Das Handwerk fährt voraus

Elektromobilität Bis 2020 sollen hierzulande eine Million Elektroautos fahren. Welche Chancen sich für Handwerker in diesem Markt eröffnen, wie sie sich dafür fitmachen und welche Fahrzeuge für Betriebe taugen.

  • Bild 1 von 6
    © Rudolf Wichert
    Pioniere der ElektromobilitätTimo (re.) und Sascha Kock haben begonnen, den Fuhrpark ihres Unternehmens Elektro Kock in Heek-Nienborg auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Gleichzeitig steigen sie mit ihrem Handwerksbetrieb in den Zukunftsmarkt Elektromobilität ein.
  • Bild 2 von 6
    © Chart: handwerk magazin
    Alternative Antriebe nahmen im Januar 2012 im Vergleich zum Vorjahr um 6,7 Prozent zu. Dazu zählen 4541 Elektrofahrzeuge und 47642 Hybridfahrzeuge.
  • Bild 3 von 6
    © Ilja Mes
    „Ich verkaufe den Kunden die Zukunft.“Christoph Rixen, Dachdeckermeister und Solarcarport-Hersteller.
  • Bild 4 von 6
    © Daimler
    „Wir bilden schon heute Spezialisten für das Werkstattgeschäft der Zukunft aus.“Walter Müller, Direktor der Mercedes-Benz-Niederlassung Berlin (Mitte), mit den Mitarbeitern Thomas Krüger und Gernot Wilsdorf (re.).
  • Bild 5 von 6
    © Bürkle
    „Das Elektrohandwerk baut die zukünftige Infrastruktur für Elektromobilität.“Thomas Bürkle, Beauftragter für Elektromobilität beim Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke.
  • Bild 6 von 6
    © Axel Griesch
    Autor: Reinhold Mulatz

Das Handwerk fährt voraus

D as ist die neue Welt der Elektromobilität: Bau- und Ausbaubetriebe errichten Energie-Plus-Häuser, Elektrohandwerker installieren Ladestationen, und das Kfz-Gewerbe verkauft und wartet Elektroautos. Für die Familie Welke-Wiechers ist das schon Realität. Sie bezog in Berlin das durch das Bauministerium finanzierte „Effizienzhaus-Plus mit Elektromobilität“, das mehr Elektrizität regenerativ erzeugt, als es verbraucht. Gemäß dem Projektmotto „Mein Haus, meine Tankstelle“ wird der Energieüberschuss für das Aufladen von Elektrofahrzeugen genutzt. Zwei E-Autos stehen schon vor der Tür.

Drehbuch für das Handwerk

Das Projekt ist wie ein Drehbuch für den Einstieg des Handwerks in den Megamarkt Elektromobilität. Viele Betriebe haben sich dafür fitgemacht, sie entwickeln Geschäftsideen, qualifizieren ihr Team in den neuen Techniken, und sie fahren mit Elektrofahrzeugen.

Thomas Bürkle, technischer Geschäftsleiter der Bürkle+Schöck Gruppe in Stuttgart und Beauftragter für Elektromobilität im Zentralverband der Deutschen Elektrohandwerke, ist überzeugt:„Das E-Handwerk baut die zukünftige Infrastruktur für Elektromobilität.“

In acht Jahren sollen über Deutschlands Straßen eine Million Elektroautos rollen, hat die Bundesregierung ehrgeizig vorgegeben - zurzeit sind es keine 5000. Doch die Autoindustrie präsentiert Monat für Monat neue Modelle, verkaufen und warten werden sie Handwerksbetriebe.

Gleichzeitig soll der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch 35 Prozent bis 2020 und 80 Prozent bis 2050 betragen, steht im Energiekonzept der Regierung. Für diesen Strom, ohne den saubere Elektromobilität nicht funktioniert, sorgen Baubetriebe, Elektrohandwerker und Heizungsbauer (siehe Kasten „Neue Märkte).

Stromer im Handwerkerfuhrpark

Timo Kock hat sich für den Fuhrpark seines Elektrohandwerksbetriebs in Heek-Nienborg einen Renault Kangoo Electric gekauft. „Das ist aber erst der Anfang“, sagt der Wirtschaftsingenieur, der gemeinsam mit Bruder Sascha, Elektroingenieur, den Betrieb mit 30 Mitarbeitern führt. In zehn Jahren will er den Fuhrpark zu 90 Prozent elektromobilisieren. Kock hat für den Renault rund 20000 Euro plus Batteriemiete bezahlt, rentabel ist das aber noch nicht, auch wenn er mit einer Batteriefüllung für fünf Euro 200 Kilometer weit fahren kann.

