Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Absichtserklärungen müssen auch Umsetzungen folgen!

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Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann

Veranstaltungen werden immer mehr zu „erzieherischen“ Ansprachen genutzt. Selbstredend folgt eine Absichtserklärung auf die nächste. Unserer Kolumnistin Ruth Baumann, Präsidentin der Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg, mangelt es hierbei allerdings deutlich an der Umsetzung – sie fragt sich: Entbindet das standardisierte Wollen vom eigenen Machen? Lesen Sie hier eine neue Folge ihrer Kolumne “Neues von der Werkbank“.

Ruth Baumann, Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg
Die studierte Politologin und Handwerksunternehmerin Ruth Baumann vertritt seit 2008 als Präsidentin die Unternehmerfrauen im Handwerk in Baden-Württemberg (ufh). - © Antoinette Steinmüller Fotostudio

Wer trotz „Handydiktat“ noch zuhören und denken kann, fristet oft ein einsames Dasein. Es scheint aus der Mode gekommen zu sein, sich des Gehörten und Gesagten noch zu erinnern und mehr noch, zu reflektieren. Absichtserklärungen und Gestaltungswillen scheinen eine ähnlich kurze Lebensdauer wie Elektroartikel zu haben. Melden sich in unserer Gesellschaft gern die Menschen zu Wort, die glauben, die menschliche Festplatte (das Denk-Vermögen) werde in immer kürzer werdenden Abständen formatiert und auf „Null“ gesetzt? Nur so wäre es meiner Meinung nach zu erklären, warum keiner merkt, dass den Absichtserklärungen selten auch entsprechende Taten folgen bzw. die künftige Umsetzung der Vorhaben doch nie stattfindet.

Auf nebulöse Formulierungen folgt schwaches Machen

In der Politik geht es auch sehr menschlich zu. Man will den Soli abschaffen, die Steuern senken und vieles mehr, konkret wird es aber dann doch selten. Entscheidungen können nur mit Mehrheiten getroffen werden, das leuchtet ein. Wenn aber das Wollen schon im Vorfeld so schwach und nebulös formuliert wurde, darf man sich nicht wundern, wenn das Machen nicht mehr erkennbar oder umsetzbar ist. Wohnungseigentum sollgefördert, Arbeitsplätze gesichert, Altersvorsorge vorangebracht werden. Tatsächlich macht man aber unzählige Vorschriften, komplizierte Wege der Durchführung und verschließt die Augen vor der Realität (Negativzinsen). Wo konkretes Handeln dem gewünschten Wollen folgen soll, finden sich dann eher epische Erläuterungen und inflationäre Vertragsbedingungen. Gut gemeint ist nicht immer verständlich gut gemacht!

Lösungen müssen her, doch wie nur?

Bei der Mobilität ist man allerdings langsam beim „Machen“ angekommen. Der bis vor kurzem allein selig machenden E-Mobilität stellt man nun (verbesserte) Verbrennungsmotoren, synthetische Kraftstoffe, Wasserstoff sowie die Brennstoffzelle zur Seite. Man will jetzt (endlich) ergebnisoffen nach einer Lösung suchen. Vergessen die Belehrungen und Diskussionen , in denen diese – jetzt vermeintlich neuen – Wege stigmatisiert wurden. Man befürwortet nun eine differenzierte Vorgehensweise und blendet das bisher Gesagte diskret für sich aus. So ging die Wiedereinführung der Meisterpflicht ähnlich vonstatten. In Kürze werden wir sicher auch merken, dass die Digitalisierung dort an ihre Grenzen stößt, wo kein Netz und keine Erreichbarkeit vorhanden sind. Wir wollen auch die sich derzeit im Umbruch befindliche (Auto-)Industrie mit Fort- und Weiterbildung, Verlängerung des Kurzarbeitergelds usw. unterstützen. Aber „machen“ wir uns denn überhaupt um die Finanzierbarkeit angesichts der wirtschaftlichen Eintrübung Gedanken? Findet das Bekenntnis zum Umweltschutz seinen krassen Niederschlag in Taten? Wie deckt sich das Ziel des Green Deals mit den Getränken in Plastikflaschen auf Schreibtischen, den monatlichen leeren Autofahrten von Brüssel nach Straßburg ( und retour) oder dem „Aktenflug“ zwischen den „Betriebsstandorten“?

Jeder muss bei sich selbst anfangen

Der springende Punkt ist aber auch der, dass durch Wahlen von Mandats- und Funktionsträgern unsere eigene moralische Verantwortung, selbst zu handeln, nicht gänzlich erloschen ist. Auch wir müssen uns fragen, in welchem Verhältnis unser Reden zu unserem Tun steht. Jeder schätzt (zumindest gibt man es vor) die Landwirtschaft, die Bauern sowie das Essen. Bei Umfragen geniert sich niemand, sich vollmundig zu gerechter Entlohnung und Wertschätzung der erbrachten Arbeit und Landschaftspflege zu äußern. Gesagt, getan? Mitnichten. Den vermeintlich günstigen Einkauf im Supermarkt, garniert mit Einwegplastiktüten, hat man trotz vorherigen Moralisierens nicht aufgegeben.

Die zwei Seiten der Wertschätzung

Verkennen wir die Verbindung zwischen gefordertem Wollen und eigenem Machen? Oder schleicht sich leise eine moralisierende Scheinheiligkeit in unser Tun?

Jeder schätzt den regionalen Handwerker, der vor Ort repariert, liefert, teilweise sogar die Kundschaft noch psychologisch begleitet und für Probleme stets Lösungsvorschläge bereithält. Kann er hierbei auch noch die Preise des Online-Mitbewerbers unterbieten, dann bekommt er auch selbstverständlich den Auftrag. Man achtet Handwerk und Familienbetrieb, sieht den Meisterbrief als Gütesiegel. Bei der Berufswahl der eigenen Kinder ist man aber auch zufrieden, wenn aus dem Meister ein „Master“ wird… Vielleicht zeigt sich auch in diesem Verhalten, welche Wertschätzung der betriebliche Alltag, entgegen den Sonntagsreden, für Unternehmer bereithält.

Einfordern und einstehen

Es gibt keinen geistigen Ablasshandel, der eigenes Handeln und Vor-Leben ersetzt. Wer Nachhaltigkeit anstrebt, sieht ein Handy nicht als modisches Zubehör. Wer Handwerk will, muss die Leistungen auch dort abrufen. Wer Familienbetriebe auch in der Zukunft als relevant ansieht, muss dies auch gesellschaftlich einfordern und dafür einstehen. Wer regionale Produkte fordert, kauft sie auch ein. Wer konsumiert statt repariert, sollte das Moralisieren besser lassen.

Und das Krasse ist: beim Machen sieht man auch die eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten.