Betriebsunterbrechungsversicherung: Flotter Neustart nach dem Schaden

Für manchen Handwerksbetrieb ist sie überlebensnotwendig. Was die Police leistet, was sie kostet und für welche Gewerke die Absicherung wirklich relevant ist.

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    Neuanfang nach einem Brandschaden: Geschäftsführerinnen Dagmar Bader (li.) und Etta Osterkamp.
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    Knapp 40 Prozent der kleineren und mitt­leren Unternehmen ­haben ­eine Betriebs­unterbrechungspolice.
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    „Kunden orientieren sich um, wenn der ­Betrieb mit seinen Leistungen längere Zeit ausfällt.“ Markus Müller, ­ Experte für Firmensachversicherungen bei der Gothaer in Köln.
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    „Man braucht die Sicherheit, dass man im Ernstfall über die Runden kommt und dann weitermachen kann.“ Hans-Harald Zapp, ­Bäckermeister und Unternehmer in Oldenburg.

So hatten sich die Geschäftsführerinnen Etta Osterkamp und Dagmar Bader das 65. Jubiläumsjahr ihres Kfz-, Karosserie- und Lackierzentrums nicht vorgestellt: statt großer Feier Aufräumarbeiten nach einem Brand in der Lackierkabine, dem Herzstück der Lackierabteilung. Der Motor des Kabinenrolltors war der Auslöser. „Rasend schnell breitete sich das Feuer in der Lackierkabine aus und griff auf die Trockenkabine über“, schildert Etta Osterkamp das Geschehen vor gut anderthalb Jahren. Die Feuerwehr bekam das Feuer schnell in den Griff. Personen kamen nicht zu Schaden.

Aber die Geschäftsführerinnen standen zunächst vor einem Scherbenhaufen. Wie sollte der Handwerksbetrieb ohne die Lackieranlage weiterlaufen? Mit der Anmietung einer kombinierten Lackier- und Trocken-Leihkabine konnten die Unternehmerinnen eine komplette Betriebsunterbrechung verhindern. Acht Tage nahm die Montage in Anspruch. Dann hieß es für die 22 Osterkamp-Mitarbeiter den Auftragsstau abarbeiten. Die Karosseriebauer, Kfz-Mechatroniker und Lackierer mussten sich dabei mit den Baumaßnahmen in den Betriebshallen arrangieren. Enormer Einsatz, hohes Engagement, verbunden mit teils kostenintensiver Auftragsabwicklung prägten das Jubiläumsjahr 2013. Die finanzielle Belastung wurde mithilfe eines privaten Investors und Schadenersatzzahlungen der Versicherung aufgefangen.

Die Firma Osterkamp in Schortens gehört zu jenen rund 40 Prozent mittelständischer Unternehmen, die eine Betriebsunterbrechungsver-sicherung abgeschlossen haben (siehe Grafik rechts). Die Police ersetzt, zum Beispiel nach einem Brand, den entgangenen Gewinn und übernimmt die laufenden Kosten für Gehälter einschließlich gesetzlicher Sozialabgaben. Außerdem kommt sie für Schadenminderungskosten wie Überstundenzuschläge und Mieten für Leihgeräte, Geschäfts- und Lagerräume auf – wie bei der Firma Osterkamp.

Krankentagegeld für den Betrieb

Die Police ergänzt damit die betriebliche Inhaltsversicherung. Diese ersetzt den Sachschaden an betrieblicher und kaufmännischer Einrichtung. Jedoch nicht den Ertragsausfallschaden durch Brand, Einbruchdiebstahl, Sturm, Hagel oder Leitungswasser. Hier springt die Betriebsunterbrechungsversicherung ein. „Sie ist wie ein Krankentagegeld für den Betrieb“, sagt Versicherungsmakler Marco Berg aus Tungeln. Die Absicherung für den Ernstfall kostet einen Handwerksbetrieb zwischen 300 und 700 Euro (siehe Tarif-Tabelle unten).

Bäckermeister Hans-Harald Zapp musste seine Police in den 17 Jahren, die er seine Bäckerei  und Konditorei in Oldenburg jetzt führt, bisher nicht in Anspruch nehmen. Dabei soll es auch bleiben. „Aber natürlich macht man sich Gedanken, was passieren könnte“, sagt der 53-Jährige. Ein Backofenbrand sei nie auszuschließen. „Den Schaden kann der Betrieb gar nicht allein bezahlen. Da möchte man schon Sicherheit haben, dass die Firma erst mal über die Runden kommt und weitermachen kann“, so Zapp.

Das Problem bei einer Betriebsunterbrechung liegt auf der Hand. „Die Kundschaft orientiert sich um, wenn ein Unternehmen längere Zeit mit seinen Leistungen und Lieferungen nicht zur Verfügung steht“, sagt Markus Müller, Experte für Firmen-Sachversicherungen bei der Gothaer. Das Wichtigste sei, die Firma nach einem existenziellen Schaden schnellstmöglich wieder zum Laufen zu bringen.

