Betriebsprüfung: Unter Verdacht

Aktuelle Urteile und Prozesse zeigen: Die Finanzämter unterstellen immer öfter „verdeckte Gewinnausschüttungen“ und fordern hohe Steuernachzahlungen. Davor können sich Handwerker schützen.

  • Bild 1 von 3
    © Illustration: enisaksoy/iStockphoto
    Kosten rauf, Gewinne runter. Diese Faustformel hinterfragt der gefräßige Steuerstaat.
  • Bild 2 von 3
    © Illustration: enisaksoy/iStockphoto
    Spiel mit dem Feuer: Handwerker, die Privates über die Firma laufen lassen, leben gefährlich.
  • Bild 3 von 3
    © WWS
    „Sicher sind Unternehmer, wenn die Tantieme maximal 25 Prozent der Gesamtvergütung beträgt.“ Dr. Stephanie Thomas, ­Fachanwältin für Steuerrecht bei WWS, Mönchengladbach.

Der Unternehmer redete sich den Mund fusselig. Ja, er habe seiner Schwiegermutter ein Auto geschenkt und das Geld dafür vom Firmenkonto genommen. Trotzdem habe er nie die Absicht gehabt, die Zahlung als Betriebsausgaben steuerlich geltend zu machen. Der Vorgang sei nur aus Versehen als „durchlaufender Posten“ und nicht als „Verbindlichkeit des Gesellschafters“ gegenüber der Firma gebucht worden. Doch es half nichts: Weder die Finanzbeamten noch die Richter des Bundesfinanzhofs (BFH), die vor wenigen Wochen in letzter Instanz über den Fall entschieden, glaubten dem Mann. Alles spreche dafür, „dass die private Veranlassung der Zahlungen von vornherein verschleiert werden sollte“, heißt es in dem Urteil (Az.: VIII R 45/11). Sie seien deshalb als „verdeckte Gewinnausschüttungen“ (vGA) zu werten. Wer die Rechtsprechung an Deutschlands Finanzgerichten beobachtet, stellt fest: Immer wieder streiten Finanzbeamte und Unternehmer wie die Kesselflicker über vermeintliche vGA. Ob bei hohen Geschäftsführergehältern, großzügigen Pensionszusagen oder eben Privatgeschäften über die Firma: Schnell steht der Vorwurf im Raum, dass Geschäftsführer Gewinne aus dem Unternehmen geschleust haben. Besonders auf dem Kieker haben Betriebsprüfer GmbH-Geschäftsführer, die mehr als 50 Prozent der Anteile halten und deshalb einen „beherrschenden Einfluss“ ausüben. Allerdings schießen die Beamten immer wieder übers Ziel hinaus und werten auch normale geschäftliche Vorgänge als vGA – was teure Folgen hat, weil hohe Steuernachzahlungen fällig sind (siehe Kasten Seite 60). Doch welche Gestaltungen sind besonders riskant? Worauf müssen Unternehmer achten? Und wann sollten sie sich gegen die Annahmen des Fiskus wehren?

Rente mit 63? Vorsicht!

Verdacht schöpfen Staatsdiener zum Beispiel bei großzügigen Pensionsregelungen. Meist geht es aber nicht um die Rentenhöhe – hier sind die meisten Geschäftsführer vorsichtig, weil es klare Grenzen gibt: „Die zugesagte Pension darf zusammen mit etwaigen gesetzlichen Rentenansprüchen maximal 75 Prozent der laufenden Geschäftsführerbezüge betragen“, sagt Stephanie Thomas, Geschäftsführerin der Kanzlei WWS in Mönchengladbach. Höhere Beträge seien allenfalls zulässig, wenn der laufende Aufwand für die Altersvorsorge einschließlich etwaiger Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung unter der Grenze von 30 Prozent des Gehalts liegt, erläutert Michael Oltmanns, Partner der Kanzlei Menold Bezler in Stuttgart.

Streit gibt’s dagegen häufig um Pensionszusagen auf den letzten Drücker oder gebrochene Vereinbarungen, wie gleich mehrere aktuelle Urteile zeigen. So erhielt der Geschäftsführer eines saarländischen Betriebs mit 58 Jahren eine Zusage, der zufolge er zehn Jahre später ausscheiden und fortan monatlich 1500 Euro kassieren sollte. Doch dann stieg er bereits mit 63 Jahren aus und übertrug die Firma auf seinen Sohn. Das Finanzamt erkannte die Pen­sionsrückstellungen, die das Unternehmen gebildet hatte, daraufhin nicht mehr an – und unterstellte zugleich vGA in Höhe der „Einkommensminderungen“, zu denen es durch die Rückstellungen gekommen war. Zu Recht, wie der Bundesfinanzhof 2014 entschied (Az.: I R 76/13). Bei beherrschenden Gesellschaftern, so die obersten Finanzrichter, müssen zwischen Zusage und Rentenbeginn mindestens zehn Jahre liegen. Nur dann sei eine Pension auch im Interesse der Firma, weil Geschäftsführer sich das Geld noch „aktiv erdienen“ müssten. Außerdem müssten Pensionsvereinbarungen eingehalten werden. Basta.

Wie wichtig das ist, zeigt auch ein Fall aus dem Rheinland: Dort erhielt ein Geschäftsführer an seinem 60. Geburtstag seine Pension in Form einer Einmalzahlung von mehr als 430 000 Euro – arbeitete aber unverdrossen weiter. Auch hier konstatierten die Behörden eine vGA: Die Pensionszusage sei nicht eingehalten worden, weil die Auszahlung darin ans „Ausscheiden“ geknüpft wurde. Der BFH sah das in letzter Instanz genauso (Az.: I R 89/12).

