Organisation Arbeit ohne Ende: So kommen Sie raus aus dem Hamsterrad

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Da arbeitet man gefühlt rund um die Uhr, und trotzdem läuft nichts rund: Die Mitarbeiter nörgeln, die Familie fühlt sich vernachlässigt, die Kunden haben 1.000 Sonderwünsche, der Papierkram stapelt sich. Jeder will was vom Chef – und der hat irgendwann keine Zeit und keine Nerven mehr übrig. Wie schafft man es, aus dem Hamsterrad auszubrechen?

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    Olaf Ringeisen Malermeister Northeim
    © Franz Fender für handwerk magazin
    Olaf Ringeisen führt als Malermeister einen Betrieb mit zehn Mitarbeitern im niedersächsischen Northeim.
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    Katrin und Frank Ripken Fleischerei-Fachgeschäft Ripken Augustfehn Niedersachsen
    © Thomas Trapp für handwerk magazin
    Katrin und Frank Ripken leiten das Fleischerei-Fachgeschäft Ripken im niedersächsischen Augustfehn.
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    Stress-Typen
    © TK-Stressstudie 2016
    So gehen die Deutschen mit Stress um: Die meisten Menschen sind Durchhalter, ertragen also die Situation und hoffen darauf, dass sie sich wieder auflöst. Gut jeder Fünfte versucht Stress zu vermeiden, indem er sich zurückzieht und wegduckt. Etwa ein Sechstel sieht sich als Kämpfer.

Damals, im Jahr 2008, schien eigentlich alles ganz klar und einfach. Katrin und Frank Ripken hatten eine Entscheidung getroffen. Sie hatten einen Plan. Und sie gingen voller Tatendrang daran, diesen Plan auch umzusetzen. Das Unternehmerehepaar übernahm als zweite Generation die Führung im Familienunternehmen, einem Fleischerei-Fachgeschäft. „Wir haben uns Ziele für die nächsten zehn Jahre gesetzt: Moderne Dienstleistungen wie den Mittagstisch und Partyservice ausbauen. Die Eigenproduktion und Qualität auf hohem Niveau erhalten. Den Umsatz steigern. Das Team vergrößern.“

Der Zehn-Jahres-Plan der Ripkens ging auf: Mit mittlerweile zwölf Mitarbeitern verkauft das Fleischerei-Fachgeschäft Ripken im niedersächsischen Augustfehn zu 90 Prozent eigenproduzierte Fleisch- und Wurstwaren an der Theke. Das Team kocht zudem täglich für 120 Gäste. Am Wochenende stehen oft Caterings für Feiern an, denn die Fleischerei hat sich in der Region einen guten Namen im Partyservice gemacht. Ein Online- Shop und ein Verkaufsautomat kamen hinzu. Das Geschäft brummt, trotz der Konkurrenz durch Supermärkte und Discounter mit ihren Billig- und Fertigprodukten. Nebenbei zog das Paar zwei Kinder groß, heute ist die nächste Generation im Hause Ripken 15 und 17 Jahre alt. „Wir haben vieles geschafft, immer alles gegeben, damit alle glücklich und zufrieden sind“, sagt Katrin Ripken. Darauf ist das Unternehmerpaar stolz. „Aber nun waren 2018 die zehn Jahre um. Und irgendwie war einfach die Luft raus.“

Selbst und ständig ist keine Lösung

Die Chefin des Fleischereibetriebs beschreibt eine Situation, die viele Unternehmer im Handwerk schon einmal so oder so ähnlich erlebt haben: „ Man funktioniert nur noch. Steht morgens so früh wie möglich auf, arbeitet alles ab, sodass immer alles läuft, läuft, läuft.“ Von morgens bis abends, unter der Woche und auch jedes Wochenende galt für das Unternehmerpaar: allzeit bereit, immer im Einsatz für das Unternehmen. Auch wenn das Geschäft gut läuft, die Auftragslage bestens ist: So zu arbeiten macht irgendwann keinen Spaß mehr. „Wir haben gemerkt: Alles ist total eingefahren. Nicht nur wir, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter funktionieren viel zu oft nur noch vor sich hin“, sagt Ripken. Die Motivation, der Schwung des Anfangs: Sie waren im Alltag verloren gegangen. Und nach zehn Jahren Vollgas machte sich die fehlende Zeit für Regeneration und Erholung auch körperlich bemerkbar. „Es war klar: Wir müssen etwas tun“, sagt Ripken. Einen neuen Plan entwickeln, neue Motivation und neue Ziele für die nächsten zehn Jahre finden. Fragte sich nur: Wie?