Überbrückungslösungen suchen

Ein Notbetrieb kann die Personalkosten teilweise wieder einspielen. Eine Bäckerei kann möglicherweise auf andere Backräume ausweichen. Andere Handwerker bauen provisorisch ein Zelt auf oder mieten Container an und führen den Geschäftsbetrieb dort weiter. „Für solche Überbrückungslösungen wird die Betriebsunterbrechungspolice gebraucht. Ansonsten müsste der Handwerker sich das von der Bank vorfinanzieren lassen“, sagt Makler Berg.

Wer das nicht kann und die Belegschaft bis zur Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs zum Arbeitsamt schickt, muss dann nicht selten neue Mitarbeiter suchen und neu einarbeiten. Die Police ist auch wichtig, um die Belegschaft zu halten. „Gute Leute finden heute schnell wieder einen Job“, so Berg.

„Notwendig ist die Betriebsunterbrechungsversicherung überall, wo ein sogenannter Flaschenhals existiert, von dem die gesamte Betriebsleistung abhängig ist, wie bei einer Bäckerei, Fleischerei, Autowerkstatt oder bei Handwerksbetrieben mit Ladengeschäft“, erklärt Friedhelm Peter, Sachverständiger für Betriebsunterbrechungsschäden aus Sarstedt.

Nicht für alle Gewerke notwendig

Nicht bei allen Gewerken ist die Police aber erforderlich: Ein Heizungsbauer mit kleinem Lager, Büro und Werkstatt, ohne eigene Produktion, erbringt seine Leistung woanders. Er macht seinen Umsatz auch, wenn sein Büro oder seine Werkstatt abgebrannt sind.

Handwerker sollten bei der Risikoeinschätzung ihres Unternehmens mögliche Szenarien durchspielen und dabei auch die Laufzeit berücksichtigen. Schon ein Leitungswasserschaden kann zur Schließung des Geschäfts über mehrere Wochen führen, bis der Fußboden erneuert ist. Die Betriebsunterbrechungsversicherung zahlt in den Standardverträgen maximal für zwölf Monate. Dafür hat sich auch Bäckermeister Zapp nach gründlicher Abwägung des Risikos und Beratung mit Makler Berg entschieden. Man kann häufig auch längere Haftzeiten vereinbaren. „Die Versicherung zahlt bis zur kaufmännischen Wiederherstellung“, erläutert der Sachverständige Peter. Wenn die alten Umsatzzahlen vorher erreicht werden, hat sich die Verpflichtung der Versicherung schon vor Ende der Haftzeit erledigt. Das freut den Geschädigten und den Versicherer.

Es kann aber nach einem Brand auch ein Jahr und länger dauern, bis der Geschäftsbetrieb wieder hergestellt ist. Dabei hängt vieles auch von Umständen ab, die der Handwerker selber nicht oder nur bedingt beeinflussen kann. Insbesondere dann, wenn die Betriebsräume gemietet sind. Die Interessen des Vermieters müssen nicht mit denen des Mieters identisch sein. Es könnte bis zum Wiederaufbau viel kostbare Zeit ins Land gehen. Dann reicht der vereinbarte Haftzeitraum der Police womöglich nicht aus, um an die alte Umsatzstärke anzuknüpfen. Handwerker in gemieteten Geschäftsräumen sollten deshalb besonders darauf achten, dass die Haftzeit nicht zu knapp ist, rät Sachverständiger Peter. Bei langen Lieferzeiten für Waren, Betriebsmittel und Anlagen oder Bauzeiten von Gebäuden könnten die häufig vereinbarten zwölf Monate Haftzeit zu kurz bemessen sein.

Versicherungssumme prüfen

Handwerker sollten auch prüfen, ob die Versicherungssumme ausreicht (siehe Checkliste links). Bei der im Handwerk zumeist üblichen Kleinbetriebsunterbrechungsversicherung ist sie an die Sachversicherungssumme gebunden. „Das ist häufig ein Problem, wenn ein Betrieb mit relativ geringen Inventarwerten hohe Umsätze macht. Dann ist die Versicherungssumme schon nicht mehr repräsentativ für das Betriebsunterbrechungsrisiko“, sagt Peter.

Manche Standardverträge erlauben aber eine Aufstockung. „Falls das nicht möglich ist, sollten Unternehmer die Betriebsunterbrechungs- und die Sachversicherung trennen und auf eine sogenannte Mittlere Betriebsunterbrechungs-versicherung ausweichen“, empfiehlt der Sachverständige Peter. Dort werden dann die tatsächlich möglichen Betriebsausfallsummen zugrunde gelegt.

„Wenn die Bücher des Handwerksbetriebs allerdings nicht stimmen, nützt auch die beste Absicherung nichts“, meint Makler Berg. Denn für die Schadenszahlung durch die Versicherung sind plausible Zahlen aus dem bisherigen Geschäftsverlauf erforderlich.

Für Unternehmerin Etta Osterkamp ist nach ihrer Erfahrung im vergangenen Jahr klar: „Eine Betriebsunterbrechungsversicherung ist richtig und wichtig.“ Und sie empfiehlt anderen Handwerkskollegen, die einen Schadensfall verkraften müssen: „Der Geschäftsführer sollte aber auf jeden Fall darauf achten, dass alle Ausgaben belegt werden können, die an Betriebsunterbrechungskosten entstehen. Nur was man tatsächlich schwarz auf weiß nachweisen kann, wird dann auch von der Versicherungsgesellschaft ersetzt.“