Interview Digitales Baustellenmanagement wird Standard

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Digitalisierung

Handwerksbetriebe müssen ihre Datenmodelle künftig in die Datenmodelle der Gesamtbaustelle einbringen können, sagt Peter Gerstmann, Chef des Zeppelin-Konzerns.

Peter Gerstmann im Interview mit Olaf Deininger
Peter Gerstmann(re) definiert seinen Konzern heute als Lösungs- und Service-Dienstleister bei Betrieb und Management von Baustellen. - © Eilsabeth Hörterer

Das Hauptquartier des Zeppelin-Konzerns ist ein hübscher Glaskasten im unscheinbaren Gewerbegebiet des Münchner Vororts Garching, nicht weit vom Flughafen entfernt. Der Konzern ist an 190 Standorten in 35 Ländern vertreten und Europas größter Baumaschinenhändler und -verleiher .

Die Planung und das Management von Baustellen digitalisieren sich. Sie sagen, wer die Daten kontrolliert, macht künftig das Geschäft. Wie geht das?

Peter Gerstmann: Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz und bieten deshalb alles an, was man auf der Baustelle benötigt. Und alles, was wir anbieten, haben wir in einem Datenpool. Schon bei der Planung bieten wir die Logistiklei-stung an. Etwa, wie wird die Baustelle ausgestattet, wo sind die Verladeflächen, die Gefahrenflächen, Umweltschutzflächen, Tabuflächen? Wie wird die Baustelle eingerichtet, wie wird sie abgesichert.

Das ist eine separate Planung, die mit der Planung des Bauwerks etwa durch BIM – Building Information Modeling gar nichts zu tun hat?

Ja, hier geht es ausschließlich um die Baustelle. Letztlich ist das Bauwerk sozusagen nur ein Gewerk auf unserer Baustelle.

Welche Daten fallen auf einer Baustelle denn an?

Wir verfügen etwa über alle Daten der Flächen und deren Ausprägung. Meist liegen uns auch die geometrischen Daten vor. Wenn etwa Geländearbeiten gemacht werden müssen, dann liefern wir Maschinen, die mit diesen geometrischen Daten arbeiten können. Weiter haben wir die Daten zur kompletten verkehrstechnischen Anbindung der Baustelle. Dazu gehören Verkehrsleitsysteme, Ampelanlagen, Schutzanlagen.

Bei Ampelanlagen steuern wir die Taktung, und wir wissen, wer darüberfährt. Dazu kommt der gesamte Bereich der Zugangskontrolle, den man digital über Zugangskriterien verwalten sowie mobil etwa über RFID-Chips realisieren kann. Jeder, der reinkommt, muss sagen, wer er ist, muss sich identifizieren, muss sagen, wie lange er auf der Baustelle ist, wo er ist, mit welcher Aufgabe. Oft kombinieren wir auch eine Gesichtserkennung mit RFID-Chips.

Be- und Entladung gehen heute schon mannlos

Energieversorgung spielt sicher auch eine Rolle?

Richtig, wir sind heute in der Lage, durch Daten die gesamten Lastprotokolle und -diagramme einer Baustelle zu antizipieren. Wer sich um solche Fragen nicht kümmert, der bezahlt den ganz normalen Anschlussstrom. Mit den Lastdiagrammen kann ich aber anders verhandeln. Ich kann sagen, zu welcher Zeit ich viel und wann ich wenig Strom abnehme. Das bedeutet bessere Preise. Weiter kann ich damit entscheiden, ob ich Energie einkaufe oder ob es effektiver ist, auf der Baustelle mit Generatoren selbst Energie zu produzieren. Die Generatoren geben uns dann wieder Daten zurück: Wann sie laufen oder mit welcher Lastverteilung. Auch Emissionen und Abfallentsorgung kann ich steuern. Etwa wenn sich einzelne Entsorgungssysteme nur von bestimmten Mitarbeitern über einen RFID-Tag nutzen lassen. Das dient auch einer sauberen Dokumentation.

Ist es richtig, dass heute sogar die Steigung der Rampen geplant wird?

Wir haben heute telematische Systeme, die auf den gesamten Be- und Entladungsweg optimiert sind. Be- und Entladung gehen heute schon mannlos. Sogar der optimale Winkel, mit dem der Lkw zum Ladegerät steht, wird heute definiert.

Sie können eine Baustelle genauso simulieren, wie man heute ein Gebäude simulieren kann?

Genau! Mittlerweile sind alle Baumaschinen und Baugeräte datenfähig. Alle unsere Maschinen können über unseren Datentransmitter „Product-Link“ ihre Betriebsdaten permanent übermitteln: Etwa Standort, Verbrauch, Ölstand, Fehlercodes. Umgekehrt können wir geometrische Daten in die Maschinen geben, etwa um eine Planage zu machen. Das bedeutet, wir haben einen Datenaustausch und wissen, wie die Maschine gearbeitet hat.

Digitales Baustellenmanagement kann Produktivität um 30 % steigern

Günstige Stromtarife, höhere Sicherheit, verbesserte Dokumentation, reduzierte Maschinenausfälle. Wie wirkt sich das insgesamt auf die Kostenstruktur aus?

Insgesamt sehen wir eine höhere Produktivität von rund 25 bis 30 Prozent. Die vermiedenen Schäden durch geringere Ausfallzeiten gar nicht mitgerechnet. Der Bauherr spart durch digitales Baustellenmanagement. Wenn er für diese Dienstleistung bezahlt, ist sein Projekt immer noch wirtschaftlicher.

Wie verändert sich dadurch das Geschäft mit Baumaschinen und mit Baustellenlogistik?

Früher gab es nur Baumaschinenhändler und -verleiher. Heute verkaufen wir keine Maschinen mehr, sondern eine Gesamtlösung für die Baustelle. Das können wir anbieten, da wir alle Elemente digital intelligent miteinander verknüpfen können. Weiter prüfen wir gerade, wie man die digitale Baustellenlogistik in die Planung mit BIM integrieren kann.

Das lohnt sich heute für Großbaustellen. Ab wann wird das für kleinere Baustellen relevant?

Digitale Baustellenlogistik wird sich weiterentwickeln. Zuerst wird sie bei Großbaustellen zum Standard, dann bei immer kleineren Projekten. So wie wir heute kleine ERP-Programme haben, wird es auch hier kleine Lösungen geben. Für Handwerksbetriebe bedeutet das, dass sie ihre Datenmodelle künftig in die Datenmodelle der Gesamtbaustelle einbringen müssen. Und wenn sie die nicht verfügbar haben, bekommen sie ein Problem.

Vita Peter Gerstmann

  • Von 1978 bis 1987 absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung sowie ein Studium der Betriebswirtschaft an der FH Köln.
  • Er begann seine Laufbahn 1987 im Controlling.
  • Von 1993 bis 2000 war er kaufmännischer Leiter einer Firma des Düsseldorfer Anlagenbauers SMS.
  • 2000 übernahm er die kaufmännische Leitung bei der Zeppelin Silos & Systems,
  • seit 2002 ist er dort Geschäftsführer.
  • 2006 wurde er zusätzlich Geschäftsführer in der Zeppelin Konzern-Geschäftsführung.
  • Seit 2010 ist er Vorsitzender der Geschäftsführung des Zeppelin-Konzerns.