Arbeitsrecht: Zeugnisse schnell und richtig schreiben

Reinhard Aschentrupp, Geschäftsführer eines Autohauses, hat gelernt, bei Arbeitszeugnissen zwischen den Zeilen zu lesen. Hier seine Erfahrungen und Tipps aus 20 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit als Arbeitsrichter.

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    Geschäftsführer Reinhard Aschentrup in Gütersloh erläutert einem Mitarbeiter sein Zeugnis.
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    Fast 80 Prozent aller ehemaligen Mitarbeiter erhalten Zeugnisse mit den Noten „sehr gut“ und „gut“.
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    „Manche Zeugnisse sollte man am besten nur mit spitzen Fingern anfassen.“ Jobst-Hubertus Bauer, ­Fachanwalt für Arbeitsrecht in Stuttgart.
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    „Als ehrenamtlicher Arbeitsrichter lese ich Zeugnisse auch zwischen den Zeilen.“ Reinhard Aschentrup und Bürokauffrau Julia Masso.

Zeugnisse schnell und richtig schreiben

Reinhard Aschentrup, Geschäftsführer des Autohauses Aschentrup in Gütersloh, legt nicht nur Wert auf gute Mitarbeiter, sondern auch auf ein gutes Betriebsklima. Seine Tür steht immer offen, wenn einer der 20 Mitarbeiter ein Problem hat: „Wir haben nur verständige Leute; gemeinsam finden wir dann immer eine Lösung“. Damit das so bleibt, schaut er sich bei Neueinstellungen die Arbeitszeugnisse genau an. Dabei ist ihm klar, was sich hinter den Bewertungsfloskeln verbirgt (siehe „Zeugniscodes“, unten). 20 Jahre ehrenamtlicher Tätigkeit als Arbeitsrichter haben ihn gelehrt, „auch zwischen den Zeilen zu lesen“. Gleichwohl gibt der Obermeister der Gütersloher Kfz-Innung zu: „Eine gewisse Unsicherheit bleibt natürlich immer, ob der neue Mann seiner Visitenkarte auch tatsächlich entspricht“.

Dilemma für Chefs

Vor dem Dilemma stehen viele Handwerksmeister, die Mitarbeiter einstellen. „Auf Arbeitszeugnisse gebe ich gar nichts“, nimmt Dieter Schoen, Geschäftsführer der Bonner Gebäudereinigungsfirma Puliere mit rund 400 Mitarbeitern, eine Extremposition ein. Ein gewisses Verständnis dafür hat Jobst Hubertus Bauer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz: „Man sollte Zeugnisse zumindest mit spitzen Fingern anfassen“. Schuld daran seien die von den Gerichten entwickelten überzogenen Formulierungsvorschriften: „Wer einen Unterschied zwischen „voller“ und „vollster Zufriedenheit“ macht, obwohl „voller“ als „voll“ gar nicht geht, provoziert solch makabre Rechtsstreitigkeiten wie zuletzt beispielsweise den Prozess zur Dankes-Formel.“

  • Rat: Unnötigen Konflikt vermeiden
  • Auf 30 000 schätzen Experten hierzulande die Zahl der jährlichen Zeugnisprozesse. Dazu führen die Versuche von Arbeitgebern, ihrem Herzen Luft zu machen und es dem Mitarbeiter endlich einmal „zu zeigen“. Naturgemäß erliegen Arbeitnehmer der Versuchung, ihren früheren Chef zu verklagen, da sie ohnehin nichts mehr zu verlieren haben. Bei Zeugnissen ist jedoch vieles Ansichtssache. Dem Trend nach werden Chefs die Leistungen des Mitarbeiters eher schlechter einschätzen, der Betroffene eher besser. Für Arbeitgeber heißt es in den meisten Fällen, dass Nachgeben weitaus besser ist als Streit.

Abschied ohne Dank

Bei diesem Verfahren war ein Mann vor dem Bundesarbeitsgericht (Az. 9 ARZ 227/11) gescheitert, der sich über den letzten Satz in seinem insgesamt guten Zeugnis geärgert hatte: „Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.“ Das war ihm nicht genug. Er verlangte einen ausführlichen Dank sowie beste Wünsche für seine berufliche und private Zukunft. Das Arbeitsgericht Stuttgart gab ihm Recht, doch das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschied anders: Im sogenannten qualifizierten Zeugnis dürften Dank und gute Wünsche fehlen (siehe handwerk magazin 2 / 2013).

