Die Post bekommt Konkurrenz

Briefdienste | Ab 2008 gibt es in Deutschland einen völlig liberalisierten Briefmarkt. Doch schon jetzt werben Konkurrenten der Deutschen Post die Kunden ab. Billigere Gebühren und mehr Service könnten auch Handwerker zum Wechsel bewegen.

Die Post bekommt Konkurrenz

Jeden Werktag fährt bei der Gasgeräte- und Heizungsgesellschaft (GHG) mbh, Frankfurt, kurz nach 17 Uhr ein Fahrzeug von TNT Post vor und holt die Tagespost ab. „Wir verschicken jede Woche bis zu 600 Schreiben und sind an möglichst niedrigen Portogebühren interessiert“, sagt Peter Theiß, Leiter Allgemeine Verwaltung des Unternehmens. Mit TNT Post kann er deutlich mehr als zehn Prozent sparen, denn für einen Standardbrief berechnet der Post-Konkurrent lediglich 44 Cent (zzgl. Mwst.), und außerdem Dienstleistungen nutzen, die die Deutsche Post AG (DPAG) nicht anbietet. So wirbt TNT Post über die Abholung hinaus auch mit Frankierservice und Sendungsverfolgung. Über Telefon oder Internet kann der Status einer Sendung jederzeit abgefragt werden, was Theiß regelmäßig nutzt. „Wir legen auf eine pünktliche und zuverlässige Zustellung großen Wert, weil wir viele Kunden nur per Post über Wartungstermine informieren können“, betont der Verwaltungschef. In dieser Hinsicht lasse mancher Briefdienst zu wünschen übrig.

Der Countdown läuft

Ab Anfang 2008 gibt es in Deutschland einen völlig liberalisierten Briefmarkt. Sendungen bis 50 Gramm sind der wohl wichtigste Teilmarkt: Sie machen rund zwei Drittel des gesamten Briefvolumens in Deutschland aus. Doch das Monopol der DPAG ist auch in diesem Segment längst löchrig geworden. Bereits Anfang 2007 wurde jeder zehnte Brief von einem Post-Konkurrenten zugestellt. Auf nationaler Ebene wollen außer TNT Post in Hannover, ein Tochterunternehmen der niederländischen Post und der Hermes Logistik Gruppe, auch die Pin Group, ein Gemeinschaftsunternehmen der Verlage unter Federführung von Axel Springer, der DPAG Marktanteile abjagen. Hinzu kommen zahlreiche regionale Dienstleister, die ausschließlich innerhalb einzelner Städte oder Landkreise zustellen.

Lizenz zum Austragen

Mit dem Erwerb der Lizenz D der Bundesnetzagentur (früher Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post) in Bonn können diese Unternehmen bereits seit Jahren der Deutsche Post AG in allen Marktsegmenten Paroli bieten. Wer mit „qualitativ höherwertigen Leistungsmerkmalen“, welche der Noch-Monopolist nicht anbietet, wirbt, darf auch in nicht liberalisierten Bereichen des Postmarkts tätig werden. Und als „qualitativ höherwertig“ lassen die Regulierer vieles gelten – die Abholung von Briefsendungen beim Kunden, die Sendungsverfolgung per Barcode, die nachträgliche Abrechnung am Wochen- oder Monatsende, die Umlenkung von falsch adressierten Sendungen während der Zustellung, der Abrechnungsverzicht für nicht zustellbare Sendungen, der Versand nach 17 Uhr bei Zustellung am Folgetag bis 12 Uhr oder die Zustellung am Tag der Abholung (Same Day), was aus logistischen Gründen allerdings nur in lokalen oder regionalen Zustellbereichen möglich ist.

Im ganzen Bundesgebiet hat die Bundesnetzagentur über 1000 solcher D-Lizenzen für den Briefmarkt vergeben. Fast jeder Zeitungsverlag hat ein entsprechendes Papier in der Tasche, weil er im Briefmarkt angesichts rückläufiger Anzeigenmärkte und Abonnentenzahlen ein neues Geschäftsfeld wittert. Wer jeden Tag Zeitungen zustellt, kann auch Briefe verteilen, lautet das immer wiederkehrende Argument. Außerdem gibt es viele Start-Ups, die der Post Konkurrenz machen wollen. Die Strategien der einzelnen Marktteilnehmer gleichen sich jedoch. Bisher warben sie vor allem Großversender an, die täglich mehrere 100 Briefe versenden. In vielen Städten sind die AOK, das Arbeitsamt, das Rathaus oder die Sparkasse bereits seit Jahren Kunde eines privaten Briefdiensts. Jetzt wenden sich diese verstärkt mittelständischen Betrieben zu, denn Großkunden, die sich noch nicht für oder gegen einen Wechsel entschieden haben, gibt es an vielen Orten nicht mehr.

