Betriebsübernahmen: Unternehmensnachfolge im Handwerk ist beliebt

In den Meisterbetrieben des Handwerks gibt es eine Gründungs- und Nachfolgerkultur. Warum die Selbständigkeit im Handwerk und Mittelstand wieder mehr junge Menschen lockt, beispielsweise die Schwestern Corinna und Irina Wahrendorf.

Nachfolge wird wieder beliebter

Für Irina Wahrendorf und ihre Schwester Corinna war es immer klar, einmal das von Vater Uwe gegründete Kontaktlinsen-Institut in Berlin zu übernehmen. „In der DDR war die berufliche Selbstbestimmung nicht sehr ausgeprägt, gleichzeitig war es attraktiv, einen Handwerksbetrieb zu führen“, erzählt die Augenoptikermeisterin. Sie und ihre Schwester arbeiteten gut 20 Jahre im Betrieb des Vaters, bevor sie ihn 2011 kauften. Heute sind solche Berufslaufbahnen im Handwerk die Ausnahme.

Trotzdem gibt es im Handwerk wieder mehr Interesse an der Übernahme eines Betriebes, hat das Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh) in einer Studie herausgefunden. Eine Untersuchung der Stiftung Familienunternehmen, durchgeführt von der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen, hat sogar ermittelt, dass beim Unternehmernachwuchs 60 Prozent planen, in absehbarer Zeit als Nachfolger unternehmerisch aktiv zu werden, oder bereits in der Verantwortung im Familienunternehmen sind. „Nur rund 13 Prozent planen, dies überhaupt nicht zu tun“, hat Reinhard Prügl vom Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen herausgefunden.

Die Erkenntnisse aus den Untersuchungen können Handwerksunternehmern helfen, Kandidaten für ihre Betriebsnachfolge innerhalb oder außerhalb der Familie besser zu motivieren.

„In einem Meister- oder Selbständigenhaushalt aufgewachsen zu sein spornt viele junge Handwerker offenbar zu einer vergleichbaren Karriere an“, hat ifh-Geschäftsführer Klaus Müller bei der Befragung von Meisterschülern an acht Handwerkskammern herausgefunden. Insgesamt lasse sich die Meisterausbildung als Teil einer Gründungskultur charakterisieren, so Müller. Auch wenn die Befragten über das „Wie“ ihrer Selbständigen-Karriere sich noch nicht endgültig klar sind, überwiegt doch die Tendenz zur Übernahme eines bestehenden Betriebes. Interessant ist hier, dass kleinere Handwerksbetriebe bei Mitarbeitern und in der Familie ein höheres Interesse an Selbständigkeit wecken als größere Betriebe.

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Betriebsübernahme: Unabhängikeit motiviert zur Selbständigkeit

Firmenchefs, die auf der Suche nach einem Nachfolger sind, sollten wissen, warum sich Meisterschüler selbständig machen wollen: Es ist der Wunsch nach größerer Unabhängigkeit, eine Gelegenheit, einen Betrieb zu übernehmen, die Lust, etwas Neues zu machen aber auch mehr Geld zu verdienen. „Wer als Senior einem möglichen Nachfolger solche Aussichten bietet, hat schon eine Menge richtig gemacht, egal ob in der Familie oder im Mitarbeiterteam“, weiß Franz Falk, Geschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart, aus seiner Beratererfahrung. Ob die Übernahme eines Betriebes immer die bessere Wahl ist oder die Neugründung, könne nur im Einzelfall beurteilt werden, so Falk. Für handwerk magazin hat er entscheidende Vor- und Nachteile von Betriebsübernahmen zusammengefasst.

Die Schwestern Wahrendorf entschieden sich für die Übernahme, was allerdings auch nicht ohne Risiko war. Sie mussten den Betrieb vom Vater kaufen, zusätzlich noch in Modernisierungen investieren und dafür Kredite aufnehmen. „Außerdem ist die Augenoptikerbranche nicht unbedingt krisensicher“, so Irina Wahrendorf. Trotzdem bereuen beide den Schritt in die Selbständigkeit nicht. Ob allerdings die Familientradition weitergeführt werden kann, ist eher zweifelhaft.

Das zeigt, dass im Handwerk das Thema Betriebsnachfolge nach wie vor schwierig bleibt. Die Erkenntnisse aus den Studien zeigen aber auch, dass der Nachwuchs Lust auf Selbständigkeit hat. Die muss aber auch unterstützt werden.

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Mögliche Nachfolger nicht zu lange warten lassen

Die ifh-Studie gibt auch Aufschluss, wann Meisterschüler sich selbständig machen wollen: 44 Prozent in den nächsten zwei bis fünf Jahren, nur 21 Prozent in mehr als fünf Jahren, Frauen wollen sich noch schneller auf eigene Beine stellen als Männer. Wer also einen möglichen Nachfolger hat, sollte dessen Geduld nicht zu lange strapazieren, sonst könnte er sich anderweitig umschauen. Das Angebot ist nämlich nach wie vor groß. Rund 200000 Handwerksbetriebe stehen in den nächsten fünf Jahren zur Übergabe an, und die demografische Entwicklung wird die Zahl eher nach oben treiben. 16,3 Prozent aller Betriebsinhaber im Handwerk sind zwischen 56 und 60, 6,9 Prozent sind über 65. Im Vollhandwerk gab es aber 2011 nach Schätzungen des ZDH nur 6428 Betriebsübernahmen. Zwar hat das ifh in einer weiteren Studie herausgefunden, dass es vorerst keine generelle Nachfolgelücke im Handwerk geben wird. Fälle, in denen es zumindest bis 2020 schwieriger werde, den Betrieb in jüngere Hände zu übergeben, seien eher der Strukturschwäche einer Region oder mangelnder Attraktivität der jeweiligen Branche geschuldet als demografischen Verschiebungen.

Branchen mit Nachwuchsproblemen

Doch im Handwerk gibt es eben auch weniger attraktive Branchen, und die haben gravierende Nachwuchsprobleme. So gab es im Fleischerhandwerk 2012 insgesamt 1300 Betriebsstilllegungen, aber nur 700 Gründungen. „Besonders kleine Betriebe haben große Probleme, geeignete Nachfolger in der Familie oder im eigenen Unternehmen zu finden“, klagt Heinz-Werner Süss, Präsident des Deutschen Fleischerverbandes.