Die geschätzten Alten

Mitarbeiter | Kampagnen wie „50plus“ haben Handwerksbetriebe schon längst vorweggenommen. Gut, wenn sie trotzdem wissen, wie sich der Chef verhalten soll, wenn die Leistung nachlässt.

Die geschätzten Alten

Universell einsetzbar: Karl-Heinz Hulik war 49 Jahre alt, als ihn die Berliner Firma Klüter Elektromontagen GmbH vor fünf Jahren trotz fortgeschrittenen Alters einstellte. „Ein hervorragender Handwerker, mit besonders umfassenden Erfahrungen im industriellen Bereich“, freut sich Juniorchef Stephan Klüter, „wir könnten auf seine Kompetenz nur schwer verzichten.“

Richtiger Mix als Erfolgsrezept

Laufbahnen wie diese sieht Klüter nicht selten in seiner Firma, denn sie beschäftigt neben den 33 Monteuren unter 45 Jahren auch 29 Mitarbeiter im Alter zwischen 46 und über 60. Als eine der ersten hat sie sich an der Initiative Handwerk Berlin-Brandenburg beteiligt, deren Mitgliedsbetriebe junge und ältere Mitarbeiter in ihren Belegschaften gezielt zusammenführen. „Der richtige Mix als Erfolgskonzept“, sagt Initiativen-Chef Lutz Krause: „Junge Mitarbeiter sind die Alten von morgen, sie müssen nachrücken und gefördert werden. Die älteren Mitarbeiter sind der „Handlauf“ für die Jungen. Sie verfügen über ein Wissens- und Erfahrungspotenzial, welches nicht aus Schulbüchern gelernt werden kann.“

Auch Stephan Klüter ist von den Vorzügen der Älteren in seiner Belegschaft überzeugt: „Gesundheit, Fitness und Leistungsfähigkeit nehmen zwar grundsätzlich ab. Das wird aber durch ihre
Zuverlässigkeit, ihr seriöses Auftreten gegenüber den Kunden und ihre breit gestreute Berufserfahrung mehr als ausgeglichen. Es gibt für sie kein Problem, das nicht zu lösen ist, und ihre Disziplin ist großartig: Sie melden sich nur krank, wenn es gar nicht anders geht.“

Das sehen nach einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung die deutschen Personalchefs allgemein so. Sie attestieren den Älteren mehr Erfahrung, Arbeitsmoral und Qualitätsbewusstsein. Junge hätten einen Vorsprung in Sachen körperlicher Belastbarkeit, Lernbereitschaft und -fähigkeit, doch mehr als die Hälfte der Personalchefs hält Ältere im Grunde genommen für genauso leistungsfähig. Kurzum: Wenn der Chef mit den altersbedingten Defiziten richtig umgeht, kann die Kompetenz der Grauen viel länger als heute üblich zum Betriebserfolg beitragen.

Generell hat Deutschland einen gewaltigen Anstieg bei der Erwerbstätigenquote älterer Arbeitnehmer zu verzeichnen. Bei den über 55-Jährigen lag sie im Jahr 2003 noch bei 39 Prozent, inzwischen ist sie auf 52 Prozent angestiegen. „Alt bedeutet eben keineswegs mehr unproduktiv“, konstatiert Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, „Die Wissenschaft hat längst mit dem Vorurteil aufgeräumt, ältere Menschen seien nicht mehr zu Höchstleistungen im Stande. Gerade auch mit Blick auf die demografische Entwicklung können wir es uns nicht leisten, auf das Potenzial älterer Arbeitnehmer zu verzichten.“

Vielen Unternehmen bleibt nichts anderes übrig, als Ältere zu beschäftigen, weil sie nicht mehr genügend qualifizierte Jüngere finden. Nach Hochrechnungen des IW Köln gibt es hierzulande 1,6 Millionen unbesetzte Arbeitsplätze, und die Situation wird sich deutlich verschärfen. Ab 2010, so die Statistiker, wird die Hälfte aller Arbeitnehmer in Deutschland 40 Jahre und älter sein, und durch den Abschied der zwischen 1955 und Ende der sechziger Jahre geborenen Baby-Boomer werden Fach- und Führungskräfte von Jahr zu Jahr immer knapper. „Die Vergreisung der Gesellschaft“, so Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, „ist erst 2030 in vollem Ausmaß zu besichtigen – wenn der geburtenstärkste Jahrgang 1964 ins Altersteilzeit-Alter kommt.“

