Auftragsboom durch Klimawandel

Umwelt Stürme, Starkregen, Hitzeperioden: Das Klima ändert sich, Gebäude müssen angepasst werden. Das ist ein enormer Zukunftsmarkt für Handwerker, wenn sie geschicktes Marketing betreiben.

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    Sturmschäden: Wer als Handwerksbetrieb hier schnelle Hilfe anbietet, sichert sich auch langfristig Kunden.
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    Das Klima in Deutschland: Die Veränderungen treten regional unterschiedlich auf, Handwerker müssen sich darauf einstellen.
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    Hitzeperioden: Nicht nur ein Problem für Pflanzen, sondern auch für Büroarbeitsplätze oder Wohnungen.
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    Starkregen: Handwerker sind Spezialisten für Abflusssysteme von Gebäuden, Straßen und Infrastruktureinrichtungen.
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    „Verkaufen Sie über die Lösung, nicht über den Preis.“Iris Allmendinger, Abteilungsleiterin Betriebswirtschaftliche Beratung der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main.
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    © Chart: handwerk magazin
    Die großen Umweltkatastrophen in Deutschland verursachten enorme Schäden.

Auftragsboom durch Klimawandel

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts stieg die globale Jahresmitteltemperatur um 0,74 Grad Celsius. Der Weltklimarat führt das mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit auf menschliche Einflüsse zurück. In Deutschland ist die Durchschnittstemperatur seit 1901 um knapp 0,9 Grad Celsius gestiegen, in den nächsten Jahrzehnten werden es mehr als zwei Grad sein.

Eine Folge dieses Klimawandels sind häufigere Extremwetterereignisse: heiße, trockene Sommer, feuchte Winter, heftige Stürme, Starkregen, Hagelzüge und Schneefälle - je nach Region unterschiedlich. Für wesentliche Teile des Handwerks bedeutet dieser Klimawandel jedoch das entscheidende Marktfeld der Zukunft. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main in Zusammenarbeit mit dem Landesinnungsverband des Dachdeckerhandwerks Hessen und dem Institut Wohnen und Umwelt (IWU) in Darmstadt.

„Bisher stand für das Bauhandwerk hauptsächlich der staatlich subventionierte Klimaschutz mit Sonnenenergie und Gebäudedämmung im Fokus“, erklärt Iris Allmendinger, Abteilungsleiterin der betriebswirtschaftlichen Beratung der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main. Doch in Zukunft werden die Anpassung von Gebäuden an den Klimawandel und Reparaturen nach Unwettern für Bau- und Ausbauhandwerker, aber auch für andere Branchen (siehe Übersicht auf Seite 19) zu wichtigen Geschäftsfeldern werden.

Gezieltes Marketing

Wer als Handwerker Geschäfte mit dem Klimawandel machen möchte, muss jedoch ein gezieltes Marketing betreiben, haben Allmendinger und ihre Kollegen festgestellt. „Die Auswirkungen und das Schadensrisiko sind zwar in den Köpfen, sie müssen aber auf den einzelnen Kunden und die konkrete Immobilie heruntergebrochen werden“, weiß Norbert Hain aus seiner Praxis als Geschäftsführer des Dachdeckerzentrums Hessen. Für den Handwerker im Bereich klimarobustes Bauen seien die Hauptargumente das Wohlbefinden der Immobilienbesitzer und -benutzer sowie die Reparatur und die Vermeidung von Schäden. Dies müsse den Kunden anschaulich erklärt werden.

Insgesamt sei die fachliche Beratung vor Ort das wichtigste Marketingmittel. „Handwerker brauchen grundlegende Kenntnisse über Klimarisiken und Lösungen. Wer hier als Experte angesehen wird, verkauft über das Argument Lösung, nicht über den Preis“, rät Betriebsberaterin Allmendinger (siehe Marketing-Tipps). Neue Produkte, neue Verarbeitungstechniken und bessere Prüfmöglichkeiten erfordern deshalb auch ständige Weiterbildung und gutes Fachpersonal. Fachfirmen könnten sich hervorheben, wenn sie klimabewusste Zusatzangebote unterbreiten, die auf kommunale Fördermöglichkeiten und Bauvorschriften abgestimmt sind. So werden beispielsweise vielerorts Gründächer gefördert oder durch Spezialpflaster Versiegelungsabgaben verhindert, weil weniger Niederschlagswasser in die Kanalisation läuft. Solche Potenziale müssten Handwerksbetriebe ihren Kunden verdeutlichen.

