Digitale Nachwuchsgewinnung Azubi-Suche: 4 virtuelle Wege, über die Sie Schulabgänger für Ihren Betrieb begeistern

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Ausbildung, Coronavirus, Digitalisierung, Fachkräftemangel und Wachstum

Die Suche nach Auszubildenden ist durch die Coronakrise noch schwieriger als sonst, jetzt startet die heiße Phase für den neuen Azubijahrgang. handwerk magazin stellt vier Wege vor, über die Betriebe aktuell nach Schulabgängern suchen können – und zeigt, wie der Auswahlprozess auf Distanz gelingt.

Claudia und Josef Baumann
Claudia und Josef Baumann führen zusammen die Zimmerei Baumann in Freising. - © Lisa Hörterer

Erst eine, dann zwei – und plötzlich sind es zehn Bewerbungen, die bei Claudia Baumann auf dem Tisch landen. Wie jedes Jahr hat sich die Unternehmerin, die mit ihrem Mann Josef Baumann eine Zimmerei in Freising führt, nach einem Azubi umgesehen und wegen der Coronapandemie im Frühjahr 2020 erst mal alles auf digital gesetzt: Ihr Gesuch platzierte sie auf Plattformen wie „Ausbildung und Handwerk“ sowie Facebook. Von der Resonanz ist sie überrascht: „Wir haben viel mehr Zuschriften erhalten, als wir uns erträumt hatten.“ Nach ersten Kontakten per Mail, in virtuellen Chats und Telefonaten hat sie eine Handvoll Bewerber zum mehrtägigen Praktikum für die finale Auswahl in ihren Betrieb gebeten – und danach zweien einen Azubi-Vertrag ausgehändigt. Baumann freut sich: „Alle Bewerber waren fachlich gut geeignet, und auch die Chemie hat gestimmt.“

Bei der Zimmerei arbeiten heute insgesamt fünf Azubis, drei weitere waren bereits im Betrieb. So viele Auszubildende auf einmal hat es beim Freisinger Betrieb zuvor noch nie gegeben. Da dürften andere Betriebe neidisch werden: Laut einer Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) verzeichnete das Handwerk im Jahr 2019 insgesamt einen Ein­­stellungs­­rückgang bei den Auszubildenden. Die Gründe: Mit 49 Prozent geben gut die Hälfte der Betriebe an, keine geeigneten Bewerbungen erhalten zu haben, 42 Prozent haben wenige bis gar keine Zuschriften bekommen. Ebenfalls interessant: Gut ein Viertel findet die ­Suche nach Nachwuchskräften zu zeit- und kostenintensiv. Als erschwerender Faktor kommt hinzu, dass berufsorientierende Veranstaltungen wegen Corona weitgehend entfallen und auch der reguläre Bewerbungsprozess unter den Distanz­regeln anders verlaufen muss als zuvor.

Deshalb arbeiten Handwerkskammern, Messeveranstalter und Initiativen daran, neue virtuelle Wege zu erschließen, die das übliche physische Kennen­lernen ersetzen sollen: handwerk magazin zeigt die vier wichtigsten Wege, von virtuellen Azubi-Speed-Datings , Orientierungsmessen und Praktika für Schüler im virtuellen Raum bis hin zur bild­reichen Kommunikation auf Instagram .

Social Media: Auf Facebook suchen die Eltern mit

Für Betriebschefin Baumann steht fest: Die digitale Suche im Internet nach jungen Nachwuchskräften klappt – mindestens genauso gut wie klassische Inserate oder die Präsenz auf Berufsmessen. Für Facebook, das sich inzwischen für die junge Zielgruppe als zunehmend unwichtigerer Kanal entpuppt, hat sie sich dennoch entschieden, weil dort insbesondere auch die Eltern nach einem Ausbildungsplatz für ihre Sprösslinge suchen. Claudia Baumann war es außerdem wichtig, bei ihrer Präsentation authentisch zu wirken. „Ich möchte meiner Sprache treu bleiben und mich nicht unglaubwürdig machen“, begründet sie.

