Arbeit 4.0 Fördermittel für Weiterbildung: So wird Ihr Team fit für die Zukunft

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Digitalisierung, Fachkräftemangel, Internationale Handwerksmesse, Mitarbeitermotivation und Weiterbildung

Bei Ihnen stapeln sich die Aufträge, und es fehlen Zeit und Mittel für eine gezielte Qualifizierung der Mitarbeiter? Dann lassen Sie doch die Profis ran, und nutzen Sie das reichhaltige Förderangebot. Wir haben exklusiv für Sie alle Programme für Handwerker von Bund und Ländern in einer Marktübersicht zusammengestellt.

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    Tischlerei Röwekamp & Stumpe
    © Jens Nieth
    Dorothee Stattmann von der Tischlerei Röwekamp & Stumpe in Telgte zu den Zielen des Kleinbetriebs.
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    Bernd Allmendinger
    © Björn Hänsler
    Bernd Allmendinger (Mitte), Steinmetz in Ostfildern, hat die Schulungen mit Fördermitteln der L-Bank finanziert.

Wenn Bernd Allmendinger mit seiner Erfahrung und dem unternehmerischen Wissen nicht mehr weiterkommt, holt er sich Rat bei anderen. „Ich bin mit dem Betrieb aufgewachsen und habe schon als Kind gelernt, dass man als Unternehmer immer sehr genau abwägen muss, was man tut“, erklärt der Steinmetzmeister und Inhaber der Allmendinger GmbH im schwäbischen Ostfildern. Als er den Betrieb 2002 von seinem Vater übernahm und beide ihn dann in der Folge durch den Aufbau neuer Geschäftsfelder von zehn auf 40 Mitarbeiter aufstocken konnte, geriet der von seinem Vater praktizierte Führungsstil an seine Grenzen. „Es war nicht mehr möglich, alle Mitarbeiter detailliert zu unterweisen, ich musste Aufgaben delegieren .“ Da Führungsthemen bei seiner Meisterausbildung noch keine Rolle spielten, bildete sich Bernd Allmendinger selbst in den Bereichen Coaching und Unternehmensführung weiter. Mit dem Ziel, die Mitarbeiter darauf einzustimmen, auch komplexe Aufgaben selbstständig zu übernehmen, und sie zudem auf den digitalen Wandel im Betrieb vorzubereiten .

Neues lernen: Wie Chefs die Mitarbeiter überzeugen

Obwohl der Steinmetz seine Mitarbeiter in Einzelgesprächen nach ihren Wünschen und Zielen gefragt hat, verstanden zunächst nicht alle, warum sich etwas ändern soll. „Vor allem die langjährigen Mitarbeiter hatten zunächst Vorbehalte, noch einmal etwas Neues zu lernen“, erklärt der schwäbische Unternehmer. Um die Akzeptanz zu steigern, beschränkte er sich im ersten Schritt vor allem auf fachorientierte Schulungen, die für bessere Abläufe im Betrieb sorgen und das Arbeiten für alle einfacher gestalten. So wurde nicht nur ein neues Warenwirtschaftssystem eingeführt, sondern auch eine computergesteuerte Maschine für das Bedrucken von Glas angeschafft.

Fördermittel: Geld vom Staat nutzen

Die jeweils notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen inklusive Prüfungen, Reisekosten und Lohnfortzahlungen hat Allmendinger über das Förderprogramm Weiterbildungsfinanzierung 4.0 der L-Bank Baden-Württemberg finanziert. Bis zu 20.000 Euro pro Beschäftigten können Unternehmer im Ländle als zinsvergünstigtes Darlehen über ihre Hausbank erhalten, wenn sie ihr Team für neue Produkte, Geschäftsfelder oder Prozesse weiterbilden möchten. Für Allmendinger ist die Förderung ein zusätzlicher Anreiz, den anfangs bei den Mitarbeitern nicht immer willkommenen Qualifizierungsprozess weiter voranzutreiben. „Inzwischen läuft es richtig gut, die Mitarbeiter müssen sich erst mal daran gewöhnen, dass immer was Neues kommt“, zeigt der Steinmetz Verständnis. Für ihn selbst hat sich der Schritt in Richtung zu einer modernen Führungskultur und Arbeitsorganisation auf jeden Fall gelohnt: „Der Betrieb läuft heute auch mal ohne mich.“

