Digitalisierung: Computer ersetzt Steuerberater

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Das Internet verändert nicht nur das Berufsbild vieler Handwerksbetriebe. Auch reinen Dienstleistern wie Anwälten oder Steuerberatern macht die digitale Konkurrenz zunehmend zu schaffen.

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    © Screenshot: handwerk magazin
    Die Zukunft liegt in der IT-gestützten Steuer­beratung. First Mover ­felix1.de legt vor.
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    © Die Hoffotografen
    „Der Mandant bezahlt bei ­felix1.de nur für die Leistungen, die er tatsächlich in Anspruch nimmt.“ Marc Müller, ­Steuerberater und Gründer von felix1.de.

Die laut Bundessteuerberaterkammer derzeit zugelassenen 83 369 Steuerberater und 9039 Steuerberatungsgesellschaften stehen unter erheblichem Anpassungsdruck. Grund dafür ist ein neues virtuelles Beratungsangebot, das konventionelle Steuerberater­kanzleien bis ins Mark trifft. Was sie in dem Cloud-Portal felix1.de zu lesen bekommen, ist nicht etwa die Ankündigung eines neuen Sturmtiefs oder die Fanseite von Skistar Felix Neureuther. Vielmehr verbirgt sich hinter dem netten ­Vornamen Felix beinharter Verdräng­ungswettbewerb. Hier haben Deutschlands größte Steuerberatung ETL und der weltweit größte Anbieter von kaufmännischer Software für Mittelstandskunden Sage ihre Kräfte gebündelt. Der Clou dabei: Die Software integriert Steuerberatung, Buchhaltung, Controlling, Rechnungsstellung und Onlinebanking in einer einzigen Computeranwendung.

Was kostet Felix1?

Die Dienstleistung für Einzelunternehmer oder GmbHs bietet das Unternehmen bereits ab einer Flatrate von 29 Euro monatlich an.

Wie funktioniert das Cloudportal?

Der Handwerker muss nur das gewünschte Paket auswählen, die Eingangsrechnungen einscannen und sich einmalig mit der Buchungssoftware vertraut machen – und schon läuft die Steuerberatungsmaschinerie auf Hochtouren. Onlinekunden, die danach noch Fragen haben, können über das Portal einen von 240 Steuerberatern an 150 Standorten in Deutschland aus dem ETL-Netzwerk wählen und mit ihm gleich einen Termin vereinbaren.

Anhand des vom Mandanten erwarteten Jahresumsatzes und der bestehenden Gesellschaftsform sieht der Mandant auf Knopfdruck, welche Kosten ihn erwarten. Auf diese Weise besteht von Vornherein Preistransparenz. Der beauftragte Steuerberater kann von seinem Computer aus die Buchhaltung überprüfen, Fragen beantworten und den Jahresabschluss erstellen. Alle nötigen Daten findet er online. Über eine sichere Schnittstelle ist er in der Lage, auf alle mit der Software Sage One erledigten Buchungen zuzugreifen. Der gesamte Prozess von der ersten Rechnung bis zur fertigen Steuererklärung erfolgt komplett papierlos.

Digitale Steuerberater stoßen auf großes Interesse

Das Marktforschungsinstitut Skopos hat vor einem halben Jahr 414 Geschäftsführer und leitende Manager kleiner Unternehmen befragt, ob sie Interesse an einer Online-Steuerberatung haben. Beinahe jeder Zweite (42 Prozent) bejahte dies.
Und noch etwas förderte die Befragung zutage: Bei den Einzelunternehmern sind es 53 Prozent, die sich keinen Steuerberater leisten können oder wollen. Gründer und Vorstand von felix1.de, Marc Müller, verspricht den Kunden: „ Die Ersparnis beträgt durchschnittlich 50 Prozent im Vergleich zur klassischen Buchhaltung – abhängig von Rechtsform und Umsatz des Unternehmens.“

Gefahr für Steuerkanzleien

Keine Frage: Die Steuerberater stehen vor einem fundamentalen Umbruch. Zwar erwirtschaftet die Branche in Deutschland rund 17 Milliarden Euro Umsatz jährlich. Davon entfallen im Durchschnitt 25 Prozent des Umsatzes einer Kanzlei auf das Rechnungswesen und 30 Prozent auf die Erstellung von Jahresabschlüssen. Und dieser Anteil dürfte aufgrund der neuen Softwaregenerationen und Angeboten wie felix1.de in den nächsten Jahren schrumpfen.

Handwerker profitieren

„Wir glauben fest daran, dass sehr viele Unternehmer unser Angebot annehmen werden, und rechnen in den kommenden Jahren mit mehreren 10 000 Mandanten. Das Potenzial ist durch 2,9 Millionen Kleinunternehmer, die wir in Deutschland haben, sowie jährlich knapp 340 000 Unternehmensgründungen enorm“, ist Marc Müller überzeugt.

Insbesondere das Handwerk dürfte von dieser Entwicklung profitieren. Viele Handwerksbetriebe müssen aufgrund des immer stärker werdenden Wettbewerbs ihre internen Prozessabläufe optimieren, um so Verwaltungskosten zu sparen.

Die Befürchtung dahinter: Wer die Effizienzsteigerung dank Digitalisierung nicht oder zu spät in Angriff nimmt, wird von der Konkurrenz oder gar Branchenfremden überholt. Letzteres erleben gerade weltweit die Taxiunternehmer, denen das Internetunternehmen Uber mit „privaten“ Taxifahrten einen Prozentpunkt Marktanteil nach dem anderen abjagt.

Berufsrechtliche Vorbehalte

Ob sich das Angebot von felix1.de im Markt am Ende durchsetzt, dürfte auch eine Frage des Standesrechts sein. Der Präsident der Bundessteuerberaterkammer, Horst Vinken, sagte dem handwerk magazin: „Generell ist fraglich, ob diese Angebote mit dem Berufsrecht vereinbar sind. Das zu entscheiden obliegt der jeweilig zuständigen Steuerberaterkammer.“ Unabhängig davon mahnte der Vorstandsvorsitzende des Nürnberger IT-Dienstleisters DATEV eG, Dieter Kempf, in einer Diskussionsrunde zum Thema „Steuern digital“ auf dem letztjährigen Steuerberatertag: „Algorithmen können nicht alles“. Der Mensch müsse immer noch als Entscheidungsträger gefragt sein.