Ausgezahlt hat sich für die Betriebs­chefin auch das Gesuch auf der firmen­eigenen Website, dem Google-Business-Profil sowie auf den Online- Plattformen der Agentur für Arbeit und der Ausbildungsplattform der Unternehmerfrauen (ausbildungundhandwerk.de). Die Internetplattform ist eine regionale Initiative der Arbeitskreise Freising, Erding und Landshut, die speziell die Ausbildungsplatzsuchenden im Handwerk anspricht. Manuela Nemela, Vorsitzende des Arbeitskreises Landshut der Unternehmerfrauen im Handwerk, hat sie zusammen mit ihrer Marketingberaterin Birgit John sowie den Vorsitzenden Angelika Huber aus Freising und Claudia Beil aus Erding knapp vor dem ersten Lockdown im März 2020 gegründet. Heute zählt die Plattform 20 Betriebe und zehn unterschied­liche Ausbildungsberufe im Handwerk.

Virtuelle Vorstellungsrunden im Minutentakt

Im vergangenen März feierten die drei Unternehmerfrauen ihre virtuelle Premiere auf der Berufsinformationsmesse Landshut . Im Abstand von wenigen Minuten stellte Manuela Nemela ihre Mitgliedsbetriebe vor. Eine völlig neue Erfahrung für die Unternehmerfrau – begeistert zieht sie ein positives Fazit: „Auch wenn es für die Jugendlichen gerade eine schwere Zeit ist, um die Weichen für die Zukunft zu stellen, zeigen sie dennoch viel Interesse an einer Ausbildung im Handwerk.“

Weg 1: Werben und Kennenlernen auf digitalen Plattformen

Das Remote Recruiting, bei dem sich Bewerber und Betrieb virtuell zum ersten Mal treffen, bieten Plattformen schon lange an – während der Coronapandemie geht es nicht mehr ohne. Der finale Check gelingt jedoch nur im „echten“ Leben.

Mit quietschenden Reifen hetzt die Bewerberin im Auto von Betrieb zu Betrieb. Vor Ort, während der langatmigen Vorstellungsgespräche verbirgt sie ihr Gesicht hinter der Corona-Schutzmaske und sieht auch das Gesicht des Gegenübers nicht, der doch vielleicht bald ihr Chef sein könnte? Die Pandemie macht Azubis und Ausbildungsbetrieben das Kennenlernen nicht gerade leicht, so skizziert der Kurzfilm der Handwerkskammer Dortmund die aktuelle Situation. Und präsentiert, wie es für alle entspannter geht: In einem Azubi-Speed-Dating, das im April und Mai stattfindet, können Bewerber ihre Ausbildungs-Chefs virtuell kennenlernen. Von Angesicht zu Angesicht.

Dass diese ersten optischen Ein­drücke zählen, findet auch Melanie Wenzel von der Handwerkskammer Region Stuttgart. Mit ihrem Team „Ausbildungsbetreuung und Berufsorientierung“ bietet sie seit März gemeinsam mit den Handwerkskammern aus Baden-Württemberg erstmals ein landesweites Blitzkennenlernen an. „Trotz Corona können Betriebe und Nachwuchskräfte so wunderbar zueinanderfinden“, sagt Wenzel.

Den Betrieben in den Regionen nehmen die organisierten Online-Treffs viel Arbeit ab: Im Dating-Portal hinterlegen sie ihr Ausbildungsplatzangebot und bieten den Bewerbern Gesprächstermine über Videochat auf Whatsapp, Zoom oder Teams sowie auch Telefon an. Auf unbekanntes Terrain begeben sich Personalverantwortliche und Azubis in spe dann, wenn es um virtuelle Bewerbungs­gespräche geht. Gute Vorbereitung hilft: Die Handwerkskammer bietet Berufsstartern Web-Seminare an, um sie auf die neue Situation vorzubereiten, schon bevor es zum ersten Kennenlernen kommt.