Geschäftschancen für Handwerker

Doch Kock hat sich das Auto in erster Linie gekauft, weil er Teile seines Unternehmens auf die E-Mobilität ausrichtet. Mit seinem Firmenzweig
„E-Charge“ plant und realisiert er jetzt schon Konzepte für die brennstofffreie Mobilität. So hat er für seine Kommune Ladestationen für einen Radwanderweg errichtet. „Wir unterstützen öffentliche und private Bauherren schon bei der Planung, wie sie die Elektromobilität berücksichtigen“, erklärt Kock seine Strategie. Als Beispiele nennt er Supermärkte, die Ladestationen auf ihrem Kundenparkplatz errichten oder Parkhausbetreiber, die solch einen Service anbieten wollen. Interessenten gebe es viele, doch noch seien es Marketingprojekte. Wenn es losgeht, hat er aber einen Vorsprung.

Christoph Rixen ist schon eine Stufe weiter. Der Dachdeckermeister baut und verkauft Solar-Carports. In seinem Unternehmen Rixen-Dach in Moos am Bodensee werden sie aus Holz oder Metall gefertigt und vor Ort aufgestellt. 90 Prozent der Ladevorgänge für E-Autos werden im privaten Bereich oder am Arbeitsplatz stattfinden, schätzt Experte Thomas Bürkle. Solartankstellen haben also Zukunft. Vier Holz-Carports, das Stück für rund 19000 Euro, hat Rixen bereits verkauft. Für die Metallvariante hat er in kurzer Zeit schon 40 Angebote erstellt. Rixen selbst ist überzeugter E-Mobilist, schon seit sechs Jahren besitzt er einen Elektrokleinstwagen.

Sein Hauptgeschäft bleibt natürlich die Dachdeckerei und der Photovoltaikmarkt. Für den sieht er trotz der drastisch beschnittenen Solarförderung eine große Zukunft. „Die Elektromobilität braucht die Photovoltaik, und die Sonnenenergie braucht Elektroautos, die in Zukunft den Sonnenstrom in den Akkus speichern werden“, erklärt Rixen seine Strategie.

Zertifizierter Fachbetrieb

Groß eingestiegen in das Geschäft mit Elektrofahrzeugen ist die Mercedes-Benz-Niederlassung in Berlin. Der Handwerksbetrieb wurde von der Innung des Kfz-Gewerbes Berlin als bundesweit erster „Fachbetrieb für Hochvoltfahrzeuge und Brennstoffzellentechnik“ zertifiziert. Walter Müller, Direktor der Niederlassung, sagt nicht ohne Stolz: „Wir stellen uns damit an die Spitze einer Entwicklung in unserer Branche.“ 15 zusätzliche Arbeitsplätze sind entstanden, besetzt mit speziell ausgebildeten Hochvolt-Elektrofachkräften und Druckgaskesselspezialisten. Alle technischen Azubis werden ab sofort in den neuen Technologien geschult. Zahlreiche Spezialwerkzeuge mussten angeschafft werden, sogar ein antistatischer Fußboden wurde in der
E-Mobility-Werkstatt verlegt.

Niederlassungs-Direktor Müller ist sicher, dass die Investitionen sich lohnen werden. Denn schon jetzt wartet die Berliner Niederlassung 240 Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge von Mercedes-Benz und Smart, die im Großraum Berlin unterwegs sind.

Fahrzeuge sind noch zu teuer

Das Handwerk steht also in den Startlöchern, was noch fehlt, sind Elektroautos zu bezahlbaren Preisen und mit vernünftigen Reichweiten. Auf dem Genfer Autosalon hielten sich bei Elektrofahrzeugen die Premieren in Grenzen. Immerhin wurde der Opel Ampera und sein baugleicher Bruder Chevrolet Volt zum Auto des Jahres gekürt, beides sind Modelle mit einem Benzinmotor zusätzlich zum Elektroantrieb. Um mehr Anreize für den Kauf der City-Stromer zu setzen, überlegt das Finanzministerium, Elektroautos statt wie bisher fünf Jahre künftig zehn Jahre von der Kfz-Steuer zu befreien. Neben der Steuerbefreiung soll künftig auch eine geringere Dienstwagen-Steuer erhoben werden. Konkrete Kaufhilfen plant die Regierung aber weiterhin nicht. Anders in Großbritannien: Dort erhalten Käufer von Elektro-Transportern einen Förderbetrag von 20 Prozent der Kaufsumme bis maximal 8000 Pfund (rund 9500 Euro).

Dachdecker Christoph Rixen ist für seinen Betrieb gerade auf der Suche nach einem Elektrotrans-porter, bisher haben ihn die Preise abgeschreckt. Trotzdem ist er sich sicher: „Die Zukunft gehört der Elektromobilität.“

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de

Online exklusiv

Aktuelle Elektroautos, ein Video über Handwerker Timo Kock findet Sie online. Außerdem können Sie abstimmen, ob Sie ein E-Auto kaufen würden.
handwerk-magazin.de/04_2012

Übersicht Elektroautos

Video Timo Kock mit seinem Renault ZE

Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie hier:
handwerk-magazin.de/fahrzeug