Ein Unternehmen zu führen erfordert nun einmal den Einsatz von viel Zeit, Geduld, Kraft – und immer wieder aufs Neue die Motivation, Herausforderungen und Probleme kreativ und effizient zu lösen. Sprüche wie „Selbstständig sein heißt halt: selbst und ständig“, kennt wohl jeder Unternehmer. Viele Chefs denken daher: Stress gehört zum Chef­sein dazu. „Wenn Unternehmerinnen und Unternehmer im Alltag an ihre Leistungsgrenzen stoßen, der Spaß an der Arbeit verloren geht, dann denken sie oft: Das muss ich aushalten, ich darf mir den Stress einfach nicht anmerken lassen“, sagt Maren Ulbrich, Autorin des Buchs „Der stressfreie Handwerksbetrieb“ und Beraterin für Personalmanagement in Handwerksunternehmen. Statt auf Stress und Erschöpfung damit zu reagieren, dass Chefs Aufgaben abgeben oder Abläufe im Betrieb ändern, sei das Allheilmittel oft: noch mehr Arbeit. „Viele Unternehmer denken, dass besseres Zeitmanagement heißt: noch mehr schaffen in derselben Zeit.“

Ursachen oft bei anderen gesucht

Noch diesen Auftrag zu Ende bringen, noch jenen Stapel abarbeiten. Vielleicht mal ein paar Tage freinehmen, und dann geht es schon wieder irgendwie, so hoffen sie immer wieder aufs Neue. „Gerade in der älteren Generation gilt es Unternehmern oft als Eingeständnis von Schwäche, wenn sie Aufgaben abgeben, nicht alles alleine schaffen. Oder wenn man sich gar externe Hilfe holt, weil es im Betrieb nicht rund läuft“, sagt Ulbrich. Die Folge: Der Stress sucht sich ein Ventil. Die Ursache der Probleme wird dann oft bei anderen gesucht. „Dann schimpft man auf die unselbstständigen Mitarbeiter, auf die nervigen Kunden, auf die Bürokratie. Oder auf die Familie, die nicht versteht, wie stressig der Job ist und was man alles leistet.“ Unternehmer fühlen sich alleingelassen von ihrem Umfeld, in ihrer Leistung nicht anerkannt. Und haben nun erst recht das Gefühl, sich um alles selbst kümmern zu müssen. Das Hamsterrad dreht sich schneller, es wird immer schwerer, das Tempo zu halten.

So war es auch bei Olaf Ringeisen. Gemeinsam mit seinem Vater leitete der Malermeister mit Anfang zwanzig einen Malerbetrieb mit 40 Mitarbeitern im niedersächsischen Northeim. Sieben-Tage- Wochen, ab fünf Uhr im Büro, kein Urlaub, ständiger Stress, Gereiztheit, Dauererschöpfung – so beschreibt er heute seinen damaligen Alltag. „Ich war jung, da ging das schon alles irgendwie“, sagt Ringeisen heute. „Aber Spaß hat das nicht gemacht.“ Zudem sah Ringeisen bei seinem Vater die Folgen des Dauerstresses: „Der Stress hat ihn auch körperlich krank gemacht.“

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Checkliste: In fünf Schritten raus aus dem Hamsterrad