Mit seinem Engagement befindet sich der schwäbische Unternehmer in bester Gesellschaft, wie die Weiterbildungserhebung 2017 des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt. Danach boten 85 Prozent der Firmen ihren Mitarbeitern Weiterbildungsmaßnahmen an, dabei gaben sie im Durchschnitt 1.067 Euro pro Mitarbeiter aus. Im Zeitablauf besonders stark gestiegen sind laut Analyse der IW-Experten die Weiterbildungsaktivitäten in den klassischen Ausbildungsberufen und in den Berufen mit Fortbildungsabschluss: Nahmen 1999 noch 56 Prozent der Mitarbeiter mit Fortbildungsabschluss an Weiterbildungen teil, betrug die Quote 2012 schon 64 Prozent. Bei den Ausbildungsberufen gab es mit einem Wachstum von 37 auf 57 Prozent einen noch stärkeren Anstieg. Auch die Mitarbeiter ohne beruflichen Abschluss können sich dem Qualifizierungstrend nicht mehr entziehen: Absolvierten 1999 nur 17 Prozent dieser Gruppe eine Weiterbildung, waren es 2012 schon stolze 37 Prozent.

Mitarbeiter: neue Umgangsformen im Team notwendig

Trotz des positiven Trends ist es nach wie vor f ür viele Betriebe eine Herausforderung, die Weiterbildungsmaßnahmen in den betrieblichen Alltag zu integrieren. Christine Seger, Geschäftsführerin der Miterfolg GmbH in Kassel und zertifizierte Beraterin im Förderprogramm „Unternehmenswert Mensch“, kennt die Vorbehalte von Chef und Mitarbeitern beim Thema Weiterbildung nicht nur als Beraterin, sondern auch als Geschäftsführerin des Familienbetriebs Seger Transporte im unterfränkischen Münnerstadt:
„Man muss die Menschen in ihrem Tempo mitnehmen, sonst schalten sie auf stur und verweigern sich.“ Das kann, wie die Expertin für partnerschaftliche Unternehmensführung betont, durchaus ein längerer Prozess sein, doch nach ihrer Erfahrung gibt es zum Anfangen und Durchhalten auch im Handwerk keine Alternative: „Wir brauchen einen anderen Umgang in den Betrieben: Der Chef muss attraktive Arbeitsplätze bieten, sonst findet er keine Fachkräfte mehr.“ Leider sei diese Erkenntnis noch längst nicht bei allen Unternehmern angekommen, obwohl Bund und Länder die Personalentwicklung teilweise sehr üppig fördern.

Die Expertin lobt hier vor allem das Programm „Unternehmenswert Mensch“ (UWM), das bundesweit allen Kleinbetrieben offensteht. Denn hier geht es nicht nur um die Übernahme von Schulungskosten, sondern der Unternehmer erhält zunächst bei der kostenfreien Erstberatung eine Empfehlung, ob und in welchen Bereichen konkreter Handlungs- und Beratungsbedarf besteht. Wurde dieser festgestellt, erhält der Unternehmer einen Beratungscheck und kann sich aus dem UWM-Beraterpool einen Experten aussuchen, der gemeinsam mit ihm die notwendigen Maßnahmen festlegt und deren Umsetzung im Betrieb begleitet. Gefördert werden mit einem Zuschuss von 50 Prozent bis zu zehn Beratertage a 1.000 Euro. In der Programmvariante UWM plus, die den digitalen Wandel in Kleinbetrieben vorantreiben will, beträgt die Förderquote sogar stolze 80 Prozent für zwölf Beratertage.

Wie die IW-Weiterbildungserhebung zeigt, sind es in der Tat nicht die fehlenden finanziellen Mittel, die Qualifizierungsmaßnahmen in Betrieben scheitern lassen. Gefragt nach den Gründen, warum keine Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden, antwortet jeweils die Hälfte der Unternehmen, dass die Mitarbeiter kein Interesse hätten und es zu wenig Kapazitäten für die Organisation von Weiterbildungen gibt. Finanzielle Gründe werden nach Auskunft der IW-Experten nur von 40 Prozent als Weiterbildungshemmnis genannt und haben demnach eine klar geringere Bedeutung als die Zeit.

