Kapitalanlage Kapitalanlage - die Tücken der Pflegeinvestments

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In Pflegeeinrichtungen werden die Plätze knapp. Investitionen in Milliarden Euro Höhe sind notwendig. „Eine Chance für Investoren“, werben Anlageberater. „Nicht für die Altersvorsorge“, warnen Anlegerschützer. Worauf Investoren achten sollten.

Pflegeimmobilie in bester Lage
Eine schöne Pflegeimmobilie in perfekter Lage ist noch kein Garant für eine erfolgreiche Kapitalanlage. - © Bonkara1/iStockphoto.com

Investitionen in Pflegeimmobilien liegen im Trend. Immer mehr Menschen werden immer älter und fragen Pflegeplätze nach. Es wird gebaut und oft mit Anlegergeld finanziert. Der deutsche Investmentmarkt für Pflegeheime und Seniorenzentren erreichte im ersten Halbjahr 2018 ein Volumen von insgesamt 824,4 Millionen Euro – ein Wachstum von 123 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Beteiligungsangebote versprechen attraktive Renditen von im Schnitt 4,8 Prozent, so aktuelle Zahlen von CBRE, einem weltweiten Dienstleister für Gewerbeimmobilien. „Für 2018 ist ein umgesetztes Volumen in Pflegeheimen und Seniorenzentren von deutlich über einer Milliarde zu erwarten“, sagt Dirk Richolt, Head of Real Estate Finance bei CBRE in Deutschland.

Fonds oder Direktinvestment

Mit vielen Zahlen und schönen Bildern werben Anbieter solcher Investments um das Geld der Privatanleger. Sie bieten meist eine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds an – oder auch das Direktinvestment in ein Pflegeappartement. Die Idee des Fondsinvestments: Anleger beteiligen sich ab 10.000 Euro als Kommanditist an einem Fonds, der eine oder mehrere Pflegeeinrichtungen baut oder kauft und betreiben lässt. Ist die erforderliche Gesamtanlagesumme zum Kauf der Immobilie erreicht, wird der Fonds geschlossen. Es kommen keine weiteren Investoren hinzu. Aus den Mieteinnahmen erzielt der Anleger jährliche, steuerpflichtige Erträge. Am Ende der Laufzeit von meist 20 Jahren wird das Objekt verkauft und der Investor erhält seinen Anteil am Verkaufserlös. Dann weiß er, wie hoch die Rendite des Investments tatsächlich ist.
Anders sieht der direkte Erwerb eines Appartements in einer Pflegeeinrichtung aus: Der Käufer muss meist ab 150.000 Euro investieren und wird als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Er kann sein Immobilienteileigentum veräußern oder vererben und bezieht steuerpflichtige Mieteinnahmen. Seinen Mieter kann er sich nicht aussuchen, und er hat auch sonst keine Mitspracherechte an der Immobilie. Im Fall der eigenen Pflegebedürftigkeit steht ihm ein Belegungsrecht zu. Sollte das eigene Appartement nicht frei sein, kann er ein anderes für sich oder seine pflegebedürftigen Angehörigen beanspruchen. Auch ein anderes Haus desselben Anbieters kommt dafür infrage.

Beide Konzepte klingen einfach, sind aber im Detail kompliziert. „Unsere Marktbeobachtung legt den Verdacht nahe, dass das rechtliche Konstrukt von vielen Beteiligungsangeboten Risiken birgt, die diese Investments als Altersvorsorge ungeeignet machen“, warnt Wolf Brandes von der Verbraucherzentrale Hessen, Teamleiter im bundesweiten Projekt ‚Marktwächter Finanzen‘. Zwar gäbe es gut konzipierte Angebote, doch seien sie so komplex, dass ein unerfahrener Investor ihr Risiko kaum beurteilen könne.

Das Marktrisiko

Auch das Beratungsunternehmen Cushman & Wakefield hat im Oktober in einem Bericht zum Pflegeimmobilienmarkt in Deutschland spannende Zahlen vorgelegt: Im Jahr 1999 gab es zwei Millionen Pflegebedürftige, heute sind es rund drei Millionen und für das Jahr 2060 werden 4,82 Millionen Pflegebedürftige prognostiziert. „Unterstellt man für die nahe Zukunft gleichbleibende Pflege- und Heimquoten, ist bis 2030 der Bau von gut 320.000 neuen Pflegeplätzen zwingend erforderlich“, so die Autoren der Studie. Und Dirk Richolt von CBRE ergänzt: „In den nächsten zwölf Jahren werden Neubau- und Ersatzinvestitionen von gut 55 Milliarden Euro für ­zukunftsfähige, marktkonforme Pflegeeinrichtungen notwendig.“ Höchstwahrscheinlich also ein Wachstumsmarkt.