Regionale Unterschiede

Dabei sollten Handwerker auch ihre guten Ortskenntnisse nutzen. Schließlich sind die Auswirkungen des Klimawandels regional sehr unterschiedlich. „Für Deutschland wird prognostiziert, dass die relative Erwärmung zum Beispiel entlang des Rheingrabens im Nordosten und in den Voralpen am stärksten ausfallen wird, aber nicht in den unmittelbaren Küstenbereichen,“, erklärt Peter Werner vom Institut Wohnen und Umwelt in Darmstadt. Hochwasser und Winterstürme würden dagegen an der Küste zunehmen, während der Süden mit stärkeren Hagelunwettern mit großen Körnern rechnen muss, so Biologe Werner.

Für das Risiko möglicher Schäden an Gebäuden ist neben der Region aber auch die konkrete Lage einer Immobilie wie deren Hangausrichtung oder Grundwassereinfluss entscheidend. Nicht ohne Grund arbeiten Elementar- und Gebäudeversicherer mit kleinräumigen Schadensmodellen und passen ihr Engagement und die Beiträge an das Risiko an. Auch wird in vielen Versicherungsverträgen auf die Sorgfaltspflicht des Versicherten hingewiesen. Ein Umstand, den Handwerker ihren Kunden verdeutlichen sollten. Zugleich gehen Gebäudeversicherer vermehrt dazu über, Nachweise über regelmäßige Wartungen vor der Schadensregulierung zu fordern, da festgestellt wurde, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Unwetterschaden deutlich sinkt, wenn regelmäßige Prüfungen stattfinden. Betriebsberaterin Allmendinger rät Handwerkern in diesem Zusammenhang, Kunden auf Gerichtsurteile aufmerksam zu machen, die Hausbesitzer in Regress nehmen, wenn zum Beispiel durch losgerissene Dachteile Dritte geschädigt oder verletzt werden, weil die Dachwartung unterlassen wurde.

Potenzielle Kunden

Auch verschiedene DIN-Normen im Baubereich betreffen bereits regionale Klimaunterschiede, zum Beispiel die Einteilung in sogenannte Windlastzonen. Werden neue Baugebiete ausgewiesen, müssen Klimaauswirkungen berücksichtigt werden. Selbst bei Altbauten mit Bestandsschutz müssen in der Regel Änderungen oder Sanierungen nach den neuesten Normen und Verordnungen erfolgen. „Genau hier liegt der Vorteil einer guten Ortskenntnis der Handwerker“, weiß Norbert Hain vom Dachdeckerzentrum Hessen.

Hauptkunden für handwerkliche Lösungen bei Klimaanpassungen sind Eigentümer selbstbewohnter Häuser im höheren Preissegment. Auch Gewerbetreibende in selbstgenutzten Werkstätten, Läden und Büros zeigen Interesse an klimarobusten Investitionen. Hier müssen Arbeitsstättenrichtlinien, Anforderungen der Maschinen an verträgliche Temperaturen sowie das Wohlbefinden der Kundschaft berücksichtigt werden.

Sind die Leidtragenden von Hitze oder feuchten Räumen Mieter, ist es für Handwerker schwerer, an Aufträge zu kommen. Doch auch Vermieter müssen umdenken. Zumindest in Abwanderungsgebieten werden die schlechten Wohnungen und Gebäude bald leerstehen.

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de

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Gerichtsurteile, die Klimaschäden betreffen, und Versicherungen gegen Umweltschäden finden Sie unter handwerk-magazin.de/branchen

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