Antidiskriminierung: Vorsicht vor fingierten Testbewerbungen

Handwerksbetriebe, die neue Mitarbeiter suchen, sollten Zeugnisse und Lebensläufe sorgfältig lesen. Unter den Einsendungen können sich nämlich fingierte Bewerbungen befinden, die gewiefte Bewerber später zu irren Schadensersatzforderungen animieren.

Inszenierte Diskriminierung: Mancher Bewerber hat es auf die Entschädigung abgesehen. - © fotodo/Fotolia.com

Wer wegen seines Geschlechts, Alters oder auch seiner Religionszugehörigkeit trotz entsprechender Eignung vom stellenausschreibenden Arbeitgeber nicht eingestellt wird, hat nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Anspruch auf eine Entschädigung. Doch gewiefte Bewerber haben es allein auf diese Geldzahlung abgesehen. Sie schleichen sich ein wie trojanische Pferde. Rein formal gesehen bewerben sie sich völlig korrekt auf diverse Stellen – auch im Handwerk. Macht der potenzielle Arbeitgeber aber einen Fehler im Bewerbungsverfahren, schlagen sie erbarmungslos zu. Über einen besonders dreisten Fall des so genannten AGG-Hoppings musste kürzlich das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein entscheiden (Az.: 3 Sa 401/13).

Der Fall betraf einen Arbeitgeber, der Servicetechniker im Innendienst suchte. Auf eine der Anzeigen bewarb sich ein 50-jähriger Mann, der über die nach der Ausschreibung notwendigen Kenntnisse verfügte. Weil aber einige der geforderten Praxiserfahrungen bereits mehrere Jahre zurücklagen, schickte er zusätzlich eine Testbewerbung einer von ihm fingierten, 18 Jahre jüngeren Person ab, die auch über die nach der Ausschreibung notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügte. Dafür hatte er sich einen in Teilen ähnlichen Lebenslauf mit anderen Tätigkeiten ausgedacht, Schul- und Firmenzeugnisse gefälscht sowie ein altes Foto von sich verwendet. Die gewünschten Praxiserfahrungen dieser Testperson waren so wesentlich aktueller und teilweise auch spezieller. Der unbemerkt getestete Arbeitgeber lud den fiktiven Bewerber umgehend zum Vorstellungsgespräch ein. Dieser sagte sofort ab. Zu der ursprünglichen Bewerbung schickte die Arbeitgeberin einige Zeit später eine allgemeine Absage. Daraufhin klagte der Mann auf Zahlung einer Entschädigung von mindestens 10.500 Euro wegen Altersdiskriminierung.

Altersunterschied allein reicht nicht aus

Das LAG Schleswig-Holstein gab dem getesteten Arbeitgeber Recht und wies die Klage insgesamt ab. Begründung: Es lägen keine Indizien für die Vermutung vor, dass der Kläger „wegen“ seines Alters nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen, also benachteiligt wurde. Allein auf das Bestehen eines Altersunterschiedes kann sich der abgewiesene Bewerber laut Richterspruch bei der Entschädigungsklage nicht berufen. Weitere Indizien, die für eine Diskriminierung hätten sprechen können, hatte der Kläger nicht vorgetragen.

Und die gefälschten Zeugnisse? Das Gericht weist überraschenderweise darauf hin, dass inszenierte Testverfahren zur Klärung von Diskriminierungsfällen nach der Gesetzesbegründung zum Antidiskriminierungsgesetz zulässig sind. Sie müssen aber nach Ansicht des Gerichts einen berechtigten Auslöser haben, die Strafgesetze beachten und dürfen nicht rechtsmissbräuchlich sein. Ob all das in dem Urteilsfall beachtet wurde, daran hatte das Gericht so seine Zweifel, ließ die Frage aber letztendlich offen. Aus Sicht des LAG hatte der Arbeitgeber seine Auswahlentscheidung nämlich völlig korrekt auf die nach der Papierform aktuelleren Erfahrungen des fiktiven Bewerbers im Bereich der elektronischen Entwicklung und von diesem jahrelang durchgeführten Kundensupport gestützt. Allein der Altersunterschied zwischen zwei unterschiedlich behandelten Bewerbern lasse noch keine Diskriminierung wegen Alters vermuten, betonten die Richter.

Aus Arbeitgebersicht dennoch schade: Das Gericht äußerte sich nicht zu der praxisrelevanten Frage, ob der Testbewerber seinerseits dem Arbeitgeber Schadensersatz schuldet. Immerhin wurden bei diesem unnötige personelle Ressourcen rund um die betrügerische Testbewerbung verbraucht.