Mehr Pleiten befürchtet Corona: Insolvenzantragspflicht greift wieder

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Offiziell sind die Insolvenzen in Deutschland rückläufig. Doch tatsächlich dürften sie bald deutlich steigen: Am 1. Oktober enden die Corona-Sonderregeln für die Unternehmen. Worauf Handwerksunternehmer jetzt dringend achten müssen.

Corona: Mehr Insolvenzen drohen
Corona: Mehr Insolvenzen drohen, wenn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht am 30.09.2020 endet. - © Andrey Kuzmin_stock-adobe.com

Die deutschen Haftpflichtversicherer rechnen mit einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen ab Oktober 2020 und Januar 2021. Dann laufen wichtige Corona-Sonderre gelungen für Firmen aus. „Für zahlungsunfähige Unternehmen gilt ab Oktober wieder die Insolvenzantragspflicht“, erläuterte Daniel Messmer, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Directors-and-Officers-Versicherung (D&O) im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Versicherer bereiten sich auf steigende Leistungen aus der Manager-Haftpflicht vor

Auf Schäden aus Insolvenzen entfallen rund 20 Prozent aller Aufwendungen für die Managerhaftpflichtversicherung, die im Branchenjargon kurz D&O genannt wird und auch für Handwerksunternehmer gilt. D&O-Policen dürften somit wohl bald teurer werden. Die Versicherer müssen ab 2021 auch die um zehn Prozent höheren Kosten für Rechtsanwälte und Gerichte zahlen. Geschäftsleiter haben die gesetzliche Pflicht, bei eingetretener Insolvenzreife einen Insolvenzantrag zu stellen. „Wir gehen davon aus, dass künftig deutlich mehr Insolvenzen gemeldet werden“, so Messmer. Die derzeit noch rückläufigen Insolvenzahlen, seien auf die von der Bundesregierung verfügte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen zurückzuführen. „Unternehmer, die nicht mehr liquide sind, also kein Cash mehr auf dem Konto haben, müssen ab dem 1. Oktober innerhalb von drei Wochen wieder Insolvenz anmelden“, erläuterte Wolfram Desch, Fachanwalt für Insolvenzrecht von der Wirtschaftskanzlei GvW Graf von.

Wer ist zahlungsunfähig?

Zahlungsunfähig ist ein Unternehmen, wenn es mit den ihm zur Verfügung stehenden liquiden und liquidierbaren Mitteln nicht mindestens 90 Prozent seiner fälligen und fällig werdenden Verbindlichkeiten in einem Zeitraum von drei Wochen begleichen kann. „Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Dreiwochenzeitraum keine grundsätzliche Frist ist. Das Gesetz sieht vor, dass unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, Insolvenzantrag gestellt werden muss“, so Desch. Die Frist könne daher nur dann ausgenutzt werden, wenn „begründete Aussichten“ bestehen, dass die Zahlungsunfähigkeit in dieser Zeit beseitigt wird. Der Fachanwalt rät Geschäftsführern, die in einem Liquiditätsengpass stecken, die Zahlungen der Firma auf ein Mindestmaß zurückzufahren. Damit würden Geschäftsleiter ihre zivilrechtlichen Haftungsrisiken reduzieren. Für überschuldete Unternehmen bleibt die Insolvenzantragspflicht bis zum 31.12.2020 ausgesetzt.

Wer ist überschuldet?

Überschuldet ist ein Unternehmen, wenn es nicht mehr in der Lage ist, mit den Liquidationswerten ihrer Aktiva die Verbindlichkeiten und Rückstellungen zu decken und zudem keine positive Fortführungsprognose vorliegt. Grundsätzlich müssten Geschäftsführer bei schuldhafter Insolvenzverschleppung mit ihrem gesamten persönlichen Vermögen haften. Manager, für die eine Directors-and-Officers-Versicherung besteht, sind hingegen geschützt. Das gilt aber nicht für alle Managerhaftpflichtpolicen. „Schutz gibt es nur, wenn Paragraf 64 GmbH-Gesetz explizit als Leistung in den Bedingungen vereinbart wurde“, erläuterte GDV-Lobbyist Messmer. In den neueren Policen sei dies meist der Fall. Nach einer GDV-Sondererhebung aus 368 abgeschlossenen D&O-Schadenfällen, sollen Geschäftsführer und Vorstände nach einer Insolvenz im Durchschnitt mit sieben Millionen Euro persönlich haften. Diese Forderung werde von Insolvenzverwaltern gestellt, die immer professioneller auftreten würden.

In zwei Drittel der Schadenfälle können die D&O-Versicherer laut der GDV-Studie die Forderung ganz abwehren. Der Manager/Handwerksunternehmer haftet gar nicht. In den Haftungsfällen müssen die Versicherer in der Regel lediglich im Schnitt 140.000 Euro zahlen. Also nur zwei Prozent der ursprünglichen Forderung. Denn der Nachweis von Managerfehler ist oft juristisch schwierig. In der Regel würden die Verhandlungen um die Ansprüche zwei Jahre dauern. Dabei fallen im Schnitt zusätzlich 30.000 Euro Anwalts- und Prozesskosten an.