Für Investoren sind weitere Zahlen relevant: Die Auslastung der Heime ist im Osten der Republik mit im Schnitt knapp 94 Prozent höher als im Westen mit 88 Prozent. Erfasst werden in der Statistik nur die Bewohner mit Pflegeleistungen aus der Pflegeversicherung, keine Selbstzahler. Wie hoch die Selbstzahlerquote ist, wird nicht erfasst. Investoren sollten im Einzelfall prüfen, welche Auslastung der Betreiber bei anderen Pflegeeinrichtungen tatsächlich erzielt. Wichtig: Pflegeeinrichtungen lassen sich ab rund 90 Prozent Belegung erfolgreich betreiben.

Auch die Konkurrenzsituation bestimmt über den Erfolg einer Pflegeimmobilie. Denn vorhandene oder geplante neue Einrichtungen in der Nähe können die Auslastungsquote drücken. Ebenso wirken fehlende Stadtnähe, schlechte In-frastruktur und ein geringer Freizeitwert auf die Belegungsquote.

Das Betreiberrisiko

Auch ein Blick auf die Betreiber ist wichtig. Hier wird eine weitere Schwierigkeit eines solchen Investments deutlich. Die Studie von Cushman & Wakefield zeigt: Während der Anteil der Betten von privaten Trägern seit 1999 deutlich steigt, ist die Auslastung bei genau diesen Trägern geringer als bei anderen. Sie kommen auf rund 86 Prozent, freigemeinnützige, wie etwa Diakonie, Caritas, Arbeiterwohlfahrt oder Deutsches Rotes Kreuz verzeichnen 92,5 Prozent Auslastung. Aber auch hier gilt: Die Statistik erfasst die Selbstzahler nicht.

Die Auslastung hängt auch vom guten Ruf eines Betreibers ab. Gilt er als unerfahren, nicht ausreichend qualifiziert oder verfügt er nicht über ausreichend Pflegepersonal, kann die Belegung einer Pflegeimmobilie schwierig sein. Zudem wurden Betrugsfälle bei den Abrechnungen einzelner Pflegebetriebe aufgedeckt, sodass diesen ihre Erlaubnis entzogen wurde. In all diesen Fällen droht die Insolvenz , die Investoren erhalten keine Mieteinnahmen und müssen um ihr Kapital fürchten. „Die Beschwerden in unserem bundesweiten Netzwerk zeigen, dass es besonders schlimm ist, wenn die Beteiligung mit einem Kredit finanziert wurde – die Raten laufen weiter, aber die geplanten Einnahmen fließen nicht. Das kann den Anleger in ernste finanzielle Schwierigkeiten bringen“, warnt Wolf Brandes.

Das Beteiligungsangebot

Sind Anleger von einem Objekt, seiner Lage und dem Träger überzeugt, schlummern weitere Risiken im Beteiligungsangebot. Verbraucherschützer Wolf Brandes sieht diese vor allem bei Fondsbeteiligungen: „Sie sind Teil des grauen Kapitalmarkts. Er wird staatlich weniger kontrolliert als andere Anlagemärkte. Diese Produkte gehören nicht zur Altersvorsorge.“ Die Beteiligungen sind komplex und nicht leicht zu verstehen.

Wer über den Kauf eines Anteils nachdenkt, sollte wissen: „ Er beteiligt sich unternehmerisch – der Totalverlust der Einlage ist möglich. Und das nicht nur theoretisch – das zeigen die von uns untersuchten Fälle“, sagt Brandes. Wichtig auch: Ein vorzeitiger Verkauf ist nicht vorgesehen. Wer während der Laufzeit aussteigen will, bekommt keine faire Bewertung seines Anteils und vielleicht auch keinen Käufer. Zwar gibt es einen Zweitmarkt, doch die Statistik zeigt: Anleger erhalten im Schnitt unter 50 Prozent ihrer investierten Summe zurück. Manche Anbieter stellen eine vorzeitige Beendigung der Beteiligung nach zehn Jahren in Aussicht. Das klingt gut, glaubt der Investor doch, zu diesem Zeitpunkt aussteigen zu können. Aber: Es wird ein Auseinandersetzungsguthaben ermittelt, dessen Höhe strittig sein kann. Auch erhält der Anleger sein Geld oft nicht in einer Summe, sondern in Raten über mehrere Jahre zurück. Und im ganz klein Gedruckten steht bei mancher Anlagegesellschaft gar, dass sie ein Stundungsrecht für diese Raten hat. Wer also denkt, nach zehn Jahren kommt er ohne Weiteres an sein Geld, irrt.

Viele Anbieter von Beteiligungen an Pflegeimmobilien versuchen, mithilfe von Garantien das Risiko für Anleger zu minimieren. Das ist grundsätzlich gut, bleiben Sie dennoch kritisch, und fragen Sie nach: Was wird genau garantiert? In welcher Höhe? Und wer steht dafür ein? Ist eine GmbH mit 50.000 Euro Haftkapital der Garant bei einem Betreiberausfall, ist das Geld im Garantiefall schnell aufgebraucht.

