Bestatter verhaftet

Siegfried Lang, Geschäftsführer der Juricon GmbH in Berlin kann einstweilen keine Firmen mehr ausschlachten. Er wurde Ende August verhaftet. Die Warnung vor Firmenbestattern bleibt. Sie ziehen zahlungsunfähigen Unternehmen das letzte Geld aus der Tasche. In der irrigen Annahme, damit wenigstens alle Sorgen los zu sein, werden die Geschäftsführer der insolventen Firmen später dennoch zur Rechenschaft gezogen, weil sie beim Gericht keinen Insolvenzantrag gestellt haben. Dabei gibt es mit Sanierung oder Planinsolvenz hilfreiche Rettungsanker in der Krise.

Bestatter verhaftet

Razzia am Morgen: Ein Trupp aus Staatsanwälten und Mitarbeitern des Berliner Landeskriminalamts schlug zu. Zeitgleich wurden bundesweit bei 21 Adressen Geschäftsräume sogenannter Firmenbestatter durchsucht, die zahlungsunfähigen Unternehmen noch das letzte Geld aus der Tasche ziehen und deren Chefs vollends in den Ruin treiben.

Im Mittelpunkt der Berliner Aktion war Siegfried Lang (74), Geschäftsführer der Juricon GmbH. Neben ihm wurde gegen 36 weitere Personen ermittelt. Gewerbsmäßige Untreue, Insolvenzverschleppung, Bankrott und andere Straftaten sollen sie im großen Stil begangen haben. Sie köderten überschuldete oder zahlungsunfähige Unternehmen mit dem Angebot eines Befreiungsschlags. Die Betriebe samt Schulden wurden per Notarvertrag zum symbolischen Preis von einem Euro an den jeweiligen Bestatter verkauft. Der setzte einen neuen Geschäftsführer ein. Doch dieser oder diese waren regelmäßig nur Strohmänner und -frauen. „Es handelte sich dabei regelmäßig um nicht qualifizierte und vermögenslose Personen“, berichtet Michael Grunwald von der Staatsanwaltschaft Berlin. Für ihren dubiosen Job bekamen sie ein Handgeld von 500 Euro.

Der bisherige Inhaber zahlte die geplante Abwicklung bar – von 5000 bis 10000 Euro ist die Rede. „Die Geschäftsunterlagen wurden übernommen, anschließend eingelagert und waren häufig nach kurzer Zeit unauffindbar“, so Grunwald weiter. Siegfried Lang, so die Ermittlungen, hatte für diese Deals eigens ein „Treuhandkonto“ eingerichtet. Über dieses wurden noch offene Forderungen der zu bestattenden Unternehmen eingetrieben sowie Ein- und Auszahlungen bar vorgenommen. „Es besteht der Verdacht, dass der 74-Jährige die ... eingegangenen Gelder für eigene Zwecke zum Nachteil der öffentlichen und privaten Gläubiger verwendet hat“, so Grunwald. Die Hoffnung der Bestatterkunden, mit dem Verkauf ihrer insolventen Firmen wenigstens alle Sorgen losgeworden zu sein, ist jetzt als Seifenblase geplatzt. Da sie im Vertrauen auf die Abwicklung nach Eintritt der Überschuldung nicht fristgerecht Insolvenzanträge gestellt haben, werden sie zivil- und strafrechtlich direkt belangt. Auch bei maroden GmbHs ist hierbei der Durchgriff aufs gesamte Privatvermögen des Geschäftsführers inbegriffen.

Im jetzigen Großverfahren, das die Razzia in Berlin ausgelöst hat, werden insgesamt 274 Unternehmensverkäufe strafrechtlich überprüft. Wie hoch der Gesamtschaden ist, stand bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht fest. Allein der vorläufig bei 15 bestatteten Unternehmen ermittelte Schaden, der zum Haftbefehl gegen Geschäftsführer Siegfried Lang führte, wird mit 740000 Euro beziffert.