Was tun, damit der Job als Chef wieder Spaß macht? Eine kritische Bestandsaufnahme machen, delegieren lernen, miteinander sprechen und an Regeln halten – so kommen Sie in fünf Schritten raus aus dem Hamsterrad von zu viel Stress und zu wenig Zeit.
1. Bestandsaufnahme Gemeinsam mit den Mitarbeitern gilt es genau hinzuschauen: Welche ganz konkreten Aufgaben fallen im Unternehmen an? Wer übernimmt sie zurzeit? Und wer kann, will und sollte sie in Zukunft übernehmen? Welche Kompetenzen und Ressourcen sind nötig, um die einzelnen Aufgaben zu erfüllen? „Sind alle Aufgaben verteilt und Zuständigkeiten klar kommuniziert, bleibt auch keine Aufgabe liegen“, sagt Management-Experte Thomas Graber.
2. Verantwortung abgeben Experten für Zeitmanagement und Selbstorganisation empfehlen, alle anfallenden Aufgaben nach dem sogenannten Eisenhower-Prinzip in vier Kategorien aufzuteilen. Der Chef sollte nur Aufgaben aus den Kategorien A und B selbst übernehmen.
3. Raum für Austausch schaffen Raum für Austausch schaffen Wenn Mitarbeiter mehr Verantwortung tragen sollen, benötigen sie auch alle relevanten Informationen, um gute Entscheidungen treffen zu können. Regelmäßige Team-Treffen und feste Termine und Abläufe für den Austausch von Informationen sind daher erfolgsentscheidend. Diese Zeit zum Austausch muss bezahlte Arbeitszeit für die Mitarbeiter sein – nur dann ist klar, dass die Teamtreffen für den Erfolg des Unternehmens wichtig und sinnvoll investierte Zeit sind.
4. Disziplin Verbindlichkeit, Verantwortung, Vertrauen: Auf diese drei Werte kommt es laut Organisationsexperte Graber an, wenn man im Unternehmen nachhaltig etwas verändern und Stress reduzieren will. „Wenn man Aufgaben verteilt und Spielregeln für die Zusammenarbeit aufgestellt hat, muss man sich auch absolut konsequent daran halten“, sagt Graber. Die Chefs haben dabei eine Vorbildfunktion, müssen ihre eigenen Regeln ernst nehmen. „Sonst rutschen alle Beteiligten wieder in alte Verhaltensmuster zurück.“
5. Prüfen Im laufenden Betrieb Abläufe und Strukturen zu verändern ist nie einfach. Neue Aufträge, neue Mitarbeiter: Jede Veränderung stellt auch die Unternehmensstrukturen auf die Probe. Deshalb ist es wichtig, regelmäßig zu prüfen, ob Aufgabenverteilung und Strukturen noch zu den aktuellen Herausforderungen im Unternehmen passen. Oder ob sich das Hamsterrad unbemerkt schon wieder anfängt zu drehen.

Der Malermeister suchte sein Heil zunächst im Wachstum. Er begann, Management-Literatur zu lesen, suchte nach immer neuen Methoden, um Mitarbeiter auf Trab zu bringen, Kunden besser zu managen, Aufträge zu akquirieren, Umsätze zu steigern. Die Mitarbeiter hätten seine neuesten Management-Ideen irgendwann nur noch stoisch ertragen, berichtet Ringeisen. „Die haben sich gedacht: Ach lass den mal, in ein paar Tagen oder Wochen gibt er das wieder auf, dann ist Ruhe.“ Zeit und Nerven, um seine Ideen nachhaltig umzusetzen, hatte der junge Chef in seinem Hamsterrad nämlich nie.

Heute kann Ringeisen selbst nur noch den Kopf schütteln über seine Betriebsblindheit: „Mein damaliges Alphatiergehabe, mein schlechtes Management, das war das eigentliche Problem“, sagt er. „Ich schimpfte aber immer auf die Mitarbeiter: Die schalten doch ihren Kopf ab, wenn die morgens auf den Hof kommen. Die würden am liebsten den ganzen Tag in der Hängematte liegen. So was.“ Größer, schneller, besser war das Motto: Ringeisen nahm zu viele und zu große Aufträge an, das Unternehmen geriet in Liquiditätsengpässe. Immer mehr Arbeit, immer mehr Frust, immer weniger Geld. „ Die finanzielle Krise war eigentlich mein Glück, denn dadurch musste ich handeln. Und einsehen, dass das Problem bei mir selbst lag.“

