Die größten Handwerksunternehmer Deutschlands

Exklusivstudie | Handwerk ist der Einmann-Betrieb, aber auch das Unternehmen mit Milliardenumsatz. handwerk magazin hat die größten Unternehmen gesucht und zeigt, was sie erfolgreich macht.

Günther Fielmann, Vorstand Fielmann AG, Firmensitz: Hamburg, Gründung: 1972; Branche: Augenoptik; Umsatz: 1,06 Milliarden Euro; Mitarbeiter: 12600 - © ddp

Die größten Handwerksunternehmer Deutschlands

Mehr als 1,4 Milliarden Euro Umsatz, 53000 Mitarbeitern weltweit, alle Dienstleistungen rund um das Gebäude. Ist das noch Handwerk? Selbstverständlich. Der Gebäudereiniger Dussmann-Gruppe, auf den diese Kennzahlen zutreffen, ist wie jeder Einmann-Elektriker oder Bauunternehmer in die Handwerksrolle eingetragen. „Es ist für uns keine Frage, dass wir zum Handwerk gehören“, stellt Thomas Greiner, Vorstandsvorsitzender des Konzerns, klar.

Was ist alles Handwerk? Um das herauszufinden, hat handwerk magazin die studentische Unternehmensberatung an der Universität Augsburg beauftragt, die größten Firmen in Deutschland zu recherchieren, die formal zum Handwerk gehören. Das Ergebnis ist überraschend. Und es zeigt, wie vielfältig die Branche ist. Zu den größten Handwerkern gehören international agierende Konzerne wie Dussmann oder Fielmann ebenso wie Autohäuser oder Malerbetriebe.

Doch was lässt den einen zum Global Player wachsen, den anderen aber über Jahrzehnte den Kleinbetrieb um die Ecke pflegen? handwerk magazin stellt fünf Unternehmensgeschichten vor und zeigt, wie sie gewachsen sind. „Auf den Unternehmer kommt es fast immer an, häufig spielen aber auch die Marktsituation oder die Region eine entscheidende Rolle“, weiß Kurt Nagel, Professor für Betriebswirtschaft, der die Wachstumsfaktoren von Unternehmen untersucht.

Zu den Handwerksunternehmen gehört formal jeder, der in die Handwerksrolle der örtlichen Handwerkskammer eingetragen ist. Daraus haben die Berater der Uni Augsburg die nach Umsatz in Deutschland größten Einzelbetriebe herausgesucht. Waren bei Firmengruppen, wie Fielmann, alle einzelnen Filialen in die Rolle eingetragen, so haben sie die Umsätze addiert. Zu den größten zehn (siehe Tabelle S. 12) gehören auch Firmen wie Edeka oder ThyssenKrupp, die als Konzern nicht unter Handwerk fallen. Hier sind allerdings Tochterbetriebe (Edeka: Fleischer, ThyssenKrupp: Gerüstbauer) in die Handwerksrolle eingetragen. handwerk magazin stellt im Folgenden die drei größten Firmen der Top-Ten vor und zwei große aus weiteren Gewerken.

Dussmann: Der Kundenkönig

Die Geschichte von Peter Dussmann beginnt 1963 in München, wo er einen Heimpflegeservice gründete. Heute ist die Dussmann AG & Co. KgaA Deutschlands größtes Handwerksunternehmen, der Facility-Management-Gigant erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 1,4 Milliarden Euro und beschäftigt in Deutschland 25000 Mitarbeiter. In den 60er-Jahren startet er mit Hausfrauen, die für ihn verwahrloste Männerwohnungen putzen. Eine Vision hat er zu diesem Zeitpunkt nicht, aber eine klare Vorstellung von Dienstleistung: „Der Kunde ist König. Nur wenn der Kunde glücklich ist, kann ich Geschäfte machen.“ Und er hat klare Prinzipien, die ihn leiten: Nischen suchen, alles möglichst einfach halten und „mit den Augen stehlen“. Den Heimpflegeservice für Privatleute dehnt er auf Gewerbekunden und Krankenhäuser aus und ist damit der Erste am Markt. 1985 geht der Bauträger mehrerer Altenheime pleite. Dussmann springt als Betreiber ein.

2007 übergibt der Firmengründer an Thomas Greiner. Er lenkt die Dussmann-Gruppe als Vorsitzender des Vorstands, dem Aufsichtsrat steht die Gattin des Gründers Catherine von Fürstenberg-Dussmann vor.