Betrogene Handwerker

In Radebeul bei Dresden wurden Handwerksbetriebe mit einem Schaden von zusammen 200000 Euro betrogen. Der Geschäftsführer einer Bauträger-GmbH war bei der Auftragsvergabe unter seiner bisherigen Firmierung besonders einfallsreich: Beim letzten Auftrag für sein Privathaus und für eine bereits verkaufte Immobilie leistete er zwar zunächst die vereinbarten Abschlagszahlungen, schob dann aber Mängelrügen vor und verweigerte die Schlusszahlungen. Nach fast zweijähriger Prozessdauer, abgewiesenen Mängelrügen und Urteil gegen den Bauträger hatten die Handwerker zwar gerichtlich gewonnen. Doch jetzt verhökerte der Geschäftsführer die GmbH an Juricon. Sämtliche Ansprüche waren damit auf Firmen mit nicht zustellbaren Anschriften und dubiosen Geschäftsführern übergegangen.

„Allein wir haben dadurch über 25000 Euro verloren“, schimpft Henry Miertschink, Geschäftsführer der Dachblitz GmbH in Dresden (www.dachblitz.de) und Obermeister der dortigen Dachdeckerinnung. Dies ist ein Viertel seines Auftrags von 100000 Euro. „Auch ein Unternehmen wie unseres, mit 25 Beschäftigten und einem jährlichen Umsatz von 2,5 Millionen Euro, trifft das hart.“ Henry Miertschink und seine Kollegen der anderen Handwerksbetriebe haben jetzt nach der Verhaftung von Juricon-Chef Siegfried Lang die leise Hoffnung auf wenigstens teilweisen Ersatz des Forderungsausfalls. Sein Rechtsanwalt und die Staatsanwaltschaft Dresden jedenfalls sind an der Sache dran.

Auch die Notarkammer Berlin hat ein Auge auf unlautere Geschäfte von Firmenbestattern. Schließlich waren es Vertreter ihrer Zunft, die die Firmenabtretungen von Juricon beurkundet hatten. „Es kann in solchen Fällen Anhaltspunkte geben, bei denen der Notar stutzig werden und im Fall der Firmenbestattung die Beurkundung ablehnen muss“, sagt Notar Peter M. Gläser, Geschäftsführer der Kammer, noch etwas vorsichtig. Doch auf Nachfrage von handwerk magazin geht er ins Detail und beschreibt solche Verdachtsmomente: Kaufende Firma ist häufig eine Limited. Sie kauft nicht das zahlungsunfähige Unternehmen, sondern lässt sich isoliert deren Vermögen und Schulden abtreten, um nicht ihrerseits zum Insolvenzschuldner zu werden. Dann wird – wie gehabt – der Geschäftsführer ausgetauscht. Irgendwelche Sanierungsmaßnahmen werden im Bestatterfall nicht einmal erwogen, Insolvenzantrag bei der Abtretung auch nicht gestellt. Kommen solche Punkte geballt zusammen, muss der Notar hellhörig werden.

Verlässliche Hilfe

Dass trotz allem immer wieder in Not geratene Unternehmer auf Firmenbestatter hereinfallen, ist für Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Han Christian Jung
im bayerischen Asbach-Bäumenheim (www.putsche-jung.de) zumindest verständlich: „Viele sind nicht nur finanziell, sondern auch psychisch am Ende, wenn sie sich die Zahlungsunfähigkeit ihres Betriebes eingestehen müssen.“ Und genau in dieser Situation sind sie willfährige Opfer von Firmenbestattern, die in Kleinanzeigen Rettung versprechen, aber nur auf ihren eigenen Profit aus sind.

Zusammen mit Herbert Reithmeir, DLS Unternehmensberatung in Augsburg (www.dls-berater.de), bietet er verlässliche Hilfe an. Die kann im günstigen Fall zur Sanierung des angeschlagenen Unternehmens führen, im weniger güns-tigen wenigstens zu einer sauberen Abwicklung. Planinsolvenz heißt das Konzept für den zweiten Fall (siehe Kasten). Ein Kostenrisiko geht der Betrieb dabei nicht ein. „Wir bieten ihm erst einmal die unentgeltliche Erstberatung“, sagt Jung. Danach bekommt der Mandant ein Pauschalangebot für die Sanierung oder für die Abwicklung. Beim kleinen Handwerksbetrieb mit fünf Mitarbeitern kann das je nach Fall, Qualität der Buchführung etc. etwa zwischen 6000 und 15000 Euro liegen. „Oft aber“, so Rechtsanwalt Han Christian Jung, „beteiligen sich Gläubiger, wie Banken, daran, weil sie wissen, dass sie auf diesem Wege in den meisten Fällen weniger verlieren.“ K

harald.klein@handwerk-magazin.de