Das gilt erst recht für das einfache Zeugnis, das Mitarbeitern zusteht, die noch keine sechs Monate im Betrieb waren. Sie haben nur Anspruch auf ein Zeugnis, das ihnen bescheinigt, in welchem Zeitraum und mit welchen Arbeiten sie beschäftigt waren. Wer länger dabei war, kann ein qualifiziertes Zeugnis verlangen, das außer Dauer und detaillierter Beschreibung der Tätigkeiten eine Bewertung der Leistung und des Verhaltens beinhaltet (siehe „Checkliste Zeugnis“, oben). Zwischenzeugnisse dürfen Mitarbeiter nur aus bestimmten Gründen verlangen, etwa wenn der Chef wechselt oder wenn ein Stellenabbau bevorsteht.

„Qualifizierte Zeugnisse müssen wahr und wohlwollend zugleich sein“, weist Jobst-Hubertus Bauer auf einen Spagat hin, der zumindest für juristische Laien nicht immer leicht zu schaffen ist. „Ich rate unseren Mitgliedern, auf Zeugnisse keinen allzu großen Wert zu legen“, zieht Barbara Pezzei, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Mülheim an der Ruhr – Oberhausen die Konsequenz. „Wenn einer zwei linke Hände hat, darf das sowieso nicht drinstehen.“ Genau deshalb empfiehlt Elmar Moll, Seniorchef des gleichnamigen Autohauses in Wilnsdorf (Kreis Siegen-Wittgenstein) und Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd einen Anruf beim früheren Chef des Bewerbers: „So erhält man zusätzlich zum Zeugnis einen realistischen Eindruck. Das erleichtert die Entscheidung. Aber viele Kollegen versäumen das“.

Mitarbeiter testen

Zu Tests, die weit über einen Anruf hinausgehen, rät Elke Siewert von der Kreishandwerkerschaft Bonn / Rhein-Sieg: „Wer einen Bewerber ein bis drei Tage zur Probe arbeiten lässt, weiß, was er wirklich kann“. Möglich seien auch befristete Arbeitsverträge, etwa für ein paar Wochen oder einen Monat: „Dann zeigt sich meist schnell, ob der neue Mitarbeiter zur übrigen Mannschaft passt“.

Doch die Freiheit, die Chefs bei der Bewertung von Zeugnissen genießen, hört beim Schreiben von Zeugnissen gänzlich auf. Hier werden sie durch die Rechtsprechung streng in die Pflicht genommen. Dazu gehört ein verbindliches Notenschema, an dessen Spitze bei sehr guten Leistungen die Formulierung „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ steht, gefolgt von „zu unserer vollsten Zufriedenheit (ohne „stets“). Damit bekommt keine Probleme, wer den von „handwerk magazin“ angebotenen Zeugnisgenerator benutzt (siehe Online, Seite 59), bei dem Chefs die entsprechenden Module einfach auswählen können.

Fast 80 Prozent aller Zeugnisse, so eine Studie des Internetforums arbeitszeugnisse.de, enthalten gute und sehr gute Beurteilungen (siehe Grafik, Seite 57). Aus verständlichem Grund: Nach der Rechtsprechung kann es zu freundliche Bewertungen gar nicht geben, wie zum Beispiel das Landesarbeitsgericht Nürnberg entschied (Az. 7 Sa 641/08): „Ein Zeugnis ist nicht sittenwidrig, wenn die Leistung eines Mitarbeiters darin zu positiv bewertet wird“.

Erbitterte Streitigkeiten

Gleichwohl gibt es derzeit kaum einen Arbeitsrichter, der nicht schon erbitterte Streitigkeiten um Zeugnisformulierungen erlebt hat. Jürgen Petzold, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Vogtland und ehrenamtlicher Arbeitsrichter: „Da wird oft ätzend und zäh um kleinste Nuancen gefeilscht“.

Streit gibt es auch immer wieder um den Zeitpunkt, bis zu dem Ex-Mitarbeiter ihr Zeugnis bekommen müssen. Fachanwalt Bauer: „Fällig wird die Beurteilung mit dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis endet“. Eine Schonfrist von zwei bis drei Wochen räumen die Gerichte ein, dann droht dem Chef eine Klage auf Schadenersatz, falls der Ex-Mitarbeiter deshalb eine Stelle nicht bekommt. Er muss das Zeugnis beim Chef allerdings zwischendurch einmal ergebnislos angemahnt haben. Grundsätzlich verjährt der Zeugnisanspruch nach drei Jahren.

Um sich die Mühe zu sparen, lässt mancher Chef seinen Mitarbeiter selber aufschreiben, welchen Text er gerne hätte. Jens Uwe Pape, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Gütersloh, nennt eine Konsequenz: „Vom vorgeschlagenen Zeugnistext darf dann nur aus wichtigem Grund abgewichen werden – wenn der Mitarbeiter schamlos übertrieben hat. Elke Siewert bittet als Rechtsbeistand für Handwerksmeister schon mal den gegnerischen Anwalt, für seinen Mandanten ein wunschgemäßes Zeugnis zu schreiben: „Wenn er dazu nicht zu faul ist, ist endgültig Ruhe im Karton“.