Wenn jedoch erst einmal der Briefmarkt vollständig liberalisiert ist, kann auch die Post frei agieren und beispielsweise mit regionalen Sondertarifen oder besonderen Vertragskonditionen Auftraggeber mit hohem Briefaufkommen an sich binden. „Die DPAG wird sich sicher pünktlich zur vollständigen Liberalisierung des Briefmarktes etwas gegen die Konkurrenz der alternativen Briefdienste einfallen lassen“, prognostiziert Andreas Gross, Geschäftsführer der Austrian Post International in Köln. Das Tochterunternehmen der österreichischen Post tritt im Markt nicht als Postkonkurrent, sondern als Beratungsunternehmen auf.

Abwarten und den Markt beobachten – das empfiehlt Gross. „Verträge mit längeren Laufzeiten sollten nur dann geschlossen werden, wenn eine Option zum schnellen Ausstieg besteht“, sagt der Branchenkenner auch mit Blick auf die Zustellmängel, mit denen mancher Briefdienst immer noch zu kämpfen hat. Doch der Kampf um den Kunden ist bereits voll entbrannt. So sieht sich TNT Post in der Rolle eines „Premium-He-rausforderers, der die Stärken eines 200 Jahre alten Weltkonzerns mit denen eines hochmotivierten Angreifers verbindet“. Das versichert jedenfalls Marketing-Leiter Sacha Bilen in Anspielung auf den Mutterkonzern TNT. Der Post-Verfolger hat unter anderem in Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen eigene Zustellnetze aufgebaut. In anderen Regionen lässt er seine Post vorerst von lokalen Briefdiensten zustellen. „Wir wollen langfristig möglichst überall mit eigenen Zustellern arbeiten“, sagt Bilen. Das gilt auch für die Pin Group, die heute in allen Bundesländern präsent ist.

Viele Handwerksunternehmer verschicken jedoch fast ausschließlich Briefe innerhalb einer Stadt oder eines Landkreises. Sie können bereit jetzt mit einem alternativen Briefdienst bares Geld sparen, wenn dieser vor Ort ein flächendeckendes Netz aufgebaut hat. Entsprechende Dienstleister gibt es mittlerweile in nahezu allen Städten und Landkreisen. Viele nehmen auch überregionale Sendungen an und speisen diese nach der Freimachung ins Netz von DPAG ein: Der Kunde muss also nicht regionale von überregionalen Sendungen trennen. In jedem Fall profitiert er nicht nur von bis zu 20 Prozent günstigeren Tarifen, sondern auch von zahlreichen Zusatzdienstleistungen wie Abholung oder Sendungsverfolgung, welche die Lizenz der Bundesnetzagentur zwingend vorschreibt. Aber er sollte mit kontinuierlich hohen Sendungsvolumina auffallen.

50 Briefe pro Tag

Am liebsten sind den Briefdiensten Kunden, die 30 bis 50 Briefe am Tag verschicken. Andernfalls werden für die Abholung Zusatzgebühren verlangt. Oder aber der Kunde bringt seine Sendungen selbst zum Briefdienst. Trotz dieser Einschränkungen können auch Unternehmen, die wenig Briefe versenden, mit einem alternativen Briefdienst zusammenarbeiten, wenn sie die Volumina mehrerer Tage zusammenfassen. „Wir akzeptieren auch wöchentliche Abholungen, wenn wenigstens 50 Briefe verschickt werden“, sagt Mirko Wieck, Niederlassungsleiter von Oberbayern Mail in Manching bei Ingolstadt. „Andernfalls erheben wir eine Zusatzgebühr zwischen drei und fünf Euro.“ Andere Briefdienste äußern sich ähnlich. Kunden, welche die Mindestmengen deutlich verfehlen, haben keinen Preisvorteil, wenn sie sich bereits jetzt von der DPAG verabschieden. In jedem Fall sollten sie vor einer solchen Entscheidung die Zusammensetzung ihrer Post genau analysieren.

„Wer vor allem Mailings verschickt, wird von einem Wechsel kaum profitieren“, sagt Gross. „Die günstigen Infopost-Angebote der Post können von den alternativen Briefdiensten kaum unterboten werden.“ Auch überregionale Sendungen, die noch am Tag nach der Einlieferung (E+1) zugestellt werden sollen, seien bei der DPAG besser aufgehoben.

Stefan Bottler

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de