Einblicke in den Alltag des potenziellen Arbeitgebers erhalten sie über Video-Formate wie zum Beispiel das Azubi-TV von der Handwerkskammer Stuttgart: In zweiminütigen Youtube-Filmen erfahren die Bewerber von jungen Azubis aus der Region Stuttgart, wie es an deren jeweiligem Arbeitsplatz aussieht und was der Beruf erfordert. Für die Betriebe bedeutet das: Sie müssen Video-Inhalte produzieren, um zunächst einmal auf sich aufmerksam zu machen. Wie das gelingt, zeigt das Programm Jobstarter Plus vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Beim Projekt „KliKK-binbereit.de“ erhalten sie kostenlose Videoaufnahmen ihres Betriebs, die auf dem Youtube-Kanal „Ausbildung - Na klar!“ veröffentlicht werden. Der Bäckereibetrieb Back Company ausBergisch-Gladbach hat es getestet. „Wir hätten niemals selbst so für uns werben können, denn wir haben weder die Technik noch das Know-how noch die Ressourcen dafür“, sagt Ausbilderin Gerlinde Müller und spricht damit sicherlich vielen Betriebschefs aus der Seele.

Denn auch wenn die Digitalisierung bei der Personalgewinnung schon vor Corona ein beliebtes Thema war – brisant ist es erst heute. Um die Betriebe beim sogenannten Remote Recruiting zu unterstützen, zieht die private Plattform Aubi-plus im nordrhein-westfälischen Hüllhorst ein Matching-Verfahren heran. Damit will Jörg Böhm, Kundenberater für Ausbildungs­betriebe bei Aubi-plus, sicherstellen, dass Betriebe „mehr Bewerbungen von jungen Menschen erhalten, die hinsichtlich ihrer Identifikation mit den Unternehmens­werten und mit dem angebotenen Ausbildungsberuf richtig gut zu ihnen passen“.

Nachdem Handwerkschef und Azubi zusammengefunden haben, wird es Zeit fürs erste „echte“ Kennenlernen. Dafür schlägt Böhm einen Rundgang im Betrieb vor. „Die Maske stört dabei nicht mehr. Es geht darum, die zwischenmenschliche Chemie zu erspüren.“ Das kann letztlich kein Videogespräch ersetzen.

Checkliste: So gelingt das virtuelle Kennenlernen

Auf der Suche nach Azubis schreiben Betriebschefs ihre Jobangebote am besten auf einer regional aussteuerbaren Plattform aus. Fürs persönliche Kennenlernen eignen sich Video-Tools.

  1. Suchen Sie sich eine Plattform aus, bei der Sie Bewerber in Ihrer Region ansprechen können.
  2. Stellen Sie wichtige Unterlagen wie ein aussagekräftiges Ausbildungsangebot, Firmenlogo und Ansprechpartner zusammen und hinterlegen es auf der Plattform. Viele Anbieter unterstützen Sie dabei mit vorgefertigten Masken sowie einem Kontakt zu einem Ansprechpartner bei der Plattform.
  3. Bleiben Sie nach dem ersten Kennenlernen per Video-Chat mit dem Bewerber in Kontakt . Für die Kommunikation eignen sich auch Telefon oder E-Mail, worüber wichtige Bewerbungsunterlagen ausgetauscht werden können.
  4. Für den finalen Gesamteindruck empfiehlt sich zum Abschluss ein gemeinsamer Rundgang mit dem Bewerber durch den Betrieb. Geläufig ist es in vielen Betrieben auch, ein Kurzpraktikum von circa einer Woche anzubieten. Somit stellen Sie sicher, dass die „Chemie“ zwischen dem Bewerber und dem gesamten Team stimmt

Weg 2: Bei virtuellen Azubi-Messen ausstellen

Für die meisten Aussteller sind digitale Fachmessen laut Umfrage des Messeverbands AUMA bestenfalls eine Notlösung. Bei digitalen Azubi-Messen scheinen die Erfolgsaussichten größer zu sein, allerdings müssen Format und Präsentation passen.

