Anruf genügt

Rechtsschutz-Hotline | Den Anwalt einfach mal kurz anrufen, wenn man ihn braucht. Neuerdings geht das auch in Fällen, die nicht über die Rechtsschutzpolice des Kunden gedeckt sind. Was Ratsuchende vom anderen Ende der neuen juristischen Hotlines erwarten können – und was nicht.

Anruf genügt

Ring frei für eine neue Runde der Rechtsschutzversicherer, die bei potenziellen Kunden vor allem mit neuen Serviceangeboten punkten wollen. Dreh- und Angelpunkt dabei: telefonische Erstberatung vom Anwalt - auch für Bereiche, die durch eine bestehende Rechtsschutzpolice nicht gedeckt oder generell vom Rechtsschutz ausgeklammert sind.

„Das ist ein Service, der dem Kunden nicht einfach als Bonbon bewilligt wird, sondern als vereinbarte Leistung abrufbar ist“, wirbt Klaus Heiermann von der Arag aus Düsseldorf. „Auch wenn der Betroffene nur ein Rechtsgebiet versichert hat, bekommt er die Beratungsleistung für andere Bereiche dazu.“ Und der Arag-Mitarbeiter ergänzt: „Es mag für Außenstehende eine Kleinigkeit sein, für die Versicherer ist das aber eine erhebliche Veränderung.“

Anwalthotlines gehören zwar mittlerweile zum Service eines Teils der Rechtsschutzversicherer, doch beschränkte sich die Beratung bislang auf den versicherten Rechtsschutzfall. Noch lassen sich die Anbieter, die mit ihrem Beratungsangebot darüber hinausgehen, an einer Hand abzählen. Zu Arag und Advocard, die sich dabei als Trendsetter sehen, gesellten sich im vergangenen Jahr auch die Allianz und D.A.S. Andere Anbieter wie die Huk-Coburg wollen den Ball eventuell demnächst aufnehmen. Beim Roland-Rechtsschutz war das Ende des Jahres schon beschlossene Sache.

Von den 130000 Anrufern, die in den ersten neun Monaten 2006, die neue kostenlose 24-Stunden-Rechtsschutzhotline der Münchener Allianz anwählten, haben sich 70000 zu einer unabhängigen Anwaltskanzlei durchstellen lassen. „Mit über 50 Prozent Vermittlungsquote kann man die telefonische Erstberatung als Erfolgsmodell bezeichnen“, meint Allianz-Sprecher Christian Weishuber. Und Klaus Heiermann von der Arag stellt fest: „Das ist ein Paradigmenwechsel auf dem hart umkämpften Rechtsschutzmarkt. Weil sich Rechtsschutzversicherer bisher eigentlich nur als reine Kostenerstatter verstanden haben.“ Jetzt also auch als Rechtsdienstleister.

Kritik vom Anwaltverein

„Logisch. Wenn das eine Unternehmen anfängt, muss das andere mit. Beim Publikum ist das inzwischen ja auch sehr beliebt – Lösung per Telefon nach dem Motto: Sag mal schnell, was richtig ist“, kommentiert Michael Wortberg aus der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz die neuen Angebote. Zumal der neue Service der Rechtsschutzversicherer nicht viel beziehungsweise nichts extra kostet.

Tendenzen, die die „Anwaltschaft generell mit Sorge sieht. Auch der Deutsche Anwaltverein“, so dessen Sprecher Swen Walentowski. Er begründet die Vorbehalte folgendermaßen: „Hier wird ein Bewusstsein für Preise geschaffen, die eigentlich nicht marktgerecht sind. Man bekommt ja auch keine Waschmaschine für fünfundzwanzig Euro repariert. Dienstleistungen, die einen qualitativ hohen Anspruch haben, kosten Geld. Hier wird der Eindruck erweckt, man bekäme zu einem Dumpingpreis einen Rechtsrat.“

Walentowski hofft, dass beim Verbraucher keine zu großen Erwartungen geweckt werden. „Denn natürlich kann man am Telefon nur eine grobe Einschätzung des Geschehens geben – ob jemand ein rechtliches Problem hat oder nicht. Es kann sich dabei nur um eine Rechtsauskunft oder Rechtsorientierung handeln.“ Skeptisch betrachtet er das Ganze noch aus einem anderem Grund: „Wir hoffen ja nicht, dass der Rat dahingehend besteht, dass man kein rechtliches Problem hat, obwohl doch eins existiert. Weil eine Rechtsschutzversicherung bei solchen Beratungsleistungen auch immer ihre eigene Leistungspflicht im Auge hat.“

Versicherer profitieren

Auch von anderer Seite wird Kritik geäußert. „Die Versicherer haben sicherlich nicht offensiv vor, die Leute zum Anwalt zu schicken. Vielmehr sollen möglichst viele Fälle so beraten werden, dass die Rechtsschutzversicherung nicht eintreten muss“, fürchtet auch Verbraucherschützer Wortberg. Weiteres Manko aus seiner Sicht: Juristische vernünftige Beratung in Schadensfällen oder zu Verträgen ist nur mit den entsprechenden Unterlagen möglich. „Am Telefon kann man ja Schriftliches nicht einsehen – ob nun Arbeits- oder Mietvertrag, Baugenehmigung oder Bußgeldbescheid.“ Und Elke Weidenbach, selbst Anwältin und auf Versicherungsrecht spezialisiert, von der Verbraucherzentrale Nordhrein-Westfalen warnt: „Man sollte sich davon nicht zu viel versprechen. Dem Verbraucher wird allenfalls der mögliche Weg aufgezeigt oder auch Fallstricke, die auftauchen können.“ Auch die Hotline werde letztlich über die Prämie mitbezahlt, meint Brigitte Mayer von der Verbraucherzentrale Hessen. Telefonische Beratung zu komplexen juristischen Sachverhalten sei problematisch. Da sind sich die Verbraucherschützer einig.

Hotline dient zur Orientierung

Diesen Anspruch haben die Anbieter aber nicht. Allianz-Mann Weishuber verweist auf die vielen Fälle mit relativ kleinen oder schnell lösbaren Problemen, die man telefonisch schon mal vorbesprechen kann. „Bei großen Streitfragen muss man zum Rechtsanwalt. Das liegt auf der Hand.“ Die meisten Fragen kommen zum Verkehrs- und Mietrecht, zum Nachbarschaftsrecht oder zur Verjährung. „Die Leute nutzen die Hotline, um eine rechtliche Erstorientierung zu bekommen“, erklärt Arag-Mitarbeiter Heiermann. Über 1000 Anrufe gehen täglich bei dem Düsseldorfer Versicherungsunternehmen ein. Die Palette reicht dabei von offenen Lohnzahlungen über die Gewährleistungspflicht bei der Badsanierung bis hin zu Mieterhöhungