Interview mit ZDB-Geschäftsführerin Christine Buddenbohm über modulares Bauen: "Wir brauchen eine Steigerung der Produktivität"

Zugehörige Themenseiten:
Baustoffe, BIM, Digitalisierung, Energiesparen und Gewerbebau

Modulares Bauen ist nicht gleich monotoner Plattenbau. Christine Buddenbohm, Geschäftsführerin Unternehmensentwicklung beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), zeigt die Chancen der modernen Bauweise für Gewerbebauten, Hallen und Wohnungen auf.

Christina Buddenbohm, Geschäftsführerin Unternehmensentwicklung beim ZDB ist überzeugt: "Durch modulares Bauen lässt sich mit geringeren Maßtoleranzen und materialeffizienter bauen." - © ZDB
Modulares Bauen ist bei der Bau München ein großes Thema. Was macht es aktuell so wichtig?

Christine Buddenbohm: Modulares Bauen ist an sich nicht neu. Die aus den 1970-er Jahren stammenden Plattenbausiedlungen, zum Beispiel in Berlin-Marzahn, entstanden damals aufgrund des großen Wohnraumbedarfs und unter dem Druck eines Baustoffmangels. Die in monotoner Schuhschachtelarchitektur errichteten Gebäude führen noch heute dazu, dass die Bauweise auf große Vorbehalte bei den Menschen stößt. Heute wird natürlich völlig anders gebaut: Neben Büro- und Geschäftsgebäuden, Kindergärten, Krankenhäusern, Hotels oder Sporthallen gibt es bei den Wohngebäuden zahlreiche individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, bis hin zu richtigen Villen, die modular gebaut werden. Aber grundsätzlich ist das Ziel des modularen Bauens natürlich schneller, effizienter und kostengünstig Wohnraum zu schaffen. Im Vergleich zur ungeliebten „Platte“ von früher ist heute eine ganz andere Qualität und Gestaltung möglich.

Apropos Wohngebäude: Wie trägt der Modularbau zum Ziel der Bundesregierung bei, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu errichten?

Dieses Ziel hat sich für das Bauministerium mittlerweile als schwer erreichbar herausgestellt. Die Bau- und Finanzierungskosten sowie auch die gesetzlichen Vorgaben an den höheren Energieeffizienzstandard und die Komplexität der einzuhaltenden technischen Standards sind enorm gestiegen. Dem Baugewerbe wird zugleich vorgeworfen, am klassischen Bauen festzuhalten und zu wenig innovativ an Projekte heranzugehen. Unabhängig von den äußeren Faktoren, die das schnelle Bauen günstigen Wohnraums erschweren, brauchen wir in der Tat eine Steigerung der Produktivität beim Bauen. Da hat modulares Bauen viel Potenzial.

Gewerbeübergreifendes Know-how und hohe Investitionskosten als Hürden

Wie entsteht die Effizienz beim modularen Bauen?

Besonders bei der Arbeitsproduktivität ergeben sich viele Vorteile. In Produktionsstätten für die Vorfertigung können Materialien wie Holz oder mineralische Baustoffe für die Herstellung von Elementen oder ganzen Raummodulen verwendet werden, um anschließend im fertigen Zustand auf die Baustelle transportiert zu werden. In witterungsgeschützter Umgebung und bei gleichbleibenden Arbeitsabläufen sowie automatisierten Prozessschritten ergeben sich die besten Bedingungen für eine höhere Produktivität. Darüber hinaus lässt sich mit geringeren Maßtoleranzen und materialeffizienter arbeiten – und es entstehen viel weniger Bauabfälle. Die Vorteile dieser Bauweise ergeben sich übrigens nicht nur für den Neubau, sondern auch im Bereich der Sanierung des Gebäudebestands. Sogenannte serielle energetische Sanierungen finden bei großen Wohnblöcken und dort wo es viele gleichartige Gebäude gibt, Anwendung. Nur so lohnt sich dabei der finanzielle Aufwand für die Eigentümer auch.

Laut DENA-Gebäudereport gibt es in Deutschland circa 19 Millionen Wohngebäude und etwa drei Millionen Nicht-Wohngebäude – bei vielen dieser Bauten gibt es viel zu tun.

