Gesetzesänderung Berufskrankheitenrecht: Was sich zum 1. Januar 2021 ändert

Zugehörige Themenseiten:
Arbeitsschutz und Gesundheit und Berufskrankheiten

Am 7. Mai 2020 hat der Deutsche Bundestag das „Siebte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ (7. SGB IV-ÄndG) beschlossen. Eine der wichtigsten Änderungen betrifft das Recht der Berufskrankheiten. Die wichtigsten Neuerungen für Unternehmer und Mitarbeiter im Überblick.

Änderungen im Berufskrankheitenrecht
Änderungen im Berufskrankheitenrecht: Das Wegfallen des Unterlassungszwangs und mehr Transparenz werden begrüßt. - © MQ-Illustrations - stock.adobe.com

Rechtliche Grundlage für die Entschädigungsleistungen bei einer beruflich bedingten Erkrankung ist die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Diese wird mit Jahresbeginn 2021 in einigen Punkten geändert, die sowohl für die Unfallversicherungsträger wie auch von einer Berufskrankheit betroffene Beschäftigte relevant sind.

BKV-Verordnung: Diese Punkte wurden neu geregelt

Wesentliche Kritikpunkte im bisherigen Berufskrankheitenverfahren sind mangelnde Transparenz und eine lange Bearbeitungsdauer. Beides soll sich durch die neugefasste BKV verbessern Das sind die wesentlichen Änderungen, die zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Der Gesetzestext ist im vollen Wortlaut auf den Seiten des BMAS nachzulesen.

  • Wegfall des Unterlassungszwangs
    Bisher galt für bestimmte Berufskrankheiten die Vorgabe, dass ein erkrankter Mitarbeiter mit Verdacht auf eine bestimmte Berufskrankheit keine Arbeiten mehr durchführen darf, bei denen das Risiko besteht, dass die Krankheit sich verschlimmert oder wiederauflebt. Wenn jemand gegen diesen Unterlassungszwang verstößt, kann seine Erkrankung juristisch nicht mehr als Berufskrankheit anerkannt werden. Dies betrifft neun Berufskrankheiten, etwa schwere Hautkrankheiten, einige Atemwegserkrankungen oder vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen.

    Diese Regelung führte dazu, dass Mitarbeiter manchmal trotz Erkrankung weiter zur Arbeit erschienen sind, weil sie arbeitslos oder mit einer geringen Entschädigung finanziell deutlich schlechter gestellt gewesen wären. Den Berufsgenossenschaften hat dies gewaltige Summen eingespart, für die Betroffenen war die Belastung dagegen oft groß. Durch die Neuregelung haben Beschäftigte somit künftig trotz einer Berufskrankheit die Möglichkeit, an ihrem bisherigen Arbeitsplatz weiterzuarbeiten.
  • Mitarbeiter muss bei Prävention mitwirken
    Wenn bei einem Mitarbeiter der Verdacht einer Berufskrankheit besteht, wird dieser verpflichtet, an individual-präventiven Maßnahmen der Berufsgenossenschaft (BG) teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken. Kommt ein Mitarbeiter dieser Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nicht nach, kann der Unfallversicherer Leistungen kürzen, dadurch könnte etwa eine Erwerbsminderungsrennte künftig niedriger ausfallen.
  • Erleichterungen bei der Ursachenermittlung
    Statt der bisherigen Mitgliedsnummer der BG soll jedes Unternehmen eine Unternehmensnummer erhalten. Bis Anfang 2023 soll diese Umstellung vollzogen werden. Da alle Berufsgenossenschaften und Unfallkassen auf das neue Verwaltungssystem zugreifen können, sollen somit die beruflichen Expositionen einfacher und lückenloser rückverfolgbar sein.
  • Expositionskataster für Gefährdungen
    Ebenfalls erleichtert werden soll das Dokumentieren von Expositionen. Denn einige Berufskrankheiten, etwa durch Gefahrstoffe ausgelöste Krebsarten, können noch Jahre oder Jahrzehnte nach der Exposition auftreten. Für Betroffene wird es dann schwer, die Ursache ihrer Berufskrankheit zu belegen. Manchmal existiert der frühere Betrieb gar nicht mehr oder ihr ehemaliger Arbeitgeber hat Daten zu den Gefahrstoffen am Arbeitsplatz nicht erhoben oder nicht sorgfältig dokumentiert und archiviert.

    Daher sollen die Unfallversicherungsträger nun mehr Daten erheben und Arbeitsplätze mit den jeweiligen Gefährdungen in einem Expositionskataster archivieren. Potenzielle Auslöser von Berufskrankheiten sollen somit an zentraler Stelle dokumentiert werden, um auf viele Jahre hinaus abrufbar zu sein. Auch wenn hier kaum jeder einzelne Arbeitsplatz erfasst werden kann, können die gesammelten Erkenntnisse von vergleichbaren Tätigkeiten künftig in den Anerkennungsverfahren berücksichtigt werden.
  • Verbesserte Forschung zu Berufskrankheiten
    Der für die Pflege der Berufskrankheitenliste zuständige Ärztliche Sachverständigenbeirat (ÄSVB) war bisher „nur“ ein ehrenamtliches Gremium. Es tagte etwa vier Mal im Jahr und hatte nur ein geringes Budget. Dadurch dauerte es oft viele Jahre von den ersten arbeitsmedizinischen Befunden zu einem neuen Krankheitsbild bis zur Aufnahme in die Liste der anerkannten Berufskrankheiten. Nun soll die Arbeit des ÄSVB durch eine eigene Geschäftsstelle mit zehn fest angestellten Fachleuten aus Arbeitsmedizin und Epidemiologie gestärkt werden. Bei neuen Erkrankungsformen soll somit künftig schneller geprüft und entschieden werden, ob sie den Status einer offiziell anerkannten Berufskrankheit erhalten.

Unsere Einschätzung: Das Wegfallen des Unterlassungszwangs und mehr Transparenz werden begrüßt. Bemängelt wird, das versäumt wurde, zusätzliche Beweiserleichterungen für Berufskranke zu schaffen, die Nachweishürden für betroffene Arbeitnehmer seien immer noch zu hoch. Ob die Verfahren künftig zügiger ablaufen und ob mehr Betroffene entschädigt werden und die hohe Ablehnquote – nur einer von vier Anträgen kommt durch – bei den Anerkennungsverfahren sinken wird, ist noch nicht absehbar.