Arbeitsschutz: Die Regeln der Berufsgenossenschaft richtig umsetzen

Lästige Pflicht oder Lebensversicherung für den Betrieb? Wer sich als Chef aktiv um sichere Arbeitsplätze und die Gesundheit der Mitarbeiter kümmert, gewinnt weit mehr, als er investieren muss.

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    © Rudolf Wichert
    Gerüstbauer Heiko Meiners (mit gelbem Helm) hat den Arbeitsschutz mit System, aber praxisnah geregelt.
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    © Chart: handwerk magazin
    Jeder zehnte Mitarbeiter im Handwerk fehlt heute bereits wegen einer psychischen Erkrankung bei der Arbeit.
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    „Unternehmer müssen bei Suchtverhalten ihrer Mitarbeiter reagieren.“ Sonja Rüter, Beraterin und Heilpraktikerin für Psychotherapie.
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    „Um die richtigen Produkte auszuwählen, muss der Chef die Risiken im Betrieb vorher ermitteln.“ Michael Meetz, ­ Experte für Arbeitsschutz und Gesundheit.

Mit gesunder Arbeit motivieren

Gerüstbauer sind harte Kerle. Doch allein auf die Erfahrung seiner Leute und Unfallfreiheit in der Vergangenheit wollte sich Heiko Meiners nach Übernahme des Krefelder Familienbetriebs 1999 nicht verlassen. „Schon wegen der damals gerade erweiterten Haftung für Unternehmer war klar, dass ich beim Thema Arbeitsschutz was organisieren muss“, sagt der 41-jährige Chef von zehn Mitarbeitern.

Risiken per Checkliste aufspüren

Der Gerüstbaubetrieb hat ein leicht umsetzbares Arbeitsschutz-System eingeführt. Grundlage ist das Online-Portal „Basiss-Net“, das mit einem einfachen Tool Gerüstbaubetriebe bei der Gefährdungsbeurteilung unterstützt. Meiners und seine Mitarbeiter besuchen regelmäßig Schulungen, zudem unterstützt eine externe Fachkraft für Arbeitssicherheit den Betrieb.

Für jede Baustelle gibt es eine Detailskizze, in einer kurzen Checkliste sind alle auftretenden Gefährdungen und Schutzmaßnahmen vermerkt. „Das sind technische Punkte wie die Verankerung an besonderen Fassaden oder örtliche Gegebenheiten wie die Gefahr vor Ertrinken, rutschiges Gelände oder zeitgleich arbeitende Gewerke“, erklärt Meiners. „Die Baustellenverantwortlichen nehmen das mit, haken die Punkte ab und bringen mir das Protokoll für die Dokumentation wieder zurück.“

Außerdem werde jedes Gerüst nach der entsprechenden Aufbauanleitung aufgebaut und von einer befähigten Person vor Benutzung freigegeben. Etwa 2000 Euro investiert der Betrieb pro Jahr in Schulungen und die externe Betreuung. Das Geld sei gut angelegt, sagt Unternehmer Meiners. „Es ist allemal billiger, als wenn jemand durch einen Unfall ausfällt.“

  • Rat:
  • Nicht bei der Sicherheit sparen
    Schon der Gewinn eines produktiven Arbeitstags durch geringere Ausfallzeiten spart mehr, als die jährliche Regelbetreuung kostet. Experten haben berechnet, dass Betriebe für jeden in den Arbeits- und Gesundheitsschutz investierten Euro im Schnitt 2,20 Euro zurückbekommen: durch ein besseres Image, eine höhere Motivation der Mitarbeiter und weniger Störungen im Betrieb.

Nur 38 Prozent ermitteln Gefahren

Schon laut Gesetz muss jeder Unternehmer für sichere Arbeitsplätze sorgen. Gemessen an den Kosten von Ausfalltagen lohnt sich ein Engagement jedoch auch wirtschaftlich. Trotzdem ist systematischer Arbeitsschutz in kleinen Unternehmen bislang eher die Ausnahme. Laut einer Befragung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin haben nur 38 Prozent aller Betriebe bis 50 Mitarbeiter überhaupt eine Gefährdungsbeurteilung erstellt.

„Mit einer individuellen Gefährdungsbeurteilung erfüllen Betriebe schon 75 Prozent des Geforderten“, sagt Michael Meetz, Geschäftsführer der auf Arbeitssicherheit- und Gesundheitsmanagement spezialisierten Beratungsfirma Uve. Zusammen mit dem Gefahrstoffverzeichnis sei die Gefährdungsbeurteilung Grundlage für die Unterweisung der Mitarbeiter oder den Kauf Persönlicher Schutzausrüstung.

Kochrezept für Kleinbetriebe

Bei einer Prüfung müssten Betriebe nachweisen können, dass sie Gefährdungen ermittelt, Schutzmaßnahmen umgesetzt und die Einhaltung kontrolliert hätten. Doch viele Chefs wüssten nicht, wie sie eine Beurteilung erstellen sollen, weshalb Uve in Zusammenarbeit mit verschiedenen Innungen einfache Online-Tools zur Gefährdungsbeurteilung entwickelt hat. „Das funktioniert wie ein Kochrezept“, sagt Berater Meetz. „In ein bis zwei Stunden ist der Unternehmer damit durch.“

Genauso wichtig wie der Schutz vor Unfällen ist auch die Prävention von körperlichen oder seelischen Krankheiten. Auch hier sind Arbeitgeber verpflichtet, für einen gesunden Arbeitsplatz zu sorgen. „Mit Überlastung, Suchtverhalten oder persönlichen Problemen müssen auch Chefs im Handwerk umgehen können“, sagt Sonja Rüter, Beraterin und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Ähnlich wie bei der körperlichen Gesundheit empfiehlt Rüter, auch psychische Belastungen zu ermitteln und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Das könne mit Fragebögen passieren oder im direkten Gespräch. „Wichtig ist vor allem, dass Lösungsansätze auch umgesetzt werden.“ Auch sei es ratsam,  eine externe Beratungsmöglichkeit anzubieten, wo Mitarbeiter über persönliche Probleme sprechen könnten: „Wenn Anonymität gewährleistet ist, wird das gerne angenommen“, so Rüter.

Positives Image zieht Fachkräfte an

Betriebliches Gesundheitsmanagement ist auch bei den Krankenkassen ein wichtiges Thema, die Unternehmen bei der Umsetzung unterstützen. Wettbewerbe wie der Alternative Gesundheitspreis der BKK Advita machen das Engagement der Betriebe in der Öffentlichkeit bekannt, was einen hohen Werbeeffekt auf Kunden und potenzielle Mitarbeiter hat. Doch auch ohne Auszeichnung können Betriebe hier punkten: Wer Mitarbeitern einen sicheren und gesunden Arbeitsplatz bietet, wirbt damit automatisch für den Betrieb, weiß Experte Meetz. „Die Mitarbeiter sind motivierter und treten nach außen anders auf, was positiv bei Kunden ankommt.“ Systematischer Arbeitsschutz hilft laut Meiners auch bei der Auftragsakquise. „Wir lassen den Betrieb gerade nach ASS-Gerüstbau zertifizieren“, sagt Meiners. „Das ist ein guter Punkt bei den Kunden, weil Ingenieure und Bauleiter dann wissen, dass der Betrieb sicherheitstechnisch gut aufgestellt ist und sie sich darum nicht kümmern müssen.“