Sowohl bei der Sanierung vieler Bestandsgebäude – aber auch bei der Nachverdichtung. Um mehr Raum für Wohn- und Nichtwohngebäude zur Verfügung zu stellen, muss das Baugewerbe in den Städten bestehende Häuser über Anbauten, Aufstockungen und Lückenschließungen erweitern. Gerade in eng bebauten Innenstädten ist es jedoch sehr schwierig, klassische Baustelleneinrichtungen mit ihren hohen Platzbedarfen genehmigen zu lassen. Auch hier hat das modulare Bauen den Vorteil, die Fläche der Baustellen und die Bauzeiten erheblich zu reduzieren. Nebenbei erzeugt eine solche Baustelle wenig Emissionen wie Baulärm und Staub. Es ist einfach ein riesiger Unterschied im Vergleich zum herkömmlichen Bauen.

Ist die Bauwirtschaft für den Modularbau denn Stand heute in der Lage?

Der Wohnungsbau wird zu 90 Prozent von kleineren und mittelständischen Unternehmen des deutschen Baugewerbes geleistet, die meist weniger als 20 Mitarbeiter beschäftigen. Um den nötigen Grad der Vorfertigung einzelner Raummodule zu erreichen, benötigen diese Betriebe eine Vorfertigungsstätte mit teil- bis vollautomatisierten Prozessen und bei der Herstellung kompletter Raummodule auch verschiedene Handwerkerleistungen. Das ist nicht nur mit gewerkeübergreifenden Know-how, sondern auch mit erheblichen Kosten in Höhe von mehreren hunderttausend Euro verbunden.

Weniger Aufwand auf der Baustelle

Das kann sich ein Betrieb ja kaum leisten.

Investitionen in solcher Höhe können mitunter nur im Verbund mit anderen getätigt werden. Bauunternehmen haben sich bereits zusammengeschlossen, um eine Produktionsstätte gemeinsam zu betreiben. Dort werden beispielsweise in vorgefertigte Wände bereits Kanäle für Elektroleitungen verlegt, Fenster eingepasst und die Dämmung eingebaut. Auch ganze Raumzellen auf der Basis von Holzwerkstoffen sind möglich. Der Aufwand, der dabei entsteht, macht sich später auf der Baustelle bezahlt: Dort braucht es dann weniger Zeit und Mitarbeiter. Bei einem modernen Team aus drei Mitarbeitern einer modularen Baustelle mit Fertigteilen muss jeder Handgriff sitzen und ineinander greifen damit die Teile genau zum richtigen Zeitpunkt vom LKW mittels Kran an die korrekte Stelle versetzt werden.

Welche Qualifikationen brauchen die Mitarbeiter für das neue Bauen?

Eine spezielle Qualifikationsanforderung gibt es hier nicht. Vorfertigung stellt immer eine Aufwertung der Tätigkeit dar. Die körperliche Belastung wird geringer und die geistigen Fähigkeiten sind durch höhere Genauigkeit und Qualität sowie modernere Bauverfahren immer mehr gefragt. Ohne digitale Technologien und Methoden wie Building Information Modeling (BIM) geht es allerdings nicht. Digitalisierung und BIM spielt bei der Ausbildung unserer Meister eine Rolle. Allerdings setzt sich BIM erst langsam durch. Das liegt daran, dass selbst Architekten, die ja den Bau zunächst entwerfen, noch nicht standardmäßig mit der Methode arbeiten. Ebenso muss die öffentliche Hand bei ihren Ausschreibungen für Bauvorhaben BIM integrieren. Solange das nicht der Fall ist, bleibt das digitale Bauen in vielen Teilen noch ein Wunsch. Nach und nach zieht es aber in der Bauwirtschaft ein: Bei den Meisterausbildungen steht BIM schon auf der Agenda, und wir stellen auch fest, dass die junge Generation 3D-Modellen sowie der Digitalisierung insgesamt gegenüber viel aufgeschlossener ist. Die Herausforderung besteht nun darin, den jungen Leuten klar zu machen, dass Bauberufe innovativ und anspruchsvoll sein können und ein Job mit Zukunft sind.