Spielraum nicht ausgenutzt

Im Jahr 2009 zog Ringeisen die Notbremse. „Statt ein weiteres Seminar zu belegen oder mir ein Krisenmanagement-Buch zu kaufen, habe ich die Mitarbeiter gefragt: Was muss passieren, damit es wieder läuft? Was braucht ihr von mir, um gut arbeiten zu können? Was muss ich als Chef verändern?“ Ein halbes Jahr lang fragte er einen kleinen Kreis von Mitarbeitern, was sich ändern müsste und wie das gelingen könnte. Immer wieder, jede Woche, in regelmäßigen Meetings, die für alle zur Routine wurden. rgendwann haben meine Mitarbeiter dann begonnen, mir zu vertrauen, dass ich wirklich was ändern will dieses Mal.“

Heute hat Ringeisen nur noch zehn Mitarbeiter. Statt 80 Stunden pro Woche arbeitet er nur noch 20 Stunden im eigenen Malerunternehmen. Nebenbei gibt er mit seiner Beratungsfirma Qualygate seine Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Neuaufstellung an andere Malerbetriebe weiter. Gleich zwei Unternehmen führen? Klingt stressig. „ Ja, aber jetzt ist es positiver Stress“, sagt Ringeisen. Die Arbeit mache Spaß, beide Unternehmen seien profitabel, alle Aufgaben sinnvoll auf mehrere Köpfe verteilt. „Und Freitagmittags um zwei Uhr mache ich Feierabend. Dann ist für mich Wochenende.“

Nutzen, was andere besser können

Ganz so gravierend muss die Veränderung gar nicht sein, damit der Job als Chef wieder Spaß macht. Das sagt jedenfalls Thomas Graber, Bauunternehmer und Management-Berater für Handwerksunternehmen. In seinem Buch „MeTime – eine Philosophie für mehr Lebensqualität“ beschreibt er, wie Unternehmer lernen können, sich im Chefalltag wieder mehr um sich selbst zu kümmern. „In vielen Unternehmen ist schon viel erreicht, wenn die Chefs verstehen: Es ist nichts Verwerfliches daran, Freiräume für sich selbst zu schaffen und sich selbst etwas Gutes zu tun, mal die eigenen Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen.“

Stress-Typen
So gehen die Deutschen mit Stress um: Die meisten Menschen sind Durchhalter, ertragen also die Situation und hoffen darauf, dass sie sich wieder auflöst. Gut jeder Fünfte versucht Stress zu vermeiden, indem er sich zurückzieht und wegduckt. Etwa ein Sechstel sieht sich als Kämpfer. - © TK-Stressstudie 2016

Mehr Organisation, mehr Struktur im eigenen Unternehmen sind der erste Schritt auf dem Weg zu mehr Freiraum. „Viele von den Werkzeugen, die man dazu einsetzen kann, sind eigentlich bekannt und naheliegend“, sagt Graber. Todo- Listen, die alle Mitarbeiter strukturiert abarbeiten. Alle Aufgaben im Betrieb identifizieren, aufschreiben – und entscheiden, wer sie wann erledigt. „Jedem einzelnen Mitarbeiter muss im Detail klar sein, was sein Job ist – und was nicht“, sagt Graber. Das gelte vor allem für die Unternehmer: „Nur wenn ich als Chef selbst effizient, sortiert und professionell organisiert arbeite, kann ich auch von anderen erwarten, so zu handeln.“

Dabei gilt: Finger weg von Aufgaben, die andere besser oder ebenso gut erledigen können. Im Handwerk, wo Unternehmer in der Regel kein „Backoffice“ haben, an das sie Aufgaben wie Controlling, Einkauf, Marketing, Datenschutz, Finanzen, Steuern, IT oder Telefondienst abgeben können, ist die Versuchung immer groß, all diese Dinge „mal eben schnell selbst“ zu machen. „ Der wichtigste Schlüssel zu weniger Stress ist es, den Mitarbeitern mehr zuzutrauen und sinnvoll delegieren zu lernen“, sagt deshalb Udo Herrmann, Schreinermeister und Erfolgstrainer für Handwerksbetriebe. „Das ist nicht nur für die Chefs selbst wichtig. Sondern auch für die Mitarbeiter, die sich dadurch ernst genommen fühlen und eine Entwicklungsperspektive für sich selbst im Unternehmen entdecken.“