Da passen Arbeitsmarkt-Instrumente wie Altersteilzeit und Frühverrentung schon heute nicht mehr ins Bild. Stattdessen lohnt es sich für Unternehmen, sich für ihre älteren Mitarbeiter zu engagieren. Nötig sind vor allem Investitionen in die Weiterbildung, wobei Ältere oft selbst umdenken müssen: Bei vielen 55-Jährigen, so eine neue Untersuchung, fehlt es an „Einsicht in die Notwendigkeit der Qualifizierung“. Auch viele Firmen lassen die Zügel noch schleifen. Lediglich jeder vierte Senior wird bei einer Fortbildung unterstützt, ergab jetzt eine Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung unter 16000 Betrieben. Der Vorwurf: Sie würden sich nicht genügend auf den demografischen Wandel und die zukünftige Situation am Arbeitsmarkt einstellen.

Gegensteuern können Chefs, indem sie die Fortbildung älterer Mitarbeiter langfristig planen. Das Düsseldorfer Management-Center Handwerk gibt dazu einige Tipps:

n „Stellen Sie schon bei der Neueinstellung von Mitarbeitern klar, dass Sie von ihnen regelmäßige Anpassungsqualifizierungen und Weiterbildung erwarten, damit sie fit für den Job bleiben.

n Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern über ihren eigenen Anteil an der Weiterbildung. Sie können von Ihren Beschäftigten erwarten, dass sie sich mit Zeit und Geld an Schulungen beteiligen. Dafür bieten Sie ihnen eben auch im Alter einen angemessenen Arbeitsplatz.

n Planen Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern deren Weiterbildung, damit diese Planungen nicht losgelöst von den Unternehmenszielen, den Marktanforderungen und der Personaleinsatzplanung erfolgen. Nur so erreichen Sie ein Verständnis der Mitarbeiter für die Notwendigkeit der Weiterbildung, und das fördert die Motivation der Mitarbeiter zu lernen.“

Zum lebenslangen Lernen, das auch den Älteren heute abverlangt wird, gehört nicht zuletzt eine gute körperliche und geistige Konstitution. Der Betrieb kann ihn dabei unterstützen. Neben der Einhaltung der Arbeitssicherheitsvorschriften hilft ein betriebliches Gesundheitsmanagement, zu dem zahlreiche Krankenkassen Schützenhilfe leisten. Die Internetseite www.alba-nrw.de beispielsweise erklärt, wie sich die Gesundheit Älterer durch spezielle Sportangebote, Herz-Kreislauf-Training und Rückenschule stärken lässt.

Ältere nicht bevorzugen

So wie ältere Menschen für den Arbeitsmarkt immer wichtiger werden und das Bundesarbeitsministerium beispielsweise durch seine jetzt verlängerte Initiative 50plus durch staatliche Zuschüsse die Jobchancen älterer Langzeitarbeitsloser zu verbessern sucht – ein wichtiger Faktor spielt nicht mit: das Arbeitsrecht. Der strikte Kündigungsschutz für Ältere zum Beispiel erschwert jede Neueinstellung, die im Übrigen nicht etwa durch eine Stellenanzeige mit folgendem Wortlaut eingeleitet werden darf: „Mit 45 alt – mit 55 überflüssig: Wir suchen Ingenieure, Techniker und Meister bis 65“. Sie ist tatsächlich so erschienen, gleichwohl aber verboten. Denn das Antidiskriminierungsgesetz (AGG) verbietet es den Arbeitgebern auch, ganz gezielt nach älteren Mitarbeitern zu suchen.

Wolfgang Larmann

harald.klein@handwerk-magazin.de