Druck erhöhen

EDV-Mahnung | Zehn Millionen Mahnanträge, teure Prozesse, überlastete Gerichtsvollzieher – wer mit Justitias Hilfe an sein Geld kommen will, hat es schwer. Moderne Verfahren helfen zunehmend.

Druck erhöhen

Jährlich eine Million Verfahren mehr gingen in jüngster Vergangenheit bei deutschen Mahngerichten ein. Inzwischen ist die Marke von zehn Millionen Verfahren überschritten worden. Um diese Flut gerichtlicher Mahnverfahren abarbeiten zu können, haben fast alle Bundesländer das automatisierte Verfahren eingeführt. „Das geht meistens recht flott“, so die Erfahrung von Gabriele Lindhofer, Rechtsnwältin in München (www.kanzlei-lindhofer.de). „Interessant ist das Mahnverfahren zudem, weil hier nur eine halbe Gerichtsgebühr anfällt anstatt drei wie bei der Klage“ (siehe Übersicht nächste Seite).

Das EDV-Verfahren funktioniert so:

1.Im gut sortierten Schreibwarenladen wird der „Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids“ gekauft. Wichtig ist, dass es speziell der für das maschinelle Verfahren ist. Andere können in der EDV der Gerichte nicht verarbeitet werden.

2.Der Antrag wird mit einer Schreibmaschine (oder am PC, etwa mit der CD von Peter David, www.haufe.de) genau ausgefüllt. Eine Anleitung dafür, gültig in allen beteiligten Bundesländern, gibt es beim Justizministerium Baden-Württemberg. Die 87-seitige Broschüre kann unter www.justiz-bw.de für zwei Euro bestellt oder kostenlos heruntergeladen werden (Service, Broschüren, „Die maschinelle Bearbeitung der gerichtlichen Mahnverfahren“).

3.Dann wird das Formular ans zentrale Mahngericht geschickt, das für den Gläubiger, also den Handwerksbetrieb zuständig ist. Das ist für Baden-Württemberg in Stuttgart, für Bayern in Coburg, für Berlin in den Stadtbezirken Wedding und Schöneberg, für Bremen dortselbst, für Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern in Hamburg, für Hessen in Hünfeld, für Niedersachsen in Uelzen, für Nordrhein-Westfalen in Euskirchen und Hagen, für Rheinland-Pfalz und Saarland in Mayen, für Sachsen-Anhalt in Staßfurt und für Schleswig-Holstein in Schleswig (Postadressen, Telefonnummern und Internetadressen stehen in der Broschüre auf den Seiten 86 und 87).

4.Wenn der Antrag korrekt ausgefüllt ist, bekommt der säumige Auftraggeber den Mahnbescheid innerhalb weniger Tage durch die Post zugestellt. Ausreden, der Brief sei niemals bei ihm angekommen, ziehen in diesem Fall nicht: Überreicht wird eine Postzustellungsurkunde, in der vom Zusteller genau notiert wird, wann er wem das Schriftstück des Amtsgerichts übergeben hat. Wenn der Schuldner nicht da sein sollte, dann wird er benachrichtigt. Anders als bei einem Einschreiben mit Benachrichtigungsschein gilt der Mahnbescheid damit schon als zugestellt.

5.Fehlt im Antrag eine Angabe – etwa die Rechtsform des Geschäftskunden – oder stimmt etwas nicht, bekommt der Gläubiger vom Rechtspfleger ein sogenanntes Monierungsschreiben. Sobald er darauf reagiert hat, kann das Verfahren weitergehen.

6.Die Gerichtsgebühr wird dem Gläubiger ganz modern in Rechnung gestellt. Vorbei die Zeiten, in denen zuerst Kostenmarken beim Amtsgericht gekauft und aufgeklebt werden mussten.

7.Der Schuldner hat ab Zugang des Mahnbescheids zwei Wochen Zeit, Widerspruch einzulegen. Tut er dies, geht das Verfahren in einen Prozess über, sobald der Gläubiger die restlichen Gerichtskosten (weitere zweieinhalb Gebühren) bezahlt hat.

8.Lässt der Schuldner die Zeit verstreichen, kann der Gläubiger einen Vollstreckungsbescheid beantragen, mit dem er Außenstände eintreiben (lassen) kann. „Das geht ohne die sonst übliche Sicherheitsleistung“, erklärt die hm-Expertin Lindhofer. „Legt der verdutzte säumige Kunde dann Einspruch ein, verhindert das die Zwangsvollstreckung nicht.“

Mahnen oder gleich klagen

Die Praxistauglichkeit des gerichtlichen Mahnverfahrens belegt diese Zahl: „60 bis 80 Prozent enden mit einem rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid“, berichtet hm-Experte Peter David, Richter am Oberlandesgericht München a.D. – und das ohne hohe Gerichts- oder Anwaltskosten. Schiebt der Kunde aber schon bei der Rechnung Mängelrügen vor, rät David vom Mahnverfahren ab. „Bis der Vollstreckungsbescheid zugestellt wird, ist der Kalender des Richters schon mindestens sechs Wochen weiter – in dieser Zeit könnte eine Klage längst laufen“, (siehe auch Interview Seite 23). Aus diesem Grund gilt die Faustregel: Beim säumigen, aber insgesamt einsichtigen Schuldner Mahnantrag stellen, bei Kunden mit Mängelrügen nachbessern oder – wenn die Mängelrügen unberechtigt sind – klagen.

Ob Vollstreckungsbescheid oder Urteil, Nadelöhr ist meist der Gerichtsvollzieher. Chronisch überlastet, kommt er erst nach Monaten dazu, den Versuch des Geldeintreibens zu starten. In Ballungsräumen dauert das ein halbes Jahr, in den neuen Bundesländern zum Teil bis zu einem Jahr. Wohl dem, der auf einem anderen Weg der Zwangsvollstreckung (Seite 32, 33) weiteres Vermögen des Schuldners entdeckt hat und direkt da-rauf zugreifen kann.

Auf den letzten Drücker wachen dann manche Schuldner doch noch auf: „Sie zahlen ganz oder in Raten, wenn der Gerichtsvollzieher da ist“, sagt Christoph Ruoff von Atriga (www.atriga.com). Der Inkassodienstleister in Langen bei Frankfurt am Main rückt säumigen Kunden seit Jahren mit Erfolg auf die Pelle. Weit über 17000 Kunden haben die verschiedenen Services schon genutzt, viele davon Handwerksunternehmer. Den besten Zugang zu Atriga finden Sie über www.handwerk-magazin.de (dort Button „Außenstände“ anklicken).

Das neueste Angebot mit Vorzugspreisen für hm-Abonnenten heißt Atrigaprotekt. (Näheres dazu auf Seite 10 ff.)

Auch wenn die Mühlen der Justiz mitunter sehr langsam mahlen, vernichtende Kritik an den Gerichten kommt von keinem der Experten. Auch nicht vom Deutschen Anwaltverein (DAV) in Berlin, dem 65000 Rechtsanwälte in 248 Ortsvereinen angehören. „In der Regel jedenfalls gibt es für Schuldner keinen Justizkredit“, betont Bernd Hirtz, Vorsitzender des DAV-Zivilverfahrensrechtsausschusses und Rechtsanwalt in Köln (www.ramhk.de). Eigentlich könne niemand darauf hoffen, am Ende von der langen Verfahrensdauer eines Prozesses zu profitieren.

„Schwieriger allerdings wird es, wenn ein Sachverständiger hinzugezogen werden muss“, räumt Bernd Hirtz ein. „Dann fällt das Verfahren aus der gerichtlichen Beeinflussungsmöglichkeit heraus.“ Die im seit Jahren geplanten und im Bundestag vergessenen Forderungssicherungsgesetz eingebaute „Vorläufige Zahlungsanordnung“ würde hier auch nicht helfen, ist er überzeugt. „Das dürfte bei Mängelrügen im Handwerk reflexartig dazu führen, dass der Richter diese Anordnung nicht erlässt – eine Beschleunigung brächte das nicht.“

harald.klein@handwerk-magazin.de