Betriebsübergabe: Stress am Esstisch vermeiden

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Das Lebenswerk in die Hände der Familie zu geben ist der Traum vieler Unternehmer. Das klappt inzwischen nur noch bei der Hälfte der Übergaben. Wie Sie Ihre Kinder für die Chefrolle motivieren.

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    © Tanja Kernweiss
    „Viele Kinder wollen nicht, weil der Betrieb ihr Leben oft nicht sehr positiv bestimmt hat.“ Elisabeth Rumpfinger, Ex-Chefin der Schreinerei in Hohenlinden (Bayern), mit Ehemann Leonhard (links), Enkel Daniel und Sohn Johannes, der den Betrieb mit seinem Bruder Mario gemeinsam führt.
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    © Chart: handwerk magazin
    Nur gut die Hälfte der Klein- und Mittelbetriebe findet inzwischen noch einen Nachfolger in der eigenen Familie.
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    © Winkler
    „Die Eltern müssen den Spaß am Unternehmertum an die Kinder weitergeben.“ Andrea Winkler, ­Nachfolgemoderatorin der Kammer Karlsruhe.

Gab es tatsächlich nie Zweifel, ob eine Unternehmerkarriere das Richtige ist? Johannes Rumpfinger zögert kurz, dann gibt er zu: „Es gab da Momente.“ Gegen Ende der Realschule, da habe er schon mal gezweifelt, am Ende der Lehre noch einmal. Aber letztlich, betont er, fiel ihm die Entscheidung für den elterlichen Betrieb dann doch nicht schwer. Der ältere Bruder war schon länger dabei, 2007 stieg auch Johannes ein. Inzwischen wird die elterliche Schreinerei in Hohenlinden (bei München) von beiden gemeinsam geführt. „Ein schönes Gefühl“, sagt ihre Mutter Elisabeth. Jahrzehntelang hatten zuvor sie und ihr Mann Leonhard die Geschicke des Unternehmens gelenkt.

Vorbild sein und Freude vermitteln

Den Betrieb in der eigenen Familie weiterzugeben, das wünschen sich fast alle Unternehmer – aber längst nicht immer klappt es. Gerade gut die Hälfte (54 Prozent) aller Betriebsübergaben, so die aktuelle Statistik des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn, erfolgen familienintern. Und keineswegs liegt es immer daran, dass schlicht kein Erbe da ist. Immer häufiger erlebt auch Andrea Winkler, Nachfolgemoderatorin bei der Handwerkskammer in Karlsruhe, wollen die Kinder einfach nicht.

Eine Entscheidung, die ihre Unternehmereltern nicht selten verzweifeln lässt, an der sie aber oftmals auch selbst nicht unschuldig sind. „Jahrelang habe ich mir Tag für Tag anhören müssen, wie schwierig die Kunden sind und wie hart der Alltag ist“, erzählt der Sohn eines Kfz-Meisters, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. „Und dann gingen alle davon aus, dass ich so weitermache: Nein, danke!“

Wer möchte, dass seine Kinder den Betrieb übernehmen, stellt Expertin Winkler dann auch klar, der sollte sich rechtzeitig Gedanken darüber machen, wie er ihnen Spaß und Freude am Unternehmerleben vermittelt. Dabei wichtig: das eigene Vorbild. Wer ständig jammert, muss sich nicht wundern, wenn die Kinder sich ein anderes Leben wünschen. Viel besser: Erzählen, was das Schöne am eigenen Handwerk ist und wo die Erfolgserlebnisse liegen.

Chefrolle nicht negativ besetzen

„Das ist ein Thema, das viele unterschätzen“, sagt auch Exunternehmerin Elisabeth Rumpfinger. Als Vorstandsmitglied im Landesverband der Unternehmerfrauen in Bayern hat die ausgebildete Mediatorin den Generationswechsel nicht nur in der eigenen Familie erlebt: „Viele Kinder“, weiß Rumpfinger, „wollen allein deswegen nicht übernehmen, weil der Betrieb ihr ganzes Leben bestimmt hat – und das keineswegs positiv. Der Vater fehlte bei der ersten Kindergartenaufführung ebenso wie auf der Abifeier, Urlaub war nie richtig Urlaub.“ Deshalb sei es wichtig, im eigenen Leben eine Balance von Beruf und Familie herzustellen.

