Hobby: Tischlerin bei Olympia

Sonja Scheibl schießt in ihrer Freizeit gerne scharf – auf Tontauben. Die Tischlermeisterin hat es bis ins Nationalteam geschafft, 2012 war sie als einzige Amateurin bei Olympia.

  • Bild 1 von 3
    © Henning Angerer
    Von ihrer Arbeit als Tischlermeisterin entspannt sich Sonja Scheibl auf dem Schießstand.
  • Bild 2 von 3
    © handwerk magazin
    Nur wenige Olympioniken arbeiten in der Wirtschaft.
  • Bild 3 von 3
    © Henning Angerer
    k Vita Sonja Scheibl wurde 1979 geboren. Nach dem Abitur im Jahr 1999 dachte sie zunächst über ein Studium „in Richtung Innenarchitektur“ nach, entschied sich dann aber doch für eine Tischlerlehre. Sie ist nach eigenen Angaben „zu wuselig für einen Schreibtischjob“ und möchte sich bei der Arbeit immer auspowern. Ihre Meisterprüfung legte sie im Januar 2011 ab.

Auf ins Gefecht

Dabei sein ist alles, lautet das Motto aller Olympioniken. Sonja Scheibl war dabei: Bei den Olympischen Spielen in London 2012 durfte die Tischlermeisterin aus Itzstedt im Trapschießen antreten. Bei der Disziplin, besser bekannt als Tontaubenschießen, wird mit Flinten und Schrotmunition auf Wurfscheiben geschossen.

Das Olympia-Ticket sicherte Scheibl sich 2011 mit einem vierten Platz bei den Europameisterschaften im zyprischen Larnaca. Eigentlich waren die Spiele nie ihr großes Ziel, sagt sie, schließlich ist sie auch keine Profisportlerin. Im Olympiakader der deutschen Sportschützinnen war sie als einzige Amateurin dabei. Die Tischlermeisterin arbeitet seit 2004 Vollzeit bei der Tischlerei Adam in Bad Segeberg. Fünf Mitarbeiter sind dort angestellt. Mit dem Schießsport begann Scheibl im Alter von zwölf Jahren. „In unserem kleinen Nest Itzstedt gab es nur den Schützen- und den Tennisverein. Ich habe mich eben fürs Schießen entschieden“, erzählt Scheibl. Auch ihre Eltern sind im Verein aktiv. Bei den Junioren-Weltmeisterschaften in Finnland 1999 gewann Scheibl dann Bronze, schaffte so den Sprung in die Nationalmannschaft. Für ihre Meisterprüfung, die sie in der Abendschule ablegte, hörte Scheibl dann zeitweise mit dem Schießen auf. Nicht ganz freiwillig: „Der Schützenverband hatte recht hohe Anforderungen gestellt. Mit der Meisterprüfung im Nacken und dem Vollzeitjob hatte das zeitlich nicht gepasst“, sagt sie. Im Jahr 2010 hat der Bundestrainer sie dann gefragt, ob sie nicht doch wieder dabei sein wolle.

Sie wollte. Wegen ihrer Vollzeittätigkeit trainiert Scheibl unter der Woche meist für sich allein. Am Wochenende trifft sie dann häufiger den Nationalkader und spricht Trainingsziele mit dem Bundestrainer ab. Mit frischen Tipps fährt sie dann nach Hause, „da bin ich mein eigener Trainer“. Sie findet, ihr Trainingsplan sei immerhin gar nicht so umfangreich. „Schließlich arbeite ich ja auch täglich in der Tischlerei, das ist ein körperlich anspruchsvoller Job.“ Aber ein Blick auf das Pensum zeigt, dass Scheibl nicht nur Tischler, sondern auch Meisterin im Tiefstapeln ist: Zu den sechs Stunden Schießstand pro Woche kommen mindestens zweimal pro Woche Joggen und Krafttraining. Und Scheibl fährt die 20 Kilometer zur Arbeit gerne auf Inline-Skates, als zusätzliches Konditionstraining. Dabei handelt es sich wohlgemerkt nur um ihr normales Trainingsprogramm - vor Wettkämpfen trainiert Sonja Scheibl deutlich mehr.

k Vita Sonja Scheibl wurde 1979 geboren. Nach dem Abitur im Jahr 1999 dachte sie zunächst über ein Studium „in Richtung Innenarchitektur“ nach, entschied sich dann aber doch für eine Tischlerlehre. Sie ist nach eigenen Angaben „zu wuselig für einen Schreibtischjob“ und möchte sich bei der Arbeit immer auspowern. Ihre Meisterprüfung legte sie im Januar 2011 ab. - © Henning Angerer
Bild ohne Titel - 97899

Schießtraining allein reicht nicht

Um das Programm ohne Trainer zu bewältigen, sind mentale Stärke und Disziplin erforderlich. Über diese Fähigkeiten müssen Sportschützen ohnehin verfügen, sagt Scheibl. „Im Wettbewerb ist absolute Konzentration und innere Ruhe wichtig.“ Denn beim Trapschießen gibt es für die Schützen keine Pause. Mehrere Schützen stehen in Reihe und schießen nacheinander auf Wurfscheiben, von denen sie vorher nicht wissen, ob sie links oder rechts vor ihnen auftaucht. Jeder Schütze hat höchstens zehn Sekunden, dann ist der nächste an der Reihe, für den eine neue Scheibe geworfen wird. „Aber wer jedes Mal die zehn Sekunden ausnutzt, wird verwarnt“, erzählt Scheibl. „Innerhalb von Sekundenbruchteilen muss man also rufen, dass man bereit ist, zielen und schießen. Nach 40 Sekunden ist man schon wieder an der Reihe.“ Um in solchen Situationen gelassen zu bleiben, macht sie autogenes Training und Übungen zur Tiefenentspannung.

Das Finale in London verpasste Scheibl. Sie lan-dete mit 64 getroffenen Scheiben auf Platz 17. Enttäuscht war sie deshalb aber nicht, denn die Begeisterung über das Erlebnis Olympia war riesig: „Das kann man gar nicht beschreiben“, sagt sie. Die Atmosphäre in London und im olympischen Dorf sei einfach einmalig gewesen. Und so hat sie für die nächsten Spiele dann doch ein klares Ziel: „Nach diesem Erlebnis will ich 2016 in Rio unbedingt wieder dabei sein“.