Viele Beschwerden im Graumarkt

Die Verbraucherzentralen stellen mit der Internetseite marktwaechter.de eine Sammelstelle für Beschwerden zur Verfügung. Diese Beschwerden werden mit den Fällen aus den Beratungen der Verbraucherzentralen zusammengefasst. Das Marktwächter-Team meldet sie der Öffentlichkeit oder gibt sie an die Finanzmarktaufsicht, wenn sich Klagen über einen Anbieter ansammeln: „Oft sind es Bekannte oder Nachbarn, die mit einem Graumarkt-Angebot an die Anleger herantreten. Unsere Erkenntnis: Der Vertrauensvorschuss sorgt dafür, dass die Anleger nicht kritisch nachfragen und vorschnell unterschreiben. Da die Risiken nicht offen gezeigt, verschleiert oder runtergespielt werden, beteiligen sich Investoren, ohne zu verstehen, auf was sie sich einlassen“, warnt Brandes.

Das Fazit

Pflegeimmobilien sind ein Zukunftsmarkt. Die Menschen werden immer älter und benötigen für längere Zeit Pflegeleistungen. Dennoch sind Pflegeimmobilien kein Investment für die private Altersvorsorge. Das eingesetzte Kapital kann verloren gehen. Die Risiken liegen im Markt, im Betreiber und im Beteiligungskonzept. Zudem ist das Kapital für viele Jahre gebunden und Anleger verzichten auf wichtige Mitspracherechte, die bei gewöhnlichem Immobilieneigentum selbstverständlich sind. Erst der tatsächlich realisierte Verkaufserlös bestimmt über die Rendite, und wer kann heute schon sagen, welchen Wert das Objekt in 20 Jahren haben wird?

Geeignet sind diese Investments für Anleger, die nur einen kleinen Anteil ihres insgesamt sehr breit risikogestreuten Gesamtdepots investieren. Sie schützen ihr Kapital am besten, wenn sie nur in verständliche und transparente Angebote mit deutlicher Risikobeschreibung einsteigen. Achten Sie auf einen Anbieter mit langjähriger Erfahrung und einen erfahrenen Betreiber. Und: Schauen Sie sich das Objekt vor Ort an – wenn Sie sich selbst vorstellen könnten, dort Ihren Lebensabend zu verbringen, findet sich mit höherer Wahrscheinlichkeit auch ein Mieter oder Käufer, der Ihr Appartement bewohnen oder es kaufen möchte, wenn Sie verkaufen wollen oder müssen.

Fallstricke, auf die Anleger achten sollten

Sascha Straub, Experte für geschlossene Fonds bei der Verbraucherzentrale Bayern, hat für handwerk magazin die häufigsten Fallstricke und konfliktträchtigsten Regelungen bei geschlossenen Fonds zusammengestellt.

  1. Kaufnebenkosten fallen für alle Dienstleistungen rund um den Beteiligungserwerb an. Sie fließen nicht in das Objekt und erwirtschaften keine Erträge. Eine Angabe der Summe aller Kaufnebenkosten fehlt meist in den Prospekten. Anleger müssen sie sich aus den Unterlagen zusammensuchen. Mehr als 15% sollten die Kaufnebenkosten auf keinen Fall betragen.
  2. Vorzeitiger Verkauf der Beteiligung ist meist nicht möglich. Wenn doch: Achten Sie auf die konkrete Regelung. Wie wird der Wert Ihrer Anlage ermittelt? Erfolgt die Rückzahlung als Einmalbetrag oder in Raten? Und hat sich der Initiator ein Stundungsrecht für die Rückzahlung eingeräumt?
  3. Haftung: Ein Kommanditist haftet für die Verbindlichkeiten des Fonds in Höhe seiner Einlage. Das geht bis hin zum Totalverlust. Wer investiert, sollte sich also überlegen, ob er auf sein Kapital im schlimmsten Fall auch verzichten kann.
  4. Nachschusspflichten sind nicht erlaubt. Aber: Wird der Fonds insolvent, kann der Insolvenzverwalter die Rückzahlung der Auszahlungen verlangen. Auch dann, wenn die jährlichen Ausschüttungen das Kapitalkonto des Anlegers im Fonds bereits auf Null geführt haben.
  5. Betreiberinsolvenzen werden von einzelnen Anbietern abgesichert. Der Betreiber muss die sogenannten Investitionskosten, die als Teil des Heimentgelts die Mietzahlungen abdecken, abtreten. Aber: Wo Leerstand herrscht, ist kein Geld für Mietzahlungen vorhanden.
  6. Garantien sind nur so werthaltig wie das Vermögen des Garantiegebers. Achten Sie darauf,
    ob eine versprochene Garantie im Leistungsfall ihr Versprechen einhalten kann.
  7. Renditen: Anbieter werben mit vielen bunten Bildern, Risiken werden oft nicht offen dargestellt und die Renditeversprechen liegen teilweise bei bis zu acht Prozent pro Jahr. Es handelt sich hierbei häufig um sehr positive Prognosen, die gemessen an den langen Laufzeiten höchstwahrscheinlich nicht eintreten werden. Man sollte von vornherein mit geringeren Renditeerwartungen an diese Investments herangehen.