Interview mit Bestsellerautor zur Plattform Revolution Christoph Keese: "Viele Handwerker werden zu Lieferanten der Industrie"

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Handwerksbetriebe müssen darauf achten, dass sie nicht vom Privatkunden abgeschnitten werden, sagt der hy-Geschäftsführer, ehemalige Springer-Verlags-Vorstand und Bestsellerautor ("Silicon Deutschland") Christoph Keese. Hier der zweite Teil des Interviews aus unserer August-Ausgabe.

Christoph Keese
Christoph Keese, hy-Geschäftsführer und Bestsellerautor - © Fabian Zapatka für handwerk magazin
Wie sehen Sie in einem Endverbraucher-Markt, der immer mehr durch große Internet-Portale geprägt ist, die Zukunft des Handwerks?

Für mein persönliches Kundenerlebnis mit dem Handwerk sorgte ein keiner Software-Defekt an meiner Therme. Der Handwerker eines zertifizierten Betriebs kommt herein und das erste, was er macht, ist: Er ruft eine Hotline beim Hersteller an und lässt sich von Viessmann durch das Bedienungs-Menü des Gerätes führen. Er sagt mir, es sei eine gesperrte Hotline-Nummer nur für Sanitärbetriebe. Die Nummer hat als Endnummer die Nummer des Maschinentyps. Beim Hersteller kommt er dann direkt an einen Experten, der sich genau mit diesem Brenner perfekt auskennt. Der führt ihn durch das Menu durch.

Sollte er als Fachmann das nicht alleine schaffen?

Natürlich, doch das sieht man auch bei Viessmann, dass die Menüs so schwer zu bedienen sind, dass der Handwerker dafür Unterstützung braucht. Alles, was dann gemacht werden musste, hätte ich in diesem Fall zusammen mit der Hotline auch selbst tun können. Ich zahle aber dann 200 Euro dafür, dass jemand nur deshalb kommt, weil die Bedienbarkeit so schlecht ist, um dann eine Hotline anzurufen. Und dann frage ich: Wo ist denn hier die Kompetenz gewesen? Wofür habe ich 200 Euro ausgegeben? Sollen die von Viessmann doch bessere Bedienoberflächen machen. Und wenn der Handwerksbetrieb schon kommt, dann sollen die das auswendig wissen.

Wenn die Bedienbarkeit besser wird, dann fällt dieses Marktsegment weg, denn dann können Sie das tatsächlich auch direkt machen.

Genau, und dann gibt es noch "Corrective Maintenance". Es darf ja eigentlich gar nicht passieren, dass das Gerät ausfällt. Als Kunde erwarte ich doch, dass ich beispielsweise eine WhatsApp- oder eine SMS-Nachricht auf dem Handy bekomme mit der Info: Pumpe könnte ausfallen, darf der Meister vorbeikommen? Idealerweise liest er meinen Kalender aus und weiß dann genau, wann ich zuhause bin und fragt direkt: Ist es Ihnen recht, wenn wir dann vorbeikommen? Bitte Ja drücken oder Daumen drauf halten. Dann zahle ich auch gerne 40 Euro Anfahrt, weil es keinen Tag kalt ist in meinem Haus.

Der Kunde will ja eigentlich keinen Brenner kaufen, er möchte eine warme Wohnung. Müssen SHK-Betriebe künftig neue Produkte anbieten, wie etwa "Wir garantieren Ihnen zu einem bestimmten Preis immer 21 Grad in der Wohnung?". Denn dem Kunden ist ja egal, wie die Wärme erzeugt wird, so lange der Preis stimmt und die Technologie umweltfreundlich ist.

Nein, das kann er nicht anbieten. Denn die Lösung oder das Produkt "21-Grad in der Wohnung" ist eine Kombination aus unterschiedlichen Komponenten. Es ist eine Plattformisierung von Energiemarkt, von Gerätemarkt und Telemetriemarkt. Das kann der Handwerker allein nicht anbieten. Der Handwerker hat die Wahl: Entweder lässt er sich weg vom Kunden drängen. Die privaten Bauherren, die früher seine Kunden waren, werden dann Kunden von Viessmann. Und ich selbst als privater Bauherr kenne den Handwerker gar nicht mehr, der kommt, um etwas zu reparieren.

Und der Handwerker?

Der Handwerker muss sich dann mit Viessmann arrangieren, er wird dort praktisch zum Lieferanten. Das hat auch Vorteile: Es ist angenehm, Lieferant von Herstellern wie etwa Viessmann zu sein. Der Handwerker bekommt das Geld für seine Leistung von Viessmann und Viessmann bezahlt immer sofort. Das macht nicht jeder private Kunde. Das Leben kann in Hochkonjunkturphasen dadurch viel angenehmer sein.

Herr Keese, vielen Dank für das Gespräch!

Vita Christoph Keese
Geboren am 31. Mai 1964 in Remscheid, ist Journalist, Publizist und Berater. Er war unter anderem Chefredakteur der Welt am Sonntag, Mitbegründer der Financial Times Deutschland sowie Executive Vice President der Axel Springer AG. Jetzt ist er Geschäftsführer beim Axel- Springer-Beratungsunternehmen hy GmbH. Als erfolgreicher Buchautor veröffentlichte er unter anderem die Bestseller „Silicon Valley – Was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt“ und „Silicon Germany – Wie wir die
digitale Transformation schaffen“.

Seine Buchveröffentlichungen
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