Digital Bauen BIM: Auf die Datenqualität kommt es an

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BIM und Digitalisierung

Datenrelevanz, digitale Zwillinge und offene Standards: Das sind die drei großen Trends beim Building Information Modelling (BIM). Frank Weiss, Senior Director fu¨r neue Produkte, BIM und Innovation bei Oracle Construction and Engineering, stellt die wichtigsten Entwicklungen beim vernetzten Bauen vor.

Vernetztes Bauen erfordert relevante Daten
Vernetztes Bauen erfordert relevante Daten - © Oracle

Unterbrochene Projekte, verzögerte Projektstarts bis hin zur pausierten Weiterentwicklung von Bauweisen: Das Corona-Jahr 2020 hat den aufstrebenden Bereich Building Information Modelling (BIM) ausgebremst, was sich auch im laufenden Jahr bemerkbar machen wird. Dennoch gibt es drei große Entwicklungen, die BIM 2021 prägen werden und die Branche vorantreiben.

Trend 1: Datenrelevanz

Bei der Nutzung von BIM wird das Hauptaugenmerk im Jahr 2021 auf den realen Anforderungen des Daten- und Informationsaustauschs liegen. Datenrelevanz rückt dabei in den Fokus und verändert vor allem, welche Informationen geteilt werden. Organisationen erwarten, dass ihre Projektteams nur noch die Daten weitergeben, die tatsächlich relevant sind. Das ist insbesondere dann entscheidend, wenn digitale Informationen genutzt werden sollen, um beispielsweise eine automatisierte Kostenkalkulation oder das Benchmarking zu beschleunigen .

Léon van Berlo, Technischer Leiter bei der internationalen BIM-Organisation Buildingsmart International siehtin der Datenrelevanz viel Potenzial. "Oftmals findet eine Digitalisierung nur um der Digitalisierung willen statt. Unternehmen sollten sich vielmehr darauf fokussieren, wie sie die gesammelten Informationen tatsächlich nutzen können und welche davon für sie relevant sind", bringt er es auf den Punkt. Dem kann ich mich nur anschließen: Die Digitalisierung mit Zukunftsthemen wie maschinellem Lernen (ML) oder Künstlicher Intelligenz (KI) ist ohne Frage spannend, doch der Nutzen für Unternehmen und Projekt sollte stets im Fokus stehen und identifiziert werden.
Das nimmt Zeit in Anspruch. Einige Unternehmen können zwar bereits im Laufe des nächsten Jahres diesen Vorgang abschließen, andere wiederum benötigen länger. Der Grund liegtin der stark fragmentierten Branche. Egal, wie lange es dauert: Relevante Daten sind der Schlüssel zur Weiterentwicklung von BIM – aus diesem Grund werden den Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) künftig noch mehr Bedeutung zukommen.

Trend 2: Datenqualität und digitale Zwillinge

Der steigende Fokus auf die Digitalisierung wird zwangsläufig die Art und Weise erweitern, wie wir derzeit mit BIM, Common Data Environments (CDEs) und digitalen Zwillingen arbeiten. Kurz gesagt: Die Digitalisierung wirdin der physischen Welt stärker wertgeschätzt. Für die Baubranche bedeutet das konkret, digitale Repräsentationen von physischen Assets zu erstellen, um die Entwicklung dieser Assets kontinuierlich zu verbessern.

Der Prognose von Aidan Mercer, Marketingleiter bei Buildingsmart International, zufolge werden digitale Zwillinge im Jahr 2021 allgegenwärtig sein. "BIM allein reicht nicht aus, um einen digitalen Zwilling zu entwickeln. Können allerdings Assets in ihrem Kontext neben einer 4-D-Simulation erfasst und gleichzeitig zeitliche Elemente den Informationen in BIM hinzugefügt werden, liefert dies den benötigten Kontext und die Chronologie“, sagt er. Eine bedeutende Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Datenqualität, die derzeit in allen Bereichen deutlich verbessert wird: beim Erfassen, Speichern, Teilen und Analysieren .