Wichtig: Genug Zeit für Veränderungen einplanen

Eine Erfahrung, die Dorothe Stattmann von der Tischlerei Röwekamp & Stumpe in Telgte bestätigen kann. Durch den Tipp eines Beraters hatte der Betrieb 2014 vom Förderprogramm „Unternehmenswert Mensch“ erfahren und sich von der Regionalagentur beraten lassen. „Unser Ziel war es, mehr Umsatz und mehr Zufriedenheit bei den Mitarbeitern zu erreichen“, erklärt Dorothe Stattmann. Die anschließende Prozessberatung durch den UWM-Berater Hendrik Pröhl (Hamburg) wurde dann in die Handlungsfelder Kommunikation, Struktur und Klarheit sowie eigene Kompetenz aufgeteilt.

Was zunächst sehr theoretisch klingt, wurde dank des pragmatischen Ansatzes von Tischler und Berater Pröhl vom Team sehr gut angenommen: „Im ersten Schritt haben wir die Laufwege im Betrieb aufgezeichnet, um festzustellen, wer welche Materialien wo sucht und an welchen Orten Sammelstellen sinnvoll wären“, nennt Dorothe Stattmann ein Beispiel für die Ermittlung von Maßnahmen zur Verbesserung der Betriebsorganisation. Was das mit Personalentwicklung zu tun hat? „Es stresst die Leute einfach, wenn sie ewig suchen müssen und nix vorangeht.“

Insgesamt zwölf Beratertage hat der Kleinbetrieb in Anspruch genommen, dazu kommen natürlich noch viele interne Stunden, an denen die mit dem Berater erarbeiteten Konzepte umgesetzt werden mussten. So wurde etwa von jedem Mitarbeiter ein Profil erstellt, auf dessen Basis individuelle Weiterbildungsmaßnahmen vereinbart wurden. Für die einzelnen Arbeitsplätze gibt es heute Checklisten, sodass sich jeder schnell zurechtfinden kann. Regelmäßige Besprechungen und ein Übergaberaum mit Plantafel und Laptop, in dem die Aufträge mit den Mitarbeitern durchgesprochen werden, wurden ebenfalls installiert. „Das Paket aus finanzieller Unterstützung und Kompetenz ist klasse, allein und ohne den Blick von außen hätten wir das nicht geschafft“, freut sich Dorothe Stattmann über die zählbaren Fortschritte.

Checkliste: So ermitteln Sie Ihren Weiterbildungsbedarf

Sie sind unsicher, ob und in welchen Bereichen es in Ihrem Betrieb Weiterbildungsbedarf gibt? Die folgende Checkliste des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung in Köln ermöglicht eine erste Einschätzung . Je mehr Punkte auf Ihren Betrieb zutreffen, desto dringender sollten Sie sich um Qualifizierungsmaßnahmen kümmern.

  • Viele Tätigkeiten werden sich in den nächsten Jahren verändern, sodass die Mitarbeiter andere Qualifikationen benötigen.
  • Wir haben unternehmensspezifische Kompetenzanforderungen, für die es keinen passenden Aus- oder Fortbildungsberuf gibt.
  • Wir können auf dem Arbeitsmarkt aufgrund von Engpässen keine geeigneten Arbeitskräfte finden.
  • Ältere Fachkräfte gehen in Ruhestand und nehmen ihr Erfahrungswissen mit.
  • Wir haben Rekrutierungsprobleme auch in solchen Berufen, die aktuell keine Engpässe aufweisen.
  • Es herrscht eine hohe Unzufriedenheit in der Belegschaft, die Arbeitsmotivation ist generell begrenzt.
  • Wir haben eine im Vergleich zu anderen Betrieben unserer Branchen (zu) hohe Fluktuation .
  • Unser Unternehmensimage ist verbesserungswürdig.
  • Wir führen neue Technologien oder neue Arbeitsprozesse ein, für die unser Personal noch keine ausreichende Qualifikation besitzt.
  • Wir wollen künftig die Potenziale der Digitalisierung und von Handwerk 4.0 für unser Unternehmen intensiver nutzen.
  • Wir wollen unsere Innovationsfähigkeit erhöhen.
  • In der Belegschaft besteht der Wunsch nach (zusätzlichen) Weiterbildungsmaßnahmen.