Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Coronavirus und die wirtschaftlichen Folgen – zwingt uns eine Pandemie zum Umdenken?

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Coronavirus und Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann

Ein plötzlich auftauchender Virus zeigt Wohl und Weh der internationalen Arbeitsteilung und einer Wirtschaftspolitik, die „just in time“ produziert und begrenzt bevorratet. Unsere Kolumnistin Ruth Baumann, Präsidentin der Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg, findet, dass es an der Zeit ist, ohne Hysterie, einen Blick auf die Realität zu werfen, um Herausforderungen künftig besser meistern zu können. Lesen Sie hier die neue Folge ihrer Kolumne “Neues von der Werkbank“.

Ruth Baumann Landesvorsitzende UFH Baden-Württemberg
Unsere Kolumnistin Ruth Baumann möchte daran appellieren über die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise nachzudenken statt noch mehr Panik zu schüren - © privat

Gleich zu Beg inn schicke ich e ine Feststellung me inen anschließenden Gedanken voraus: das Aufkommen von Covid-19 soll ke inesfalls als Ursache für unterschiedliche Fehlentwicklungen stehen, sondern verdeutlicht nur, was passieren kann, wenn man sich für un verwundbar hält. Immer schneller, weiter, mehr,aber zugleich auch billiger, war die Lösung vieler Köpfe, die aktuell jedoch an ihre Grenzen stößt. Bus iness Pläne, Branchencodes, Kostenopt imierung, Lagerhaltung „just in t ime“ (mit Auswirkungen auf das Verkehrsaufkommen) ließen Liefer- und Lagerkapazitäten, Vorratshaltung und kle ine regionale Produktionsstätten zum überholten Relikt vergangener Zeiten verkümmern. Globale Arbeitsteilung, weltweite Lieferketten, ständig (pseudo-)opt imierte Kostenstrukturen wiesen und weisen den ( verme intlichen) Weg in e ine sorgenfreie Zukunft. Doch nun reicht e in Virus aus, um uns die Verletzlichkeit unseres Alltags vor Augen zu führen.

Situationen, die nicht planbar s ind, aber e intreten können

Es wurde verpasst, Gesellschaft und auch Wirtschaft krisen sicher zu machen. Auch auf der Insel der Glückseligen braucht es Versorgung und Infrastruktur. Diese s ind nicht selbst verständlich und da man gern die Gesetze des Marktes außer Kraft setzt oder umzuwidmen ver sucht, holt uns nun alle die Realität e in. Krankenhäuser s ind ke ine re inen Wirtschaftsbetriebe, dieses Denken der letzten Jahre gilt es zu korrigieren. Gesundheit ist e in hohes Gut und mediz inische Versorgung hat ihren Preis. Weitblick zeichnet sich dadurch aus, dass er vom gewünschten Grad der Versorgung ausgehend, die Kosten ebenfalls nicht aus dem Blick verliert. Es braucht nicht e inen Notfall, um Vorsorge zu treffen. Manchmal würde es schon ausreichen, es zu akzeptieren, dass es Situationen gibt, die nicht planbar s ind und dennoch e intreten können. Der bürokratische Nachweis sämtlicher Lieferketten ersche int nutzlos, wenn sämtliche Des infektionsmittel schlicht und e infach aus verkauft s ind. Und die Verfügbarkeit relativiert den Preis.

Ke ine Panik, sondern e in Appell!

E ine Kette ist nur so stark, wie ihr schwächstes Glied. Das ist die Lehre, die wir aus der aktuellen Situation ziehen sollten. Es gibt ke inen Grund zur Panik, sondern e inen Appell an Denken und Handeln. Die Wirtschaft hat bereits an Fahrt verloren und e in Ende ist me ines Erachtens noch nicht in Sicht. Zu dieser nüchternen E inschätzung komme ich, ohne dabei in Panik zu verfallen, aufgrund der Entwicklungen im Automobilbau, Anlagen- und Masch inenbau, Tourismus und im E inzelhandel. Wirtschaftlicher Wohlstand def iniert sich nicht zwangsläufig e inzig durch ständig wachsende Zahlen und Preisdump ing, sondern könnte sich auch durch Kont inuität, Belastbarkeit und Flexibilität ausweisen.

Vertrauen in Versorgungs sicherheit schw indet

Es sollte nun nüchtern betrachtet werden, wie man in e iner globalen Welt, denn dieses Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen, sich dennoch auf Auswirkungen von anderen Marktteilnehmern vorbereiten kann. Die Hamsterkäufe betreffend Klopapier, Tomatensoße, Nudeln, Mehl und Zucker zeigten nur e ines sehr deutlich: das Vertrauen in die Versorgungs sicherheit ist nach den Erfahrungen mit Des infektionsmitteln angekratzt. Vielleicht sollte man vor diesem H intergrund auch noch e inmal die Rahmenbed ingungen für die vielen kle in- und mittelständischen Unternehmen unter die Lupe nehmen. Sie haben in der regionalen Versorgung e ine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Viele Betriebs inhaber fühlen sich in e inem Wettbewerb, dessen Vorschriften und Vorgaben eher auf andere Betriebsgrößen zugeschnitten s ind, oft alle in gelassen . Vielleicht s ind aber gerade die nicht börsennotierten Familienunternehmen bei wirtschaftlichen Schwankungen und Krisen etwas widerstandsfähiger. Mehr Augenmerk haben sie in jede m Fall verdient !

Wirtschaftsstandort Deutschland krisenfest(er) machen

Aktuell will man in der Politik mit der Gewährung von Kurzarbeitergeld, e iner vorgezogenen Abschaffung des Solidaritätszuschlags und der Auflegung von Hilfsfonds usw. den Auswirkungen der Coronakrise Rechnung tragen. Damit dies nicht zu e inem „Trostpflästerle“ verkommt, sollte ebenfalls e ine Inventur, wie man den Wirtschaftsstandort Deutschland krisenfester machen kann, folgen. Statt Bonpflicht und Lieferkettennachweis sollten Ver- und Bearbeitungsvorschriften, Auflagen wie auch Vorbemerkungen auf ihre Notwendigkeit und Praxisnähe geprüft werden. Milchtourismus zur Joghurtherstellung, Nordsee-Krabben, die zur Verarbeitung nach Marokko geschickt und später wieder in Deutschland verkauft werden oder auch Mülltrennung in Plastiksäcken mit 7.500 km Anfahrtsweg s ind nicht erst seit Aufkommen von Corona fragwürdig. Machen wir uns also geme insam ans Werk...