Interview zu fairer Bezahlung Eckhard Eyer über Good Pay im Handwerk: "Flexibler in der Denke sein"

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Buchautor Eckhard Eyer liefert in seinem jüngsten Werk einen neuen Ansatz eines individuellen und transparenten Vergütungssystems: Good Pay im Handwerk. Uns hat er im Gespräch über New Work, Flexibilität und faire Bezahlung verraten, worauf es dabei ankommt.

Eckhard Eyer
Eckhard Eyer berät Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung von Führungs- und Vergütungssystemen. - © Markus J. Feger
handwerk magazin: Herr Eyer, bereits in den 1970er-Jahren hat der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann sein Konzept der neuen Arbeit präsentiert. Warum ist New Work heute aktueller denn je?

Eckhard Eyer: New Work hat in den 1970er-Jahren den Menschen mehr in den Mittelpunkt gestellt. Die Technik gab damals den Takt noch enger vor, als das Fließband des alten Henry Ford. Vor dem Hintergrund stellte sich die Frage, wie man Arbeit so attraktiv machen kann, dass die Menschen nicht sinnentleerte, monotone Tätigkeiten verrichten müssen und deshalb ständig krank sind. Diese Frage stellt sich jetzt wieder neu: Denn aus dem Arbeitgeber- ist ein Arbeitnehmermarkt geworden. Die Mitarbeiter können sich heute schlicht ihren Arbeitgeber aussuchen. Zudem haben junge Menschen heute andere Wertvorstellungen, die Arbeit hat nicht mehr diesen hohen Stellenwert wie in der Vergangenheit. Sie wollen auch leben.

Wie hat die Pandemie, die uns seit März massiv beschäftigt, dieses Thema beeinflusst?

Die Pandemie hat New Work noch einmal interessanter gemacht, weil über die Formen der Zusammenarbeit neu nachgedacht wird. Das geht beim Homeoffice los. Wie kommuniziert man miteinander? Wie wird den Mitarbeitern mehr Vertrauen geschenkt? Bei New Work bekommt der Mitarbeiter beispielsweise mehr Selbstständigkeit und mehr Entscheidungsspielräume. Grundsätzlich ist jetzt stärker ein kooperativer Führungsstil gefragt.

Letztlich geht es ja um die Frage, wie uns Arbeit stärkt und nicht schwächt, oder?

Richtig. Bergmann hat erkannt, dass, sobald einem die Arbeit Spaß macht, man auch erfolgreich ist. Nach dem Motto: Setze auf die Stärken und beschäftige Dich nicht mit den Schwächen.

Wie sollten wir im Handwerk künftig arbeiten wollen?

Wir sollten flexibler sein in der Denke und den Arbeitsangeboten. Wie schafft man die Interessen des Unternehmens einerseits und die der Mitarbeiter andererseits in Einklang zu bringen? Ist es die tradierte 40-Stunden-Woche? Ist Teilzeitarbeit denkbar? Interessant ist ja, dass Handwerk nicht gleich Handwerk ist. In einigen Bereichen ist Vollzeit gang und gäbe, aber etwa im Friseurhandwerk ist Teilzeit stark vertreten, auch auf Arbeitsspitzen wird hier flexibel reagiert und die Arbeitszeit darauf zugeschnitten. Dieses Gewerk ist sehr innovativ und stellt sich auf die Bedürfnisse von Mitarbeitern und Kunden sehr gut ein. Andere Branchen können hiervon lernen.

Sie haben einen neuen Good-Pay-Ansatz fürs Handwerk entwickelt. Bitte beschreiben Sie diesen kurz.

Handwerksbetriebe sind heute gut beraten, eigene und passgenaue Arbeitsbedingungen und Vergütungssysteme zu entwickeln. Statt dem klassischen Lohn sollten sie auf eine individuelle Vergütung setzen, das Good Pay. Zugeschnitten auf die betriebliche Arbeit und Leistung, die Arbeitszeit und den -ort, aber auch auf die Werte des Betriebes.

Was sind die Bausteine von Good Pay?

Einerseits gibt es den genannten inhaltlichen Aspekt, andererseits geht es um die Prozessgestaltung. Und diesen Prozess beschreibe ich gerne: Erstens wird das Entgeltsystem gemeinsam erarbeitet, zweitens gerecht gestaltet und drittens das Ganze fair umgesetzt. Im Handwerk werden Unternehmenskultur- und -werte sehr stark durch den Inhaber geprägt, dort kann man natürlich auch das Entgelt auf die Bedürfnisse und die Gerechtigkeitsvorstellungen eines Hauses passgenau zuschneiden. Unternehmer sollten sich beim Good Pay fragen: Was steht dem Mitarbeiter aufgrund von Arbeit und Leistung zu und wie zahle ich ihm das Entgelt am geschicktesten aus? Vergüte ich beispielsweise eine besondere Leistung mit Warengutscheinen steuer- und sozialversicherungsfrei? Honoriere ich die besondere Leistung mit bezahlter (Frei-)Zeit?