„Eine mustergültige Erfolgsgeschichte“, analysiert Kurt Nagel die Unternehmerkarriere von Dussmann. Nagel, Professor für Betriebswirtschaft und als Berater bei Unternehmen wie Bosch und Daimler, aber auch Handwerksbetrieben tätig, nennt als zentralen Erfolgsfaktor die Kundenorientierung. „Zufriedene Kunden werden nicht geboren“, so Nagel, „nur wer als Unternehmer die Bedürfnisse seiner Kunden genau kennt, kann erfolgreich wachsen.“ Als zweiten Erfolgsfaktor nennt Nagel die Strategie, die ein Firmenchef verfolgen muss: „Eine klare Ausrichtung nach Markterfordernissen, sich mit Innovationen Wettbewerbsvorteile verschaffen oder ganzheitliche Problemlösungen anbieten“, zählt der Berater auf. Es gebe so viel mögliche Strategien wie Unternehmen, „man muss sie nur konsequent verfolgen und ständig hinterfragen. Die Mitarbeiter sind für Nagel der dritte Erfolgsfaktor. „Leute richtig auswählen, gezielt einsetzen und die Motivation immer obenhalten“, zeichnet laut Nagel Unternehmen aus, die besser sind als die Wettbewerber. Doch das wichtigste bleibe die Unternehmerpersönlichkeit, hat Nagel beobachtet: „Begeisterungsfähigkeit nach innen und nach außen, Hartnäckigkeit, eine hohe Fach- aber auch Sozialkompetenz und der Mut zum Risiko zeichnet solche Unternehmertypen aus.“

Fielmann: Der Revolutionär

Preiswerte Brillen für jedermann, diese erfolgreiche Strategie zeichnet die Nummer zwei der Top Ten im Handwerk aus. Wenn es ein Jungunternehmer schafft, aus dem Nichts eine ganze Branche gegen sich aufzubringen, muss dahinter schon eine außergewöhnliche Geschäftsidee stecken. Als Augenoptikermeister Günther Fielmann 1972 sein erstes Augenoptik-Fachgeschäft in Cuxhafen eröffnete, zog er sich mit dem „Brillenchic zum Nulltarif“ bereits den Unmut der Kollegen in der Region zu. Knapp zehn Jahre später, beim Abschluss eines damals als revolutionär eingestuften Sondervertrags mit der AOK, geriet die gesamte deutsche Augenoptikerbranche in Aufruhr. Denn bei Fielmann konnten sich jetzt auch Kassenpatienten eine schicke und modische Brille leisten. Die, wie Fielmann es ausdrückt, „Diskriminierung per Sozialprothese“ gehörte entgültig der Vergangenheit an.

Seit 1994 firmiert Fielmann als Aktiengesellschaft, inzwischen gibt es 642 Niederlassungen, die alle in die Handwerksrolle eingetragen sind. 2008 betrug der Gesamtumsatz 1,06 Milliarden Euro, erwirtschaftet von 12600 Mitarbeitern. Geleitet wird jeder Standort von einem Augenoptikermeister, jeder dritte Auszubildenden der Branche lernt inzwischen bei Fielmann. Franz Falk, Geschäftsführer der Handwerkskammer Stuttgart, hat die Entwicklung der Fielmann AG intensiv beobachtet. „Vor Fielmann gab es bei den Augenoptikern nur kleine Betriebe und kaum Kooperationen beim Einkauf, das war seine Chance, analysiert Falk. Er habe den Markt revolutioniert und konnte wachsen, weil er preiswerter als die Wettbewerber einkaufen konnte und das auch an die Kunden weitergab.

Bögl: Der Familienunternehmer

Revolution ist die Sache von Johann Bögl nicht. Der Gesellschafter der Firmengruppe Bögl setzt auf Kontinuität. „Die Max Bögl Bauunternehmung hat sich seit der Gründung 1929 durch die stetige Erweiterung des Leistungsspektrums und der Wertschöpfungstiefe zum heute größtes Bauunternehmen im Privatbesitz entwickelt“, so Johann Bögl. Er erwirtschaftet mit der in die Handwerksrolle eingetragenen Bauunternehmung 600 Millionen Euro, das ist Platz 3 der Top Ten von handwerk magazin. Die Firmengruppe Max Bögl verzeichnete 2008 sogar einen Jahresumsatz von insgesamt 1,3 Milliarden Euro und beschäftigt weltweit über 5700 Mitarbeiter. „Unsere Stärke ist, dass wir Projekte mit eigenen, hoch qualifizierten Mitarbeitern und modernsten Verfahren umsetzen“, definiert Firmenchef Johann Bögl sein Erfolgsrezept. Und das funktioniert, seit Gründer Max Bögl 1929 mit einem kleinen Maurerbetrieb in Neumarkt in der Oberpfalz startete. „Mitarbeiter aus- und weiterbilden und zu Spitzenleistungen anspornen ist die Basis für erfolgreiches Wachstum“, bestätigt Berater Kurt Nagel. Bei Bögl wird konsequent ausgebildet, eine „Hire and fire“-Mentalität gibt es bei dem Traditionsunternehmen nicht. Die Kunden erhalten einen kompletten Service aus einer Hand von Fachleuten, ganz gleich, ob der Auftraggeber ein Privatmann ist oder ein Staat.

