Praxisinterview „Die Mitarbeiter brauchen Wertschätzung“

Praxisinterview

„Die Mitarbeiter brauchen Wertschätzung“

Rolf Steffen, Vorstand der Team Steffen AG im rheinische Alsdorf, erklärt die Vorteile einer Gewinnbe- teiligung für Mitarbeiter im Handwerk.

hm: Warum haben Sie Ihre Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens beteiligt?

Steffen: Die allermeisten Mitarbeiter in Handwerksbetrieben haben falsche Vorstellungen vom tatsächlichen Gewinn ihres Unternehmens. So kann das Gefühl entstehen, nicht ausreichend bezahlt zu werden, auch wenn sich das Unternehmen an die Tarifvorgaben hält. Da man mit unzufriedenen Mitarbeitern keine zufriedenen Kunden gewinnen kann, haben wir mit dem Leo-Gewinnbeteiligungssystem ein eigenes Modell entwickelt.

hm: Was ist das Besondere daran?

Steffen: Bei uns geht es nicht um die klassische finanzielle Prämie am Erfolg, die hat in der Regel nur eine Halbwertszeit von 24 Stunden. Die Mitarbeiter wollen teilhaben am Unternehmen und auch eine gewisse Wertschätzung genießen. Um wirklich Verbesserungen im Unternehmen zu erreichen, müssen die mitwirkenden Personen und ihre Bedürfnisse nachhaltig in die Prozesse eingebettet werden. Dabei kommt es darauf an, Ziel und Ist-Zustand immer wieder ins Bewusstsein zu rücken.

hm: Wie schaffen Sie das?

Steffen: Die Beteiligung orientiert sich am Gesamterfolg des Betriebs, also am erwirtschafteten Gewinn und nicht an Teilergebnissen. Alle Mitarbeiter partizipieren entsprechend ihrer Leistung und ihrem persönlichen Beitrag am Unternehmenserfolg.
Verteilerschlüssel und Auszahlungsmodalitäten wurden von den Mitarbeitern selbst mit entwickelt und werden jährlich neu festgelegt. Um das zu erreichen, musste das Team durch betriebswirtschaftliche Schulungen erst einmal ein Verständnis für die Kalkulation des Stundenlohnes entwickeln. Es musste verstehen, dass, wenn der Kunde 45 Euro für die Stunde bezahlt und der Handwerker davon letztendlich vielleicht nur 15 Euro bekommt, die Differenz nicht für den Chef ist. Letztendlich erkannten unsere Mitarbeiter, dass vom Umsatz nur ein kleiner Teil von „minus drei“ bis „plus sieben“ Prozent als Gewinn übrig bleibt.

hm: Bei Ihnen sind die Zahlen also für alle Mitarbeiter transparent?

Steffen: Natürlich, das ist eine wesentliche Voraussetzung. Wir sichern dies durch ein monatliches „Zahlen, Daten, Fakten“-Frühstück. Eine Stunde vor Arbeitsbeginn laden wir alle Mitarbeiter ein und präsentieren ihnen die Zahlen der klassischen Erfolgsrechnung mit entsprechender Kostenrechnung für die jeweiligen Leistungscenter, wie bei uns die Abteilungen heißen.

hm: Wie funktionieren Ermittlung und Auszahlung technisch?

Steffen: Der Gewinn ist das Fibu/BWA-Ergebnis nach Abgrenzung von Vorauszahlungen, zuzüglich steuerlich erhöhter Abschreibungen, erhöht um neutrale Aufwendungen und vermindert um neutrale Erträge. Von diesem korrigierten Gewinn ist der Anteil für eine Mitarbeiterbeteiligung zu definieren. Dabei ist zu bedenken, dass der erwirtschaftete Gewinn vorrangig vom Unternehmen benötigt wird, um etwa Kredite zu tilgen, Investitionen voranzutreiben oder Rücklagen zu bilden. Erst wenn das alles abgedeckt ist, bleibt Spielraum für eine Beteiligung der Mitarbeiter.

hm: Für wen ist Ihr Modell geeignet?

Steffen: Für alle, die einen Gewinn erwirtschaften und bei denen der Chef bereit ist, den Mitarbeitern etwas davon abzugeben. Allerdings muss der Gewinn auch zeitnah und zutreffend ermittelt werden, denn eine nur einmal jährlich ausgezahlte Beteiligung verfehlt ihre Wirkung. Mit am wichtigsten ist jedoch die Bereitschaft zu Transparenz und Schulung: Unser Modell macht nur Sinn, wenn die Mitarbeiter die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge verstehen und die Zahlen entsprechend kennen und interpretieren können.

hm: Wann raten Sie ab?

Steffen: Wir haben ein Beteiligungs- und kein Disziplinarsystem entwickelt. Nach den ersten Veröffentlichungen kontaktierten uns viele Unternehmer, die in Wahrheit ein Ersatzführungsinstrument suchten. Das ist unsere Gewinnbeteiligung nicht. Die Motivation des Unternehmers, ein solches System einzuführen, ist entscheidend. Wir müssen bei den anfragenden Unternehmern herausfinden, ob es ihnen ein inneres Bedürfnis ist, den Mitarbeitern Wertschätzung entgegenzubringen und sie am Kuchen teilhaben zu lassen.

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