Über 10.000 Jugendliche und Eltern informieren sich jedes Jahr bei der „Langen Nacht der Berufe“ in Hannover über Ausbildungsberufe und Arbeitgeber. Weil diese Bühne wegfiel, haben die Wirtschaftspartner der Region am 30. Oktober 2020 von 17 bis 21 Uhr zum virtuellen Event #bestjobever geladen: „Die Messe hat einen speziellen Charakter, weil die Azubis in den Betrieben die Jobs für die Jugendlichen mit Videos präsentieren“, erklärt Jana Sieke, Projektleiterin der Handwerkskammer Hannover. Dass sie in der Gegenwart spricht, hat einen guten Grund: die Messe ist auf Youtube immer noch online , so dass die teilnehmenden Betriebe nachhaltig mehr Sichtbarkeit haben. Auch die von den Azubis erstellten Videos werben auf den Websites der Unternehmen weiter um die Jugendlichen. Das ist auch notwendig, denn genauso wie bei der analogen Messe ist nach Erfahrung von Jana Sieke auch bei der digitalen Variante das Schwierigste, das Interesse der Jugend­lichen zu wecken: „Eine volle Halle nutzt dem Unternehmer wenig, wenn keiner an den Stand kommt.“

Julia Riese, Leiterin von Handwerk + Bildung in Sondershausen, weiß, was die Kollegin meint. Zwar zählten die virtuellen Berufsinfotage im Kyffhäuserkreis circa 1.900 Besucher, doch es gab sehr wenig konkrete Anfragen von Jugendlichen, auch das Interesse am Elternchat war sehr überschaubar. „Die Hemmschwelle, Kontakt aufzunehmen , scheint für die Jugend­lichen in Präsenz wie virtuell hoch zu sein“, zieht Julia Riese ein durchwachsenes Fazit.

Bei der von der Handwerkskammer Aurich veranstalteten „Ausbildungsmesse digital“ war es deshalb von vorneherein das Konzept, den Jugendlichen möglichst viele Zugangswege zu bieten. Das Event läuft seit November 2020 als Dauermesse, Mitglieder der Handwerkskammer können sich für 150 Euro einen Messestand buchen und die Unterstützung der Kammer bei dessen Ausgestaltung nutzen. „Das Interesse im Handwerk nimmt langsam Fahrt auf, mit jeder Informationsveranstaltung gewinnen wir Teilnehmer“, freut sich Kerstin Muggeridge, Digitalberaterin der Handwerkskammer. 7.000 Besucher zählte das Event bei der Startwoche im November, inzwischen tummeln sich nach Aussage von Andre Willms, Inhaber der gleichnamigen Werbeagentur in Leer, täglich 200 Besucher auf der virtuellen Messe und es kommen täglich konkrete Jobanfragen für die Aussteller hinein.

5-Punkte-Fahrplan: So gelingt der virtuelle Messestand

Einfach ein paar Infos von der Website kopieren, eine Kontaktinfo dazupacken und fertig ist der virtuelle Messestand? Wer so vorgeht, darf sich nicht wundern, dass kaum Anfragen kommen. Lassen Sie die Besucher erleben, warum sich das Azubi-Dasein bei Ihnen lohnt .

