Best Practice: Schnell und individuell

Die IHM, die diesen Monat stattfindet, zeigt Erfolgsbeispiele der Digitalisierung. Wir präsentieren drei ausstellende Handwerksbetriebe vorab, die erfolgreich Produktkonfiguratoren im Internet einsetzen.

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    „Gegen den Trend im Einzelhandel bei Renovierungen boomte bei uns die Nachfrage vor Weihnachten.“ Malermeister Sebas­tian Alt und Monja Weber, Gründer von kolorat.de, einer Plattform für individuelle Wandfarben.
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    © Christian Hüller
    „Unsere Anwendung prüft die Eingaben der Kunden automatisch auf orthopädische Plausibilität.“ Orthopädieschuhmachermeister Christoph Mätzold, ­Gründer von myonso.de, einer Plattform für individuelle orthopädische Schuheinlagen.
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    © Tim Wegner
    „Der zentrale Erfolgsfaktor liegt darin, konsequent die Kundenperspektive einzunehmen.“ Julia Kasper, ­ Gründerin von holzgespuer.de, einer Plattform für individuelle Premium-Möbel.

Wir bieten mehr als eine Million unterschiedliche Konfigurationen“, erklärt Orthopädieschuhmachermeister Christoph Mätzold. Der 32-jährige Leipziger startete vor einem Jahr die Online-Plattform myonso.de. Dort können Endverbraucher sich ihre individuellen Schuheinlagen konfigurieren und bestellen. Und zwar nicht nur in unterschiedlichen Farben, sondern auch aus orthopädischer Sicht: Der Konfigurator fragt ihr Schmerzbild am Fuß ab. Zusätzlich können Kunden Fotos, einen Scan vom Fuß oder die Daten vom Arzt per WhatsApp schicken. Der Preis: zwischen 89 und 119 Euro pro Einlage. Über 100 Paare fertigt Mätzold pro Woche. Tendenz steigend. Der Handwerksmeister in der fünften Generation, dessen Betrieb seit 128 Jahren besteht, ist kein Einzelfall: Ob individuelle Treppen, Möbel, Inneneinrichtungen oder Farben – immer mehr Betriebe bieten ihre Produkte und Einzelanfertigungen auch über Online-Konfiguratoren im Internet an. Was man überwiegend von Automobilherstellern und Gebrauchtwagenbörsen kennt, ist jetzt im Handwerk angekommen.

Nicht im Perfektionismus verlieren

Allerdings: Nicht selten ergänzt durch weitere Services und Dienstleistungen. Seit ebenfalls einem Jahr betreibt Julia Kasper die Plattform holzgespuer.de. Dort können Interessierte eine eigens entwickelte Kollektion von edlen Tischen und Bänken nach ihren Vorstellungen dreidimensional konfigurieren: Holzart, Größe, Höhe, Breite. Nach Abschluss bekommen die Kunden per Mail eine persönliche Videobotschaft, die ihnen die Baumstämme und deren Maserung zeigt, aus denen die Tischplatte geschnitten werden kann. Auch hier können die Kunden wählen. Mittlerweile werden über fünf Tische pro Monat geordert. Das Online-Angebot hat sich aus ihrer gleichnamigen Tischlerei im rheinland-pfälzischen Rhens entwickelt. Nur sieben Monate dauerte die Realisierung des Online-Angebots.

Für IT ist das rekordverdächtig. Ein anderes Handwerksprojekt, die Plattform kolorat.de, auf der sich Kunden ihre Wandfarbe individuell zusammenstellen und zusenden lassen können, benötigte 14 Monate zur Realisierung. Zwei Jahre arbeitete Christoph Mätzold an myonso. Die Investitionen beliefen sich bei allen drei Projekten auf einen höheren fünfstelligen Betrag, einmal auf lediglich 50 000 Euro. Die Finanzierung erfolgte bis jetzt ausschließlich mit Eigenmitteln, obwohl „die KfW mehrfach anrief“, sagt Mätzold. Überschaubare Teams und kleine, wendige Dienstleister und Agenturen aus der Region sicherten die hochwertige Umsetzung mit kleinen oder mittleren Budgets. Hinzu kommt: „Man darf sich nicht im Perfektionismus verlieren“, sagt Malermeister Sebastian Alt, zusammen mit Monja Weber einer der Gründer von kolorat.de. Ihr Motto: „Starten und testen, loslegen und lernen.“

