Dienstleistung Wenn Meister und Master kooperieren

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Kooperationen

Master-Studenten der Universität Siegen unterstützen Handwerksbetriebe bei der systematischen Entwicklung neuer Dienstleistungen. Die praxisnahe Kooperation hat Pilotcharakter weit über den Kreis Siegen-Wittgenstein hinaus.

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    © Jens Nieth
    »Ich habe in kürzester Zeit einen konkreten Nutzen aus der Kooperation gezogen.« Gerhard Biermann, Heizungsbaumeister mit Hendrik Goetzendorff, Student im Master-Studiengang
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    © Prof. Giuseppe Strina
    »Wir zeigen, dass auch ein kleiner Betrieb mit der Uni zusammenarbeiten kann.« Prof. Giuseppe Strina, Initiator der Kooperation.

Ich habe zum ersten Mal mit der Uni Siegen zusammengearbeitet“, berichtet Installateur- und Heizungsbaumeister Gerhard Biermann aus Kirchhundem im Sauerland. „Und ich habe in kürzester Zeit einen ganz konkreten Nutzen aus dieser Kooperation gezogen.“

Der Chef von Biermann-Bäder arbeitet mit mehreren Handwerksbetrieben zusammen und tritt als Generalunternehmer auf. Gerhard Biermann wollte vor allem seine Außenwahrnehmung optimieren. Mithilfe der Studenten des zweijährigen Master-Studiengangs „Management für KMU“ optimierte er seinen Internetauftritt. Hendrik Goetzendorff und seine Kommilitonen empfahlen Handwerker Biermann zum Beispiel, im Internet sein Alleinstellungsmerkmal stärker zu betonen – das Versprechen dem Kunden gegenüber, sein Komplettbad innerhalb von lediglich zehn Werktagen fertigzustellen. Die Seminare an der Uni kommen gut an. „Endlich weiß ich, warum ich studiere, sagte mir ein Student nach seinem Projektseminar in einem Handwerksbetrieb“, berichtet Giu­seppe Strina vom Wissenstransfer zwischen Handwerker und Uni.

Als Vertretungs-Professor für Dienstleistungsmanagement in KMU und Handwerk leitet er ein Modul innerhalb des zweijährigen Master-Studiengangs „Management für KMU“ an der Universität in Siegen. Im Sommer 2015 nahm er erstmals Kontakt zur Handwerkskammer Südwestfalen in Arnsberg auf und initiierte zusammen mit dem Betriebsberater Uwe Hackler aus Olpe die Zusammenarbeit von Studenten und Unternehmern.

Theorie begegnet Praxis

Im Rahmen eines zweisemestrigen Projektseminars begegnen sich seitdem Theorie und Praxis mit dem Ziel, neue Dienstleistungen auf der Grundlage einer speziell für kleine Unternehmen entwickelten Methode zu erarbeiten. Waren es während der ersten Kooperationsrunde elf Studenten und fünf Handwerksbetriebe, so suchen im neuen Projektseminar bereits 16 Studenten nach Partnerunternehmen aus dem Handwerk.

„Wir zeigen den Betrieben, dass auch ein kleiner Handwerksbetrieb mit der Universität zusammenarbeiten und einen unmittelbaren Gewinn aus dieser Kooperation ziehen kann“, so Strina. Geht es nach ihm, dann entstünde nach und nach ein Pool aus 30 oder 40 Handwerksbetrieben, die mit Unterstützung von Master-Studenten neue Wege bei der Entwicklung von Dienstleistungen gehen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können.

5-Schritte-Methode als Basis

Was der nordrhein-westfälische Unternehmer Biermann entwickelt hat, nahm seinen Ursprung in Baden-Württemberg: die systematische Entwicklung neuer Dienstleistungen auf der Basis einer 5-Schritte-Methode für KMU (siehe auch Ausgabe 4/2016). Ausgearbeitet haben dieses strukturierte Vorgehen die Experten des Karlsruher Instituts für Technik der Betriebsführung (itb) im Rahmen mehrerer öffentlich geförderter Forschungsprojekte. Mit Giuseppe Strina, einem der geistigen Väter der 5-Schritte-Methode, gelangte das Thema nun an die Universität Siegen und den Master-Studiengang „Management für KMU“. Bei Handwerker Biermann analysierten die Studenten mittels eines sogenannten Service-Blueprints einen Online-Bestellprozess. Diese Dienstleistungs-Blaupause stellt detailliert und transparent einen konkreten Dienstleistungsprozess in Form eines chronologisch verlaufenden Ablaufdiagramms mit den entsprechenden Zuständigkeiten dar. Die Methode eignet sich zur Darstellung geplanter Dienstleistungsabläufe. Sie zeigt Schnittstellen und Zusammenhänge im Kontext des abgebildeten Dienstleistungsprozesses auf. Die wichtigsten Entscheidungssituationen, aber auch mögliche Fehlerquellen werden dadurch deutlich.

Schneller zum Angebot

Die Firma Busch Fliesen aus Erndtebrück-Schameder im Kreis Siegen-Wittgenstein hat ebenfalls vom Wissenstransfer profitiert. Der Betrieb baut oder saniert Bäder, Saunaanlagen oder andere Wellnessbereiche sowie Küchen. Unternehmer Michael Busch skizziert sein Kardinalproblem: „Bei der Kooperation mit den anderen Betrieben sind die Wege oft sehr lang, bis ein Angebot steht.“ Aber drei Wochen wolle der Kunde nicht warten. In Gesprächen und Workshops blickten die Siegener Studenten unter Zuhilfenahme geeigneter Analyseinstrumente hinter die Betriebskulissen von Busch Fliesen.

Fragebogen für Kunden

Am Ende stand die Empfehlung zum Aufbau eines standardisierten Leistungskatalogs für ihn und seine Kooperationspartner (siehe auch „Morphologisches Tableau auf Seite 37). „Mit diesem Katalog sowie mithilfe einer 3-D-Visualisierung und einer Raumplanung kann ich jetzt einem Kunden innerhalb einer Woche Termin und Kostensicherheit garantieren“, erklärt Busch. Darüber hinaus entstand ein Fragebogen, um ein rasches Feedback des Kunden zu garantieren und daraus Schlüsse für eine Optimierung seiner Leistungen zu ziehen.

Betriebsberater Uwe Hackler im Olper Büro der Handwerkskammer Südwestfalen vermittelt und begleitet die Kooperationen zwischen Meistern und Mastern. „Mit zusätzlichen Dienstleistungen die Kundenzufriedenheit erhöhen zu wollen ist grundsätzlich das Bestreben unserer Betriebe“, sagt er.

Keine Manpower, kein Geld

Aber das geschehe häufig intuitiv aus dem Bauch heraus. „Schon sitzt der Betrieb in seinem klassischen Dilemma, keine Zeit, keine Manpower oder auch kein Geld“, so Hackler. Mit der Unterstützung durch Studenten der Uni Siegen aber würden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Zum einen seien natürlich Projekte immer hilfreich, die einem Betrieb mit konkreten Änderungsansätzen eine Hilfestellung anböten. Zum anderen aber lernten die Unternehmer durch die wissenschaftliche Betreuung neue Mittel und Wege kennen, um künftig systematisch und kostensparend vorzugehen und bei neuen Dienstleistungen nicht länger auf den Zufall zu vertrauen.