Eine Einschätzung, die auch Übergabebegleiterin Winkler teilt. „Ich habe das alles doch nur für die Kinder gemacht“, lautet der meistgesagte Satz vieler Unternehmereltern. Doch das sei schlichtweg falsch! Manchmal, weiß Rumpfinger, ist es die Ausrede für eigene Fehlentscheidungen, vielleicht weil man selbst dem Druck der Eltern nicht widerstehen konnte. In den meisten Fällen aber steht dahinter die Absicht, durch die Weitergabe des Betriebes über den eigenen Tod hinaus zu wirken, statt es den Kindern zu ermöglichen, ihre eigenen Träume zu erkennen und zu erleben.

Was das bedeutet, weiß Petra Salzbrunn. 1962 hat sie die Schütz Natursteine GmbH gemeinsam mit ihrem Bruder vom Vater übernommen. Doch während sie schon als Kind gerne im Steinbruch war, später viel Spaß an der Arbeit fand – und noch heute mit warmer Begeisterung von ihrem Alltag spricht, stieg der Bruder nur ein, weil das erwartet wurde. Sport-und Mathelehrer hätte er werden wollen.

Auch Petra Salzbrunn hätte sich gefreut, wenn eines ihrer Kinder Spaß an der Arbeit mit den Steinen gefunden oder Lust entwickelt hätte, vielleicht etwas anderes aus dem Laden zu machen. Das Leben entschied anders. Der Sohn, der vielleicht am meisten Interesse gehabt hätte, ist durch einen Unfall so eingeschränkt, dass er als Nachfolger ausfällt, beide Töchter haben abgewinkt. Sie, weiß Salzbrunn heute, haben im Alltag mehr den Stress gesehen, die wenige Freizeit, die Mutter und Onkel hatten. Leicht ist es nicht gefallen, sich damit abzufinden, dass der Betrieb nach zwei Generationen nun extern weitergeführt wird, das gibt sie offen zu. Doch inzwischen läuft die Suche nach einem Nachfolger auf Hochtouren, in zwei bis drei Jahren soll die Übergabe vollzogen sein.

Kinder früh in den Betrieb lassen

Den betrieblichen Stress nicht in die Familie zu tragen heißt nach Erfahrung von Übergabeexpertin Winkler jedoch nicht, die Arbeit und das Handwerk an sich außen vor zu lassen. Im Gegenteil: Unternehmerkinder sollen den Betrieb kennenlernen – und das eher früher als später. Schon als kleiner Junge, erinnert sich Johannes Rumpfinger, habe er aus Vaters Holz Schwerter geschnitten, später war es der Gabelstapler, der ihn in den elterlichen Betrieb lockte.

Ein „zu früh“ gibt es nicht, findet auch Birgit Felden, Vorstand der auf Betriebsübergaben spezialisierten TMS Unternehmensberatung in Köln und Professorin für Management und Unternehmensnachfolge in Berlin. Felden betont aber ebenso: Kinder sollten in der elterlichen Werkstatt nicht nur spielen, sondern auch die Möglichkeit haben, das Handwerk kennenzulernen und sich auszuprobieren. Also auch mal selbst ein Produkt kreieren oder – später – eine Markteinführung begleiten. Doch Vorsicht: Mitmachen dürfen heißt nicht mitmachen müssen. Wer jeden Samstag im elterlichen Betrieb schuften muss, verliert schnell die Lust.

Erst abnabeln, dann einsteigen

Gerade wenn das Kind Interesse zeigt, rät Expertin Felden dazu, dem Nachwuchs die Chance zu geben, andere Unternehmen und Branchen kennenzulernen. Ein paar Jahre im Ausland oder ein Studium in einer anderen Stadt schaden laut Felden nie. Schließlich gelängen die Übernahmen am besten, wenn die Junioren sich erst vom elterlichen Betrieb lösen konnten und dann ganz freiwillig wieder zurückkehren.

So war es bei Johannes Rumpfinger. Nach der Lehre und der Ausbildung zum Betriebswirt des Handwerks arbeitete er zunächst ein paar Jahre als selbständiger Möbelhändler. Eine Zeit, die er bis heute nicht missen möchte – und aus der er viel Know-how in den elterlichen Betrieb zurückgebracht hat. Auch seine Schwester ging zunächst ganz andere Wege, heute unterstützt sie ihre beiden Brüder mit Spaß im Büro. Einzig der Jüngste der Rumpfingers hat nie wirklich Interesse gezeigt und sein berufliches Glück in einer ganz anderen Branche gefunden. Aber auch das, sagt Elisabeth Rumpfinger, „ist ein schönes Gefühl“.