  1. Den Stand ausstatten
    Prüfen Sie zunächst, welche Präsentationsmaßnahmen das von Ihnen ausgewählte Messeformat überhaupt unterstützt. Welche Texte brauchen Sie in welchem Format? Können Sie Videos zeigen? Gibt es einen Live-Chat? Sind individuelle Interviews mit potenziellen Kandidaten möglich? Überlegen Sie etwa gemeinsam mit Ihren Azubis, wie Sie sich am überzeugendsten präsentieren, und verteilen Sie die Aufgaben (siehe Schritt 3).
  2. Die Technik checken
    Nichts ist peinlicher und langweilt mehr als technische Aussetzer. Die meisten Veranstalter virtueller Messen geben ihren Ausstellern die Möglichkeit, sich im Vorfeld in eine Testumgebung einzuloggen und mit den digitalen Anwendungen vertraut zu machen. Nutzen Sie diese Chance, um zu prüfen, ob Ihr Messestand so rüberkommt, wie Sie ihn geplant haben.
  3. Die Darsteller auswählen
    Sie sind stolz auf Ihren Teamgeist im Betrieb? Dann zeigen Sie das auch auf Ihrem Messestand. Sammeln Sie im Team gemeinsam mit den Auszubildenden Ideen und binden Sie neben dem Chef weitere Akteure in die Präsentation ein. Während der Chef etwa Infos zum Unternehmen und den Berufen, gibt können die Azubis mit kurzen Handyvideos aus ihrem Alltag berichten. Parallel dazu kümmert sich ein schreibgewandter Mitarbeiter beispielsweise um die Fragen im Live-Chat.
  4. Die Karrierewebsite aufhübschen
    So gelungen die Präsentation auf der Messe auch sein mag: Können Firmen-Website und die dort platzierten Stelleninformationen nicht mit dem auf der Messe vermittelten Image mithalten, ist die Enttäuschung bei den potenziellen Azubis nur einen Klick entfernt. Aktualisieren Sie deshalb vor der Online-Schalte des Messeauftritts die Website, viele der für den Messestand entwickelten Features lassen sich hier prima verwenden.
  5. Den Auftritt bewerben
    Um möglichst viele Jugendliche auf Ihren Stand zu locken, sollten Sie vor allem auf der Website und in den sozialen Medien dafür werben. Facebook ist zwar bei dieser Altersgruppe nicht mehr angesagt, dafür erwischen Sie dort die Eltern potenzieller Kandidaten. Gleiches gilt für die Werbung in den örtlichen Medien. Ein wichtiger Ansprechpartner sind die Schulen, dort können Sie gezielt auch ein virtuelles Praktikum anbieten (Details auf Seite 18).

Weg 3: Digitale Praktika mit Aufgaben bieten

Lohnt sich der Aufwand für ein digitales Praktikum oder sollten Betriebe besser ganz darauf verzichten? Letzteres ist laut BIBB-Studie keine gute Idee, weil sich viele Vorurteile erst durch eine Erfahrung in der Praxis widerlegen lassen.

Alle Bäcker müssen nachts arbeiten, die Arbeit auf dem Bau ist körperlich hart und wird auch noch schlecht bezahlt – viele Vorurteile zu einzelnen Berufen halten sich hart­näckig, obwohl die Realität inzwischen ganz anders aussieht. Wie das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in einer „Studie zur Relevanz von Attraktions- und Aversionsfaktoren“ bei der Berufsfindung herausgefunden hat, schätzen viele Jugendliche einen Beruf durchaus als interessant und für sie passend ein, entscheiden sich jedoch dagegen, weil die Aversionsfaktoren überwiegen. Dazu zählen neben Rahmenbedingungen wie Arbeitszeit, körperliche Voraussetzungen und eine vermeintlich schlechte Bezahlung vor allem die mangelnde soziale Passung. Sprich: Die Jugendlichen haben Angst, dass ihr Umfeld negativ auf ihren Berufswunsch reagiert.

Bei einem Praktikum haben Betriebe nun die Chance, diese Vorurteile zu relativieren und über positive Mund-Propaganda das Image des Betriebs in der Region zu verbessern. Miriam Schöpp, Expertin für berufliche Qualifizierung und Fachkräfte beim Kölner „Institut der Deutschen Wirtschaft“ rät deshalb dazu, nicht komplett auf Praktika zu verzichten, sondern sich mit einem gut strukturierten virtuellen Praktikum als Arbeitgeber bei den Jugendlichen in Erinnerung zu bringen: „Jeder Betrieb sollte ganz prominent auf der Homepage damit werben, dass ein Praktikum trotz Corona möglich ist.“

Bestehen bereits Kontakte zu Schulen, sollten die Betriebe ihr Angebot direkt dort bei den jeweiligen Ansprechpartnern platzieren und sich nicht damit zufrieden geben, dass die Berufsorientierung nun schon im zweiten Jahr hintereinander nahezu komplett ausfällt. Auch wenn das digitale Praktikum zunächst mehr Aufwand erfordert als die klassische Präsenzversion, lohnt es sich nach Erfahrung der Expertin auf jeden Fall: „ Betriebe, die ein digitales Praktikum bieten, werden von den Praktikanten und deren Umfeld als innovativer Arbeitgeber wahrgenommen.“

Checkliste: Virtuell die Betriebspraxis vermitteln

Um potenzielle Azubis vom Beruf und Ihrem Betrieb zu überzeugen, müssen Sie virtuell vor allem eines bieten: die Möglichkeit zur Interaktion. Besser als langweilige Vorträge zu Berufsbildern sind daher kurze Videoclips und Chats sowie praktische Aufgaben.