Weller: Der Macher

„Ich suche immer neue Herausforderungen“, begründet Burkhard Weller, warum er als Unternehmer immer größer wird. Angefangen hat er 1979 mit zwei Mitarbeitern als Toyota-Händler in Osnabrück. Heute gehören zur Wellergruppe 28 Autohäuser. Die Auto Weller GmbH & Co. KG ist als Handwerksunternehmen das größte Autohaus in der Studie von handwerk magazin, die Wellergruppe insgesamt setzt über 900 Millionen Euro um. Burkhard Weller ist genau der Unternehmer, den Berater Nagel als Prototyp für einen Erfolgsmenschen definiert: begeisterungsfähig, hartnäckig und ein Teamspieler. Handwerksexperte Franz Falk nennt solche Firmenchefs einfach „Macher, bei denen man sofort merkt, die gehen ihren Weg“. Weller ist ein solcher Macher. „Was ich erreiche, macht mich zwar zufrieden, aber dann suche ich nach einer neuen Stufe der Zufriedenheit“, erklärt er seinen Expansionsdrang. Weil das nur mit guten Mitarbeitern möglich ist, hat er an jedem Standort „einen kleinen Weller, auf den ich mich voll verlassen kann“, so der 55-jährige Firmenchef. Kundenzufriedenheit ist sein oberstes Gebot, und mit seinen Mitarbeitern geht er genauso um wie mit seinen Kunden. Auf diese Weise ist es ihm gelungen, an jedem Standort besser zu sein als der Wettbewerb. „Gute Bezahlung und gutes Betriebsklima sind Voraussetzungen für den Erfolg“, sagt Weller.

Mecklenburg: Der Übernehmer

Während Burkhard Weller durch Neugründungen wuchs, ging Malermeister Philip Mecklenburg einen anderen Weg. Zwei Malerbetriebe legten 1989 in Hamburg den Grundstein. Heute besteht das Unternehmen aus 120 Betrieben in ganz Deutschland mit einem Gesamtumsatz von 172 Millionen Euro. Die Handwerksgruppe Philip Mecklenburg (hpm) zählt damit zu den größten Malerunternehmen in Deutschland. Mecklenburg wuchs durch die Übernahme erfolgreicher Malerbetriebe. Das Geld für die Expansion verdiente er nach der Wende in den neuen Bundesländern, wo er sich auf den lokalen Markt konzentrierte. So entstand die finanzielle Basis für weitere Übernahmen. „Ein klassisches Erfolgskonzept im Handwerk“, erklärt Kammer-Geschäftsführer Franz Falk, warnt aber gleichzeitig, dass Wachstum über Firmenübernahmen nur funktioniert, wenn die Renditen der Betriebe stimmen und Organsiation und Arbeitsabläufe perfektioniert sind. Bei der Handwerksgruppe Philip Mecklenburg ist das der Fall. Aber auch wenn unternehmerisches Wachstum nach Standardisierung verlangt, stehen in der Unternehmensgruppe starke Persönlichkeiten im Vordergrund, die in ihren Regionen alle Freiheiten genießen. „Unternehmerische Kompetenz auf Mitarbeiter übertragen“, nennt Berater Nagel diesen Erfolgsfaktor, ohne den keines der hier vorgestellten Unternehmen hätte wachsen können.

Philip Mecklenburgs Karriere überrascht handwerk magazin übrigens nicht: Die Redaktion fand seine Gründeridee schon 1991 so erfolgversprechend, dass er mit dem Top-Gründerpreis ausgezeichnet wurde, damals dotiert mit 25000 Mark. Die Jury war von seiner „souveränen Strategie“ beeindruckt, mit der der 27-Jährige damals schon seine Expansion unter Kontrolle hielt.

Die Liste mit den 50 größten Unternehmen aus dem Handwerk finden Sie über "Weitere Links", in der Spalte links neben diesem Beitrag.

Reinhold Mulatz