Die Besonderheit in diesem Fall: Trotz eines Anteils von genau 50 Prozent stuften sowohl das Finanzamt als auch der BFH den Mann als „beherrschenden“ Gesellschafter ein, was zu besonders strengen Prüfungskriterien führte. Dies sei normalerweise erst jenseits der Schwelle geboten, aber in diesem Fall gebe es „gleichgerichtete Interessen“ mit dem anderen 50-Prozent-Teilhaber, da dieser dieselbe Pensionszusage erhalten habe.

Das zeigt: Für Geschäftsführer mit beherrschendem Einfluss ist es besonders wichtig, die Vereinbarungen in der Pensionszusage einzuhalten. Das gilt selbst dann, wenn sie der Firma Gutes tun wollen und auf einen Teil ihrer Pension verzichten. Das Finanzamt könne bei Geschäftsführern dann einen steuerpflichtigen Zufluss in Höhe des Verzichts unterstellen, warnt Oltmanns. Darüber hinaus raten Experten, die „Erdienensfristen“ genau einzuhalten: „Wird eine Zusage erteilt oder aufgestockt, muss ein beherrschender Gesellschafter noch mindestens zehn Jahre für die Firma arbeiten“, sagt Thomas von WWS. Ohne beherrschenden Einfluss reichen drei Jahre – vorausgesetzt, der Geschäftsführer arbeitet zum Zeitpunkt der Zusage bereits neun Jahre fürs Unternehmen.

Hohe Gehälter und Tantiemen

Der Klassiker bei verdeckten Gewinnausschüttungen sind überhöhte Geschäftsführergehälter. Doch überraschenderweise gibt es zu dieser Frage in letzter Zeit weniger Gerichtsprozesse als etwa zum Thema Pensionszusagen. Ein Grund dafür dürfte sein, dass vGA in diesem Bereich für den Fiskus weniger lukrativ sind, seit 2009 die Abgeltungssteuer eingeführt wurde. Das sollte aber niemand als Freibrief bei Geschäftsführergehältern missverstehen. „Unternehmen sollten sich unbedingt an den Werten orientieren, die die Finanzbehörden als angemessen einstufen“, rät Oltmanns. Dazu sind mehrere Tabellen im Umlauf, die angemessene Gehälter für verschiedene Branchen und Unternehmensgrößen auflisten. Eine gute Orientierung bieten beispielsweise die Zahlen der Oberfinanzdirektion Karlsruhe aus dem Jahr 2009, denen zufolge bei Handwerksbetrieben mit bis zu 20 Mitarbeitern und bis zu 2,5 Millionen Euro Jahresumsatz 2009 Gehälter von 102 000 bis 145 000 Euro als angemessen galten (Az.: S 274.2/84 – St 221).

Seither werden die Beträge jährlich um drei Prozent erhöht, inzwischen liegt die Angemessenheitsgrenze deshalb bei 114 240 bis 162 400 Euro. Doch Vorsicht: Wer nur zehn Mitarbeiter hat und eine Million Euro Umsatz macht, sollte nicht das obere Ende der Skala wählen. Zudem sollten Unternehmen den „Halbteilungsgrundsatz“ berücksichtigen, rät Thomas. Demnach darf die gesamte Geschäftsführervergütung 50 Prozent des Jahresüberschusses vor Steuern nicht übersteigen.

Die Firma bin ich!

Ein Auto für die Schwiegermutter dürfte die Ausnahme sein, aber klar ist: Viele Unternehmer neigen dazu, die eigenen Interessen mit denen der Firma zu vermischen – frei nach dem Motto: Die Firma bin ich. Juristisch sieht die Sache jedoch anders aus: Wer private Dinge über die Firma kauft und als Betriebsausgaben geltend macht, muss mit einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung rechnen. Allerdings gibt es immer wieder Zweifelsfälle, bei denen unklar ist, ob die Ausgabe im privaten oder betrieblichen Interesse ist. Das zeigt ein Fall aus Niedersachsen, wo eine GmbH ihren beiden Geschäftsführerinnen die Prämien für eine „Honorarausfallschutz- bzw. Betriebsunterbrechungsversicherung“ zahlte. Für das Finanzamt eine glasklare vGA: Da die Versicherung „persönliche Risiken“ wie krankheitsbedingte Ausfälle abdecke, sei sie in erster Linie im Interesse der Chefinnen.

Falsch, sagte das Niedersächsische Finanzgericht: Empfängerin etwaiger Versicherungsleistungen sei die Firma. Und es liege nun einmal im Interesse des Unternehmens, sich gegen Betriebsunterbrechungen wegen des Ausfalls von Führungskräften abzusichern. Somit werde in erster Linie ein betriebliches Risiko abgesichert, von einer verdeckten Gewinnausschüttung könne keine Rede sein (Az.: 6 K 107/11).

Gefährliches Terrain sind darüber hinaus Verträge, die Geschäftsführer als Privatperson mit ihrer Firma abschließen – zum Beispiel, wenn sie Räume vermieten. Kredite gewähren oder Angehörige beschäftigen. Dann müssen marktübliche Konditionen vereinbart werden.

Und Vorsicht: Bei allzu dreisten Tricksereien droht außerdem ein Steuerstrafverfahren, warnt Oltmanns. Besonders gefährdet seien Unternehmer, die zum wiederholten Mal mit vGA auffallen. „Hier drohen bereits bei überschaubaren Abweichungen von fremdüblichen Konditionen strafrechtliche Konsequenzen.“