Entsenderichtlinie wird ergänzt: Folgen für das Handwerk

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Entsenderichtlinie

Nadja Hirsch (FDP), stellvertretende Vorsitzende des Beschäftigungsausschusses im Europaparlament, spricht über die neue EU-Durchsetzungsrichtlinie, die Erweiterung der Entsenderichtlinie, und die Folgen für das Handwerk.

Nadja Hirsch (FDP) nimmt zur erweiterten Entsenderichtlinie Stellung
Stellvertretende Vorsitzende des Beschäftigungsausschusses, Schattenberichterstatterin beim Kompromiss zur Durchsetzungsrichtlinie: Seit ihrer Wahl ins Europaparlament 2009 hat sich Nadja Hirsch (FDP) einen Namen als Sozialpolitikerin gemacht. - © FDP

Lohn- und Sozialdumping, Scheinentsendungen, unfairer Wettbewerb: Bei manch einem Ihrer Kollegen im Europaparlament blinken beim Thema Arbeitnehmer-Entsendung alle Warnleuchten. Bei Ihnen auch?

Nadja Hirsch: Bei der Entsendung geht es nicht – wie das oft von manchen skeptischen Akteuren dargestellt wird – nur darum, sich preislich zu unterbieten, indem Arbeitnehmern Hungerlöhne gezahlt und die Sozialstandards unterwandert werden. Es geht bildlich auch darum, Löcher zu stopfen: Denn oftmals fehlt es an Arbeitskräften und qualifiziertem Personal. Es ging mir bei den Verhandlungen zur Richtlinie darum, einen gesunden Kompromiss zwischen einer Verbesserung der Rechte von entsandten Arbeitnehmern auf der einen und Vermeidung überbordender Bürokratie auf der anderen Seite zu finden.

Missbrauch droht der Entsenderichtlinie im Baugewerbe, aber auch in der Gebäudereinigung. Wie wollen Sie das verhindern?

Nadja Hirsch: In den sogenannten Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Rat und dem Europäischen Parlament hat man sich darauf einigen können, dass effizientere Kontrollmöglichkeiten in Zukunft durchgeführt werden und die Mitgliedstaaten stärker gemeinsam gegen Briefkastenfirmen vorgehen müssen. Den Mitgliedstaaten ging es vor allem darum, weiterhin den Einfluss auf die Gestaltung der Kontrollen zu haben. Die Kommission forderte allerdings, dass nur eine begrenzte Anzahl von Maßnahmen getroffen werden dürfe. Geeinigt hat man sich letztlich auf eine „offene Liste“, d.h. Die EU-Länder haben weiterhin die Hoheit über Kontrollen auf ihrem Gebiet, und das ist auch gut so. Diese Kontrollmaßnahmen müssen aber angemessen und gerechtfertigt sein. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten die Kontrollen der Kommission kommunizieren.

Wie schwierig war es, im federführenden Beschäftigungsausschuss eine Mehrheit für eine offene Liste nationaler Kontrollmaßnahmen zu finden?

Nadja Hirsch: Der ursprüngliche Bericht der Schattenberichterstatterin Danuta Jazlowiecka sah zunächst keine offene Liste für nationale Kontrollen vor. Die Fraktionen der Sozialisten, Linken und Grünen hatten sich sofort auf eine offene Liste festgelegt, wobei hier vor allem der protektionistische Gedanke im Vordergrund stand, der sich für mich als liberale Vertreterin nicht mit dem Binnenmarkt vereinbaren lässt. Den Kompromiss, den ich letztendlich unterstützen konnte, ist eine offene Liste, wobei die Mitgliedstaaten ihre Maßnahmen der Kommission melden müssen. Unser Liberaler Erfolg war es daher, dass die Kontrollen an die Kommission kommuniziert werden sowie gerechtfertigt und angemessen sein müssen, damit nicht Bürokratie und Regulierungswut überhandnehmen.

Abgestimmt wurde auch über die verpflichtende Einführung einer Generalunternehmerhaftung in der europäischen Bauwirtschaft. Im deutschen System aber haftet der Generalunternehmer nicht nur, sondern kann sich – Stichwort Präqualifizierung – unter strengen Voraussetzungen für ausstehende Beiträge zu Urlaubs- und Sozialkassen auch enthaften. Bleibt es dabei?

Nadja Hirsch: Nach Paragraph 14 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Ausführung von Bauleistungen beauftragt, für Urlaubskassenbeiträge wie ein selbstständiger Bürge. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich der Generalunternehmer aber auch enthaften. Dies funktioniert durch Vorlage einer sogenannten Enthaftungsbescheinigung oder Auswahl eines präqualifizierten Unternehmens. In der neuen Richtlinie gilt die direkte Subunternehmerhaftung für den Bausektor. Unternehmen, die entsenden, müssen einen Ansprechpartner stellen, um sicherzustellen, dass alle Beiträge in die Urlaubskassen eingezahlt werden. Wenn die Mitgliedstaaten die Sorgfaltspflicht definiert haben und ihr nachgekommen sind, ist die Enthaftung weiterhin generell möglich. Ich habe mich in den Verhandlungen dafür eingesetzt, dass strengere und bewährte Regelungen wie in Deutschland beibehalten werden können. Daher bin ich mit dem Trilogergebnis, dass bestehende nationale Systeme erhalten bleiben können, zufrieden.

Über die Durchsetzungsrichtlinie stimmen Sie in der letzten Plenarsitzung dieser Legislaturperiode ab. Im Rückblick: Was haben Sie erreicht, was ist liegengeblieben – und was haben Sie noch vor?

Nadja Hirsch: Mit diesem Kompromiss aller EU-Akteure zeigt die EU den Willen und die Bereitschaft, auf Europas Baustellen aufzuräumen. Unternehmen sollen das klare Signal erhalten, dass sie sich Wettbewerbsvorteile nicht auf dem Rücken und auf Kosten ihrer Arbeitnehmer verschaffen dürfen. Etwa indem sie diese schlecht bezahlen, sie in jämmerlichen Unterkünften unterbringen oder ihnen Urlaubsansprüche vorenthalten. Durch die neue Durchsetzungsrichtlinie sind Kontrollen verschärft und Haftungsfragen geklärt worden. Gestärkt worden sind außerdem Informationsmöglichkeiten zur Entsendung für Arbeitnehmer und Unternehmen sowie die grenzüberschreitende Vollstreckung von Bußgeldbescheiden. Daher bin ich mit dem Kompromiss zufrieden.