  • Zeitrahmen bestimmen
    Überlegen Sie zunächst, welches aus Sicht der Praktikanten bislang die wichtigsten und spannendsten Inhalte der Ausbildung waren. Was davon lässt sich in die digitale Welt übertragen? Wie viel Zeit benötigen Sie dafür? Anders als beim klassischen Präsenzpraktikum gibt es für virtuelle Praktika keine Vorgaben, in der Regel reichen aber zwei bis drei Tage.
  • Inhalte auswählen
    Ziel ist es, Ihren Betrieb sowie Menschen und Werte so gut wie möglich erlebbar zu machen. Das gelingt am besten mit Videos, die sowohl die Infrastruktur als auch Produkte und Prozesse sowie vertiefende Arbeitsschritte zeigen. Fragen Sie Ihre Azubis, was sie am Anfang besonders beeindruckt hat, und lassen Sie sich von ihnen beim Filmen und der Auswahl der praktischen Aufgaben oder der Ausarbeitung eines Wissens-Quiz unterstützen.
  • Ablauf festlegen
    Erstellen Sie mit den Inhalten einen detaillierten Stundenplan, der den Schülern möglichst genau zeigt, was sie erwartet. Um die praktische Eignung zu testen, können Sie schon vor Beginn eine zum Berufsbild passende Materialbox mit Arbeitsanleitung verschicken, sodass der Praktikant eine konkrete Aufgabe zu lösen hat. Vorgehensweise und Ergebnis können Sie später im Videogespräch besprechen, entsprechende Toolkits vom Solar-Rennwagen bis zum Putzroboter (Preis: bis 50 Euro) gibt es online in diversen Shops.
  • Feedback geben
    Damit keine Missverständnisse entstehen oder Langeweile aufkommt, sollten Sie jeden Praktikumstag mit einem Feedback-Gespräch beschließen und offen darüber sprechen, was gut oder nicht so gut gelaufen ist. Um Fragen auf Augenhöhe klären zu können, ist ein Live-Chat mit den Azubis ein wichtiger Programmpunkt. Für das Gespräch zum Ende des Praktikums ist es sinnvoll, dies strukturiert anhand eines vorbereiteten Fragebogens zu führen.
  • Teilnahme bestätigen
    Danken Sie Ihren Praktikanten für ihr
    Interesse und zeigen Sie Ihre Wertschätzung in Form einer individuellen Praktikumsbescheinigung oder eines Zertifikats. Darin können Sie auch dokumentieren, inwieweit Sie mit der Lösung von Arbeitsaufgaben und/oder Quiz zufrieden waren.

Weg 4: Mit SEO und Social Media auf Sichtbarkeit und Reichweite setzen

Die Webseite ist weit mehr als eine digitale Visitenkarte: Betriebe, die nützliche Inhalte sowie spannende Geschichten und Anekdoten preis­geben, werden nicht nur leichter bei Google gefunden – sie punkten auch auf jungen Kanälen wie Instagram.