Vergangene Konflikte bewältigen

Diese Erfahrung hat auch das Unternehmerpaar Ripken gemacht. „Zuerst hatten wir die Idee, ein Motivationsprogramm für unsere Mitarbeiterinnen im Verkauf zu machen“, erzählt Katrin Ripken. „Wir wollten sie zum einen für ihre lange Loyalität belohnen, etwas für Gesundheit und Motivation tun. Und sie andererseits auch dazu ermuntern, mal aus ihrem eingefahrenen Stil im Verkauf herauszukommen.“ Im Gespräch mit Handwerks-Coach Maren Ulbrich wurde aber schnell klar, dass es mit ein paar Motivations-Seminaren und Vertriebskursen für die Mitarbeiter nicht getan sein würde. Coach Maren Ulbrich brachte stattdessen erst einmal alle Beteiligten dazu, einen Perspektivwechsel zu versuchen: Mit den Mitarbeiterinnen sprach sie darüber, welche Veränderungen sie sich von der Unternehmensführung wünschten – und erarbeitete dabei mit ihnen gemeinsam eine Aufstellung all der Tätigkeiten, die ihre Chefs im Unternehmen übernahmen. „Dadurch wurde den Mitarbeiterinnen klar, wie viele Aufgaben und Entscheidungen eigentlich dazu gehören, ein Unternehmen zu führen“, sagt Katrin Ripken. Gefördert wurden Beratung und Coaching durch das Programm „Unternehmenswert Mensch“, (finanziert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales) bei dem Beratungskosten für Themen rund um Personalführung und Gesundheitsmanagement zu 50 bis 80 Prozent übernommen werden.

Das Unternehmerpaar selbst musste sich in Einzelgesprächen und Workshops erst einmal unterschwelligen Konflikten stellen, die im Team und in der Familie lange unter den Teppich gekehrt worden waren. „Zum Teil kamen diese Konflikte noch aus der Zeit der Unternehmensübergabe“, sagt Katrin Ripken. „Vor lauter Arbeit waren wir nie dazu gekommen, wichtige persönliche Themen einmal anzusprechen. Die Zeit und die Energie hatten einfach gefehlt.“

Erfolgserlebnisse ermöglichen

Da war die ältere Generation, die den Sinn vieler Veränderungen im Unternehmen infrage stellte. Der Bruder, der im Zuge der Nachfolgeregelung in die zweite Reihe zurückgetreten war. Die Mitarbeiterinnen, die das Gefühl hatten, ihnen würde nicht mehr zugetraut als die alltägliche Standardarbeit. „ Wir waren in manchen Aspekten einfach betriebsblind geworden, sahen gar nicht mehr, dass man Dinge auch anders organisieren könnte, dass wir nicht immer alles auf unsere eingeschliffene Art machen müssen“, sagt Frank Ripken. „Morgens kamen alle ins Geschäft, und zack ging man an die Arbeit.“

Da blieb wenig Zeit zum persönlichen Austausch und wenig Raum für Gespräche, wenn jemand unzufrieden war. „Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen haben wir dann in Workshops nicht nur solche Unstimmigkeiten besprochen, sondern vor allem ganz konkrete Maßnahmen erarbeitet, mit denen wir besser zusammenarbeiten können“, erklärt Frank Ripken. Durch kleine Veränderungen habe sich überraschend schnell viel verändert.

