bleibt er hier, aber er möchte nächstes Jahr noch mal wieder kommen. „Im Sommer, wenn es wärmer ist.“

Um vier am Nachmittag, die Sonne scheint, bekommen die Meisterschüler und die beiden Handwerksmeister dann endlich ihre Belohnung: Kaffee, Kuchen und später auch Selbstgebrannten im Haus der Dörners, wo ihre beiden Lehrer für die zwei Wochen wohnen. Die Laune steigt, Kaffee wie bei Muttern und noch den ein oder anderen Schnaps trinken. Dem Fußballspiel am Abend wird das aber nicht schaden, keiner verletzt sich. Nur Stuckateur-Geselle Marc Petry macht sich Sorgen um die Versorgung seiner Truppe in den nächsten Tagen. „Die Zigaretten gehen aus. Wenn die Raucher nichts mehr haben, kippt die Stimmung“, meint er ernst und bittet Projektleiter Szaktilla für morgen um Nachschub – in Stangen. Dann grinst er in die Runde: „Zigaretten für alle: Hier rauchen ja sogar die Nichtraucher.“

cornelia.hefer@handwerk-magazin.de

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