Content-Marketing zieht Kunden

Auch beim Marketing: „Wir kämpfen, um bei Google auf die erste Ergebnisseite zu kommen“, meint Julia Kasper von holzgespuer.de. Ihr Weg dahin: „Die Kundenperspektive einnehmen und relevante Inhalte anbieten“. Die Suchphrase „Esstisch für 10 Personen“ bringt am meisten Google-Traffic auf die Seite. Über 6 000 Besucher verzeichnet myonso.de monatlich, dank Sucheingaben wie „Schmerzen unter der Ferse“ (der Spitzenreiter) oder Fachbegriffen wie „Sesamoiditis“ (Schmerzen beim Sesambein). Die Webseite bietet Informationen zu Symptomen, Ursachen, Therapien. Spitzentag bei kolorat.de ist der Donnerstag. Dann gehen die meisten Bestellungen ein. Die Kunden wollen am Wochenende streichen, da muss die Farbe am Samstag früh vor der Tür stehen. „Gegen den Trend im Einzelhandel bei Renovierungen boomte bei uns die Nachfrage vor Weihnachten“, freut sich Gründerin Weber. Jede Farbe wird auf Bestellung individuell für den Kunden gemischt. Die Eimer landen in einer Spezialverpackung, einmal am Tag holt DHL die Sendungen ab.

Zusatznutzen schafft Stammkunden

Damit die Kunden optimal planen können, bietet kolorat.de eine Farbberatung an: Der Kunde beantwortet online eine Reihe von Fragen zu seinen Vorstellungen. Auf Grundlage dieser Angaben entwirft kolorat.de drei persönliche Farbkonzepte mit Farbmusterkarten. Kostenpunkt für den Empfänger: 25 Euro inklusive 5 Euro Gutschein für eine spätere Farbbestellung. Über die Hälfte der Besteller ordert nach drei bis vier Tagen dann ihre erste Farblieferung. Etwa 20 Prozent der Kunden sind bereits bei ihrem zweiten Auftrag – die ersten Stammkunden.

Die digitalen Highlights

Innovationen, digitale Lösungen, Erfolgsbeispiele: Die IHM widmet sich in diesem Jahr komplett der digitalen Zukunft des Handwerks.

Fokus. Handwerk 4.0. Die neue Sonderfläche „Fokus. Handwerk 4.0“ in Halle C2 ist der ideale Ort, um sich über digitale Trends im Handwerk auszutauschen. Hier ist auch das Fachforum mit spannenden Vorträgen rund um die Digitalisierung eingebunden. Aussteller und Dienstleister bringen Ihnen dabei die digitale Welt näher.

Land des Handwerks. Im Land des Handwerks in Halle C2, Stand 103 finden Besucher der IHM die besten und herausragendsten Betriebe Deutschlands: Vom Online-Wunsch-Möbel-Tischler über modernste E-Gitarren bis zum Hybridhaus ohne tragende Innenwände.

Sonderschau „Innovation gewinnt!“. Auf dem Messestand mit den drei hohen orangefarbenen Türmen warten zwölf zum Teil zum Patent angemeldete Produkt- und Dienstleistungsinnovationen unterschiedlichster Gewerke aus ganz Deutschland auf ihre Entdeckung. Sowohl für den Fachbesucher als auch für private Messebesucher zukunftsweisende Neuheiten.

Das neue E-Haus. Eine Weltpremiere: Das E-Haus ist in seiner neuesten Version auf dem Stand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) in Halle C2 zu sehen und damit intelligente Gebäudetechnik, die es im wahrsten Sinne des Wortes in sich hat.

Alle wichtigen Informationen zur Messe: ihm.de/fachbesucher
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