Rotationsprinzip überträgt Mitarbeitern mehr Verantwortung

Die wichtigsten Neuerungen: Regelmäßige Teambesprechungen am Morgen. Ein Rotationsprinzip, bei dem Mitarbeiterinnen im Verkauf regelmäßig die Einsatzorte im ternehmen wechseln. „Und vor allem: Wichtige Aufgaben wie den Einkauf haben wir auf mehrere Köpfe verteilt“, ergänzt Katrin Ripken. Eine Verkäuferin übernimmt zum Beispiel den Einkauf von Verpackungen, eine kauft Salate, eine macht den Geflügel- und Eiereinkauf. „Solche Aufgaben haben wir früher immer selbst übernommen – zum ersten Mal haben wir uns getraut, sie vollständig abzugeben.“ Dadurch hätten die Mitarbeiterinnen automatisch angefangen, mehr mitzudenken und selbst Verantwortung zu übernehmen, sagt Ripken. „Wenn man die Eier selbst eingekauft hat, achtet man halt auch mehr darauf, dass sie verbraucht werden, bevor das Ablaufdatum erreicht ist.“

Das ganze Team sei schon nach rund einem halben Jahr durch diese Veränderungen wieder mit mehr Spaß bei der Arbeit. „Die gute Stimmung im Team bemerken auch die Kunden, das tut dem ganzen Unternehmen gut“, betont Katrin Ripken. Vor allem aber hat das Unternehmerpaar nun das gute Gefühl, dass alle Mitarbeiterinnen wissen, welche Aufgaben im Unternehmen anstehen. Dass Probleme schnell und offen angesprochen werden. Und dass alle Verantwortung übernehmen können. „Auch wenn einer von uns einmal ausfällt und ein paar Tage nicht im Unternehmen ist, fehlt deshalb jetzt halt nicht plötzlich die Leberwurst im Laden.“ Das Unternehmerpaar hat mehr Raum für Erholung und Freizeit. Mehr Vertrauen in die Mitarbeiter bedeute eben auch: Freie Wochenenden – und in den Urlaub fahren, ohne Betriebsferien machen zu müssen, sagt Katrin Ripken. „Vor allem aber haben wir endlich auch wieder Spaß daran, Pläne zu schmieden und das Unternehmen weiterzuentwickeln.“

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Checkliste: So schützen Sie Ihren Körper vor Überlastung

Das Problem fängt meist bei einem selbst an: Denn oft signalisiert einem der Körper mit psychosomatischen Beschwerden und nicht selten auch mit Schmerzen bereits im Vorfeld, dass man in die Krise steuert oder sich schon mitten darin befindet.
1. Symptome beachten Bevor ein Körper überlastet ist, sendet er in der Regel deutliche Signale. Diese sollten Sie wahrnehmen und ernst nehmen: Kopf- und Rückenschmerzen, Verspannungen, Taubheitsgefühle, Schlafstörungen und Magen-Darm-Beschwerden können auf Stress und Überforderung hinweisen.
2. Den gesamten Alltag planen Um aus dem Hamsterrad auszubrechen, braucht es ein effektives Selbstmanagement. Dazu gehört unbedingt, Aufgaben zu priorisieren (siehe Eisenhower-Matrix) – und zwar nicht nur im Beruf, sondern auch für das Privatleben. Pausen nützen ebenfalls. Also besser fünf Minuten früher wecken lassen und noch einmal tief durchatmen, bevor es losgeht.
3. Egoistisch werden Selbstachtung ist ein hohes Gut, denn nur wer seine eigenen Grenzen kennt, bleibt auf Dauer leistungsfähig. Heißt: Auch der Chef macht mal früh Feierabend und nutzt den schönen Tag für einen Ausflug ins Grüne.
4. Gesinnungsgenossen finden Vieles fällt leichter mit ein wenig sozialem Druck. Beispielsweise Sport. Wer sich einer Laufgruppe anschließt oder einem Verein beitritt, ist oft disziplinierter mit sich selbst.
5. Ehrlich sein Niemand ist perfekt und immer gut drauf. Wer Sorgen, Trauer, Wut oder Hilflosigkeit nicht wegdrückt, sondern zulässt und sich Hilfe sucht, wird auf Dauer weniger anfällig dafür. Ausgeglichenheit kommt nicht von allein – und manchmal ist auch ein Besuch beim Arzt angesagt.