Wie kommen Handwerkschefs jetzt am besten ins Handeln?

Die erste Frage sollte lauten: Wo stehe ich mit meinem Unternehmen, in welchem Marktumfeld bewege ich mich? Unternehmen sollten dann ganz klar definieren, wo sie hinwollen, welche Akzente sie setzen und welches Alleinstellungsmerkmal sie am Arbeitsmarkt haben möchten. Der New-Work-Gedanke lässt sich dann gut mit Good Pay verbinden. Unternehmer sollten sich klarmachen, dass sie beides berücksichtigen und das Ganze angemessen in der Vergütung abbilden. Hier können dann auch soziale Komponenten einfließen. Wichtig ist mir, dass die Good-Pay-Bausteine überschaubar bleiben und nicht ausufern. Das Ganze muss administrativ beherrschbar bleiben.

Schauen wir uns diese Bausteine noch ein wenig genauer an: Was ist der erste Schritt? Welche Optionen sind möglich?

Als Erstes definiert man genau, wie man zum Entgelt kommt. Da geht es um Arbeit und Leistung. Im nächsten Schritt dreht sich dann alles um die Frage, wie ich das Entgelt auszahle. Der Großteil wird dann natürlich nach wie vor auf das Konto des Mitarbeiters überwiesen, nachdem Steuer und Sozialversicherung abgezogen wurden. Um hier dann zu sparen, besteht die Option, auf Altersversorgung zu setzen. Oder zu sagen: Zeit statt Geld. Das gibt es in manchen Branchen sogar in Tarifverträgen. Weitere Optionen wären ein Jobrad mit E-Antrieb, ein Dienstwagen oder ein Jobticket. Alles Leistungen, die steuer- und sozialversicherungsrechtlich begünstigt sind.

Für Ihr Buch haben Sie vier Praxisbeispiele gewählt: Elektro-, Sanitär-, Friseur- sowie das Dachdecker-Handwerk. Gab es beim Schreiben Ihres Buches einen speziellen Aha-Effekt?

Spannend zu sehen war, wie Unternehmen gewachsen sind und wie sie ticken. Betrachte ich ein Unternehmen in dritter Generation, das noch stark vom Großvater geprägt ist, oder einen Start-up-Unternehmer im Handwerk. Letzterer gehört selbst einer anderen Generation an, ist anders geprägt und hat andere Wertvorstellungen. Stichwort: Führungsstil und Demokratisierung der Arbeit.

Machen wir ein kleines Gedankenex­periment: Wenn wir uns in fünf Jahren wieder treffen würden, wie weit dürften wir dann mit Good Pay im Handwerk sein?

Ich gehe davon aus, dass wir trotz der Pandemie immer noch eine hohe Nachfrage nach Fachkräften und einen Arbeitnehmermarkt haben werden. Die Notwendigkeit, die Arbeit für Mitarbeiter attraktiv zu gestalten, bleibt also gegeben. Die Arbeitsbedingungen müssen auch in Zukunft stimmen, die Themen Arbeitszeit und partizipative Führung werden an Bedeutung gewinnen und die Mitarbeiter werden mehr in Zeit und anderen sozialversicherungs- und steuerrechtlich-vergünstigten Entgeltbausteinen vergütet werden. Da geht die Reise hin!

Herr Eyer, vielen Dank für das Gespräch!

Vita Eckhard Eyer:

Eckhard Eyer, Jahrgang 1958, ist Inhaber der Perspektive Eyer Consulting in Ockenfels. „Wir unterstützen Unternehmen im gesamten Prozess von der Erarbeitung der Zielvorstellungen, der Gestaltung des betriebsspezifischen Vergütungssystems – nach Tätigkeit, Leistung und Erfolg – bis hin zu dessen Einführung sowie der Auszahlung der Vergütung“, heißt es auf der Website. Darüber hinaus ist der studierte Diplom-Ingenieur und Diplom-Kaufmann als Fachbuchautor und Lehrbeauftragter an der Universität Trier tätig.

Webinar "Good Pay im Handwerk – Vergütungssysteme passgenau gestalten"

Im Webinar „Good Pay im Handwerk – Vergütungssysteme passgenau gestalten“ zeigt Ihnen Eckhard Eyer in der Praxis, wie Sie unter Berücksichtigung der Wertschöpfung und des Arbeitsmarktes betriebliche Vergütungssysteme im Handwerk entwickeln, diese gerecht aufbauen und schließlich fair einsetzen. Zahlreiche Tipps, Ratschläge, Checklisten und betriebliche Beispiele werden Ihnen helfen, Good Pay erfolgreich zu gestalten und einzuführen. Jetzt anmelden!

Anmeldung: handwerk-magazin.de/goodpay

Termin: 20. Januar 2021, 10.00 bis 11.00 Uhr

Preis: 79 Euro inkl. Praxisratgeber „Good Pay im Handwerk“