Die Entdeckungsreise beginnt heute im Netz: Ob nach Sportgeräten gesucht wird, nach Entertainmentformaten – oder sogar nach Jobs. Die Studie Azubi-Recruiting-Trends belegt, dass sich 84 Prozent der Ausbildungssuchenden an die Suchmaschine Google wenden, wenn sie nach einem geeigneten Ausbildungsbetrieb Ausschau halten. Für Betriebe heißt das: Sie müssen sich im Netz sichtbar machen. „Die absolute Grundlage, um auf Google gefunden zu werden, ist die eigene Web­site“, sagt Marvin Mennigen, der als SEO-Berater Unternehmen dabei hilft, ihre Website für Suchmaschinen zu optimieren. In Zeiten der Coronapandemie ist das wichtiger als je zuvor. Dabei geht es darum, die – unbedingt auch für Mobil­geräte optimierte – Website mit Suchbegriffen rund um das Thema Ausbildung anzureichern. Betriebe müssen dazu fehlerfreie, vollständige und ansprechende Informationen über ihren Betrieb hinterlegen und Karten über ihren Standort einspeisen. Haben sie außerdem eine eigene Karriereseite, können ihre Stellenanzeigen direkt im Jobportal Google for Jobs übernommen werden.

Ein Google-My-Business-Konto sorgt ebenfalls für mehr Sichtbarkeit. „Das Konto ist deutlich mehr als ein Brancheneintrag“, urteilt Tobias Dahm, Geschäftsführer beim Online-Marketing-Dienstleister Yext. „Ein Profil zu befüllen ist kostenlos und stellt sicher, dass Auszubildende bei der Google-Suche oder auf Google-Maps den Betrieb schneller finden.“ Ebenso bedeutsam sind spannende Inhalte, die die Geschichte des Betriebs, der Familie und der Handwerkstradition schildern sowie über Anekdoten aus dem Alltag Nähe zum Besucher der Website schaffen. Bewerber wünschen sich außerdem bei den Stellenausschreibungen detaillierte Informationen über den Ablauf der Ausbildung sowie eine praxisnahe Beschreibung des Berufsbilds. Wer solche Inhalte auf seiner Website einmal gut aufbereitet hat und regelmäßig aktualisiert, kann die Inhalte auf allen Social-Media-Kanälen spielen.

Ein Blick auf die Zielgruppe zeigt: Die potenziellen Azubis sind heute am ehesten auf Instagram und Youtube anzutreffen. Bei Instagram geht es darum, aussagekräftige Bilder für sich sprechen zu lassen. „In dem Kanal sollten Betriebe das Leben nach außen tragen und mehr von sich zeigen als nur einen Bagger auf der Baustelle“, rät Philip Beushausen, Geschäftsführer bei Dreissig24, einer Berliner Kreativagentur fürs Handwerk. Bei der Sprache ist vor allem die direkte Kommunikation gefragt: „Den Post ‚Azubis gesucht!‘ kommentierten die Instagrammer häufig nur mit einem lässigen ‚Bin dabei!‘“, beobachtet Beushausen.

Sein Rat: „Anstatt mit einer Post­adresse zu antworten, an die der Interessent seine Bewerbungsunterlagen senden kann, sollte da besser stehen: ‚Super, lass uns kennenlernen, schreib uns eine PM!‘“ (PM steht für Personal Message). Wenn der Betriebschef dann auch noch den jeweiligen Account des Bewerbers aufsucht und positiv kommentiert, hat er alles richtig gemacht.

Karriere-Website: So kommen Ihre Jobs bei Bewerbern an
  1. Optimieren Sie Ihre Website mit Suchbegriffen rund um das Thema Aus­bildung. Dazu zählen fehlerfreie, vollständige und ansprechende Informationen über den Betrieb sowie die praxisnahe Beschreibung des Berufsbilds und den Ablauf der Ausbildung. Haben die Ausbildungsbetriebe eine eigene Karriereseite, können die Stellenanzeigen direkt im Jobportal Google for Jobs übernommen werden.
  2. Erstellen Sie spannende Inhalte mit Geschichten über Betrieb, Familie und Handwerkstradition. Über Anekdoten aus dem Alltag schaffen Sie zusätzlich Nähe zum Besucher der Website.
  3. Mit der Platzierung der Website-Inhalte auf Social Media sorgen Sie für eine zusätzliche Reichweite – was wiederum Ihrer Website zugute kommt, die von mehreren Interessenten aufgefunden wird.

weitere Informationen finden Sie auf unserer Themenseite Ausbildung