Von dieser Qualität hängt der Erfolg digitaler Zwillinge ab, der zwei Kategorien von Lösungen bzw. Plattformen erfordert:
  • solche, die sich auf Betrieb, Wartung, Asset Management und/oder Facility Managementkonzentrieren
  • solche, die sich auf Lösungen für Architektur, Engineering und Bau (AEC) konzentrieren
Um dieses neue Qualitätsbestreben zu unterstützen, eigenen sich zum Beispiel Filter beim Hochladen von Daten. Doch auch für bereits bestehende Daten können Regeln angewandt werden, um Kriterien für den Zeitplan und die Zonierung der Daten hinzufügen und mehr Konsistenzprüfungen festzulegen. Es wird sogar möglich sein, Modellkonflikte in einer Cloud-Umgebung zu lösen.

Trend 3: Standardisierung und Offenheit

Im vergangenen Jahr hat Buildingsmart mit einer Reihe von Entwicklungen die Standardisierungsbemühungen der Branche vorangetrieben. „2020 hat unsere Arbeitsgruppe zu digitalen Zwillingen das Positionspapier „Einführung eines Ökosystems von digitalen Zwillingen“ veröffentlicht. 2021 wird die Fokusgruppe Aktivitäten oder Prototypen digitaler Zwillinge definieren“, erklärt Marketingleiter Mercer.

Dieses Jahr wird es ebenso die nächsten Schritte beim BIM Collaboration Format (BCF) und der Industry Foundation Class (IFC) geben, da die Branche über den Austausch von Informationen hinaus standardisieren möchte. Konkret sind das BCF 3.0, das es verschiedenen BIM-Anwendungen ermöglicht, modellbasierte Fragestellungen untereinander zu kommunizieren, sowie IFC 4.3. Dies deckt Beschreibungen von Infrastrukturkonstruktionen für Eisenbahnen, Straßen, Häfen und Wasserstraßen ab und erweitert damit das IFC-Schema deutlich.

Der Fokus wird Mercer zufolge weiterhin auf den Bereichen Einsatz, Transparenz und Vorhersagbarkeit der von Buildingsmart initiierten Standardisierungsprozessen liegen. "Mit voraussichtlich knapperen Projektbudgets werden die Vorteile von BIM wie Kostenreduzierung und Optimierung von Prozessen und Ressourcen noch wichtiger. Entsprechend wird die BIM-Nutzung für bessere Entwürfe oder Betrieb- und Wartungsprozesse zunehmen." Um BIM auch bei Datenbewegung und - zugänglichkeit offener zu machen, wird es dazu mehr Open-Source-Software geben. Insgesamt werden offene Daten als vielversprechender Weg in die Zukunft gesehen, sodass auch nicht- proprietären Datenstandards eine zentrale Rolle zukommt.

Fazit:

Insgesamt könnte BIM im Jahr 2021 einen zunehmenden Impuls in Richtung einer offeneren und zugänglicheren Arbeitsumgebung erleben, die auf branchenweit vereinbarten Standards basiert und ein größeres Augenmerk auf die Relevanz und Qualität von Daten legt. Solche Änderungen sollten zu einer breiteren Akzeptanz von BIM in Projektteams führen und den Weg für eine stärkere Nutzung digitaler Zwillinge ebnen.

*Über den Autor:

Frank Weiß ist Senior Direktor für Strategie, neue Produkte, BIM und Innovation in der Oracle Construction und Engineering Geschäftseinheit. Er war Mitgründer der Firma conject im Jahr 2000, die 2016 von Aconex und schließlich von Oracle übernommen wurde. Er beschreibt sich selbst als neugierig und leidenschaftlich an Digitalisierung interessiert – sein Fokus liegt dabei seit über 20 Jahren auf der Baubranche. Er vertritt Oracle als Strategic Advisory Council Member bei buildingSMART International. Daraus sind bereits mehrere Standardisierungsinitiativen (z.B. DIN Spec 91391) hervorgegangen. Aktuelle Schwerpunkte seiner Arbeit sind Digital Twins, CDE und Integration.