Besser leben mit Tieren

Psychologie | Glücklich, gesund, ausgeglichen das sind die Menschen im Umgang mit Tieren. Beide profitieren davon. Auch bei seelischen und körperlichen Leiden können Tiere helfen.

„Tiere im Haushalt wirken wie ein Katalysator fürs Wohlbefinden des Menschen.“Erhard Olbrich ist von der Hilfe der Tiere überzeugt. - © Erhard Olbrich

Besser leben mit Tieren

Ein Dackel als Therapeut das klingt witzig, hat aber einen ernsten und ganz realen Hintergrund: Die elfjährige Andrea hatte den größten Teil ihres Lebens in Kinderheimen zugebracht, weil sie aggressiv und ständig verhaltensauffällig war. Mehrmals war sie in psychiatrischer Behandlung, ohne Erfolg. Diagnose: Borderline-Persönlichkeitsstörung, bei der sich Ängste vor Nähe und Ängste vor dem Alleinsein ständig abwechseln können. Bis sie eines Tages in ein Haus kam, wo Kinder und Tiere zusammenlebten. Dort traf sie den Dackel einer 76-jährigen Dame, die ihren Liebling nicht mit ins Altenheim nehmen durfte. Der kleine Racker war total verwöhnt, trauerte seinem Frauchen hinterher und winselte. Bis Andrea ihn entdeckte und sich sofort liebevoll um ihn kümmerte. Sie tröstete ihn, sorgte mithilfe der Erzieherin fürs Futter und führte ihn Gassi. Allmählich ging sie auch mit den anderen Kindern im Heim freundlich um. Als einige Zeit später ihr Psychiater vorbeikam, war er nur noch erstaunt: „Sie ist völlig gesund“, konnte er feststellen.

„Hier ist eine Jalousie der Emotionen hochgezogen worden“, freut sich Erhard Olbrich, Professor für Psychologie in Freiburg. Er befasst sich schon seit Mitte der 1990er-Jahre speziell mit den wohltuenden seelischen und körperlichen Beziehungen zwischen Mensch und Tier. Vor allem Psychologen, Tierärzte und Sozialarbeiter haben seine Kurse in tiergestalteter Therapie und Pädagogik besucht, um sein Wissen und seine Erfahrung in ihrem Berufsalltag umzusetzen.

„Oft genügt schon die Anwesenheit etwa eines Hundes oder einer Katze in der Nähe des Menschen“, weiß Olbrich. „Das wirkt wie ein Katalysator fürs Wohlbefinden.“ Von ihnen gehen positive sozio-emotionale Effekte aus. Sie haben einen sehr feinsinnigen Instinkt dafür, wie es dem Menschen geht, der ihnen das Futter gibt ob er sich freut, gestresst oder traurig ist. Sie versuchen, mit ihrer nonverbalen Kommunikation zu helfen und schaffen das meistens auch.

„Bereits das Aufwachsen mit Tieren ist gut“, weiß Olbrich. „Kinder lernen so schon früh, mit diesen hilflosen Wesen verantwortlich umzugehen. Damit verbunden ist der Effekt, der auch den späteren Erwachsenen noch nützt: „Wer mit Tieren groß geworden ist, kann auch die Emotionen von Menschen besser verstehen und wird sozial bevorzugt“, weiß der Wissenschaftler.

Medizinische Beweise

Die Heilwirkung von Tieren ist auch medizinisch belegt. Erhard Olbrich weist in seinen Vorträgen auf zum Teil umfangreiche medizinische Studien hin, die das eindrucksvoll belegen:

Etwa die repräsentative Untersuchung bei 10000 Personen daraufhin, wie oft sie mit Beschwerden ihren Arzt konsultierten. Das gute Drittel der Testpersonen, die mit einem Haustier zusammenleben, hatte sieben Prozent weniger Arztbesuche im Jahr.

Die zweite Studie zum längeren Überleben nach einer Herzattacke in den USA fiel noch deutlicher aus. Von den 92 beobachteten Patienten hatten 53 ein Haustier gehabt. Ein Jahr nach der Herzattacke waren 14 Patienten verstorben. Darunter nur drei aus der Testgruppe der Tierhalter, die restlichen elf aus der kleineren Gruppe ohne Haustiere. Die Überlebenschance nach einem Jahr betrug
also 95 Prozent bei den Tierhaltern und nur 72 Prozent bei den anderen Patienten, die ohne Tier wohnten.

Auch das dritte Beispiel bestätigt, wie sehr Tiere Menschen helfen. In einer weiteren US-Studie wurden 4957 Testpersonen in eine Klinik eingeladen. 784 von ihnen lebten mit einem Haustier zusammen. Das Ergebnis: Die Tierhalter hatten keinen Bluthochdruck, bessere Blutwerte. Selbst die Männer unter den Probanden mit Tieren, die sich regelmäßig mit fettem Fast Food ernährten, hatten niedrigere Cholesterolwerte als die Getesteten ohne Hund. „Sicher hat hier auch die täglich mehrmalige Bewegung eine positive Rolle gespielt“, räumt Erhard Olbrich augenzwinkernd ein.

Wie sehr auch schon ein kurzer Kontakt mit Tieren Menschen helfen kann, zeigt das Beispiel des Vereins „Die Streichelbande“ in München. Die Mitglieder besuchen mit ihren Hunden Senioren in Altenheimen und zu Hause, Kinder in Kindergärten, Schulen und in Heimen.

„Der Sinn liegt darin, mit den zuvor auf ihr umgängliches Wesen getesteten, sehr braven Hunden, diesen Menschen Freude und Wärme zu bringen“, berichtet Christiane Vidacovich, erste Vorsitzende des Vereins. „Das Streicheln unserer Tiere bringt gerade den Senioren Abwechslung in ihren Alltag und Erinnerungen an die Vergangenheit.“ Manche dementen Menschen werden durch die Besuche der Hunde geistig angeregt und kommen dadurch wieder in Kontakt mit der Welt.

Besuch bei Behinderten

Neben den Senioren besuchen die Mitglieder und ihre Hunde auch behinderte Kinder und Erwachsene. Die Arbeit mit diesen Menschen und den Tieren wirkt positiv auf deren körperliche Beweglichkeit und geistige Präsenz. Außerdem veranstaltet der Verein Streichelbande gerade mit den behinderten Menschen Ausflüge in die nahe Umgebung und den Tierpark. Hier können diese die Hunde auch im Rollstuhl an der Leine führen.

Die Besuche in Kindergärten, Horten und Schulen haben auch hier den Sinn, schon den Kindern den Umgang mit Tieren nahe zu bringen. Sie bekommen, nach dem Kennenlernen, beigebracht, wie sich die Tiere Menschen gegenüber äußern, dürfen die Hunde an der Leine führen und mit ihnen spielen.

Mit welcher Tierart Menschen leben, ist eher zweitrangig. Ob Hund, Katze, Kaninchen, Meerschweinchen wichtig ist der möglichst alltägliche Umgang in unmittelbarer Umgebung. Von der wechselseitigen Fürsorge profitieren beide.

harald.klein@handwerk-magazin.de