Zahlungssicherheit Corona: Hohes verstecktes Insolvenzrisiko

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„Viele Unternehmen in Deutschland sind ein regelrechtes Pulverfass. Über ihnen schwebt das Damoklesschwert einer Insolvenz“, warnt die Volkswirtin Christiane von Berg vom Kreditversicherer Coface aus Mainz. Das Insolvenzrisiko liegt in Deutschland bei 21 Prozent. Echte Zahlungssicherheit gibt es daher vor allem für Bauhandwerker nicht mehr.

Wenn Auftraggeber in die Pleite gehen, ist die Liquidität von Handwerksbetrieben bedroht.
Wenn Auftraggeber in die Pleite gehen, ist die Liquidität von Handwerksbetrieben bedroht. - © Unitas Photography-stock.adobe.com

Die Assekuranz Coface hat das Risiko „versteckter“ Insolvenzen durch staatliche Corona-Maßnahmen ermittelt. Es liegt für Deutschland bei 21 Prozent . Eigentlich hätten die Insolvenzen 2020 im Vergleich zu 2019 um rund sechs Prozent steigen sollen. Das geht aus der Coface-Modellanalyse anhand von Umsatzzahlen hervor. Von Berg: „In der Regel bedeutet ein Rückgang der Wirtschaftsaktivität einen Anstieg der Unternehmenspleiten.“ Doch das Gegenteil ist eingetreten. In Deutschland sank 2020 die Zahl der Pleiten um 15 Prozent. Daher gibt es für 2021 ein gefährliches Potential an versteckten Insolvenzen, die durch staatliche Maßnahmen bisher verhindert wurden.

Fast 4.000 "versteckte" Pleiten

Für Deutschland errechnet Coface insgesamt eine Zahl von 3.950 ausgebliebene Insolvenzen. Viele dürften nur aufgeschoben sein. Daher steht ein erheblicher Anstieg der Insolvenzen bevor, befürchtet der Kreditversicherer. Nach der Modellrechnung liegt der Anteil der „versteckten“ Pleiten für das Gastgewerbe bei sage und schreibe 43 Prozent und für das Transportgewerbe immer noch bei rund 38 Prozent. Doch auch das Baugewerbe ist mit 21 Prozent betroffen. Beim verarbeitenden Gewerbe sieht Coface im Worst Case eine Zunahme bei den Insolvenzen von 18 Prozent und beim Einzelhandel von 16 Prozent. Der Einzelhandel dürfte davon profitieren, dass Lebemsmittelhandel in der Corona-Krise in vollem Umfang handelbar blieben.

Für Krisenbranchen wird es immer enger

Mit seiner pessimistischen Einschätzung ist Coface nicht allein. Auch der Kreditversicherer Atradius aus Köln erwartet für 2021 einen zweistelligen Anstieg der Insolvenzen. So würden bei den Unternehmen aus den Bereichen öffentlicher Transport, Tourismus, Veranstaltungen und Gastronomie immer größere Liquiditätsengpässe entstehen. Schon jetzt stellt Atradius eine erhöhte Zahl von Nichtzahlungsmeldungen fest. „Während die Einnahmen ausbleiben und oft nur unzureichend durch staatliche Hilfen kompensiert werden, laufen die Fixkosten wie Mieten, Löhne und Gehälter sowie andere vertragliche Verpflichtungen weiter“, sagt Frank Liebold, Deutschland-Chef bei Atradius. „Wenn die staatlichen Hilfsgelder zurückgefahren werden und die Lockerung der Insolvenzantragspflicht endet, dürften die bereits erheblichen Unsicherheiten noch weiter zunehmen.“ Noch ist unklar, wie viele Pleiten tatsächlich eintreten werden, da staatliche Maßnahmen wie beispielsweise Subventionen für einzelne Branchen in das Jahr 2021 hineinreichen und die aktuellen Auszahlungsregelungen zur Kurzarbeit noch bis Ende 2021 gelten.

Versichern oder Vorkasse

Echte Zahlungssicherheit gibt es daher vor allem für Bauhandwerker nicht mehr. Das gilt in verstärktem Maße, wenn sie für Krisenbranchen tätig werden. „Versichern oder Vorkasse sind die beiden Alternativen, wenn es um größere Bauaufträge geht“, sagt Expertin van Berg. Versicherungsschutz gibt es über eine Warenkreditversicherung. Sie springt bei Forderungsausfällen für den Zeitraum von Lieferung und Dienstleistungen bis zur vollständigen Bezahlung ein. Da die Versicherung die Bonität der Kunden prüft, können Handwerker schon vorher erkennen, wann ein Zahlungsausfall zu erwarten ist und sie gar nicht erst das Geschäft eingehen sollten.

Staatliche Schutzschirm endet Anfang Juli

Derzeit wird die Arbeit der Kreditversicherer durch eine Garantie der Bundesregierung in Höhe von 30 Milliarden Euro stabilisiert. Der sogenannte Schutzschirm für Warenkreditversicherungen gilt aber nur noch bis zum 30.06.2021. Mit ihm können die Kreditversicherer ihren Kunden – trotz pandemiebedingt gestiegener Risiken – weiterhin im gewohnten Umfang Kreditgarantien zur Verfügung stellen, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bestätigt. Der Schutzschirm sei aber kein Freibrief für riskante Geschäfte mit Abnehmern, deren wirtschaftliche Stabilität schon vor der Corona-Pandemie in Frage stand. Am Schutzschirm nehmen die Kreditversicherer Atradius, Coface, Euler-Hermes, R+V und Zurich über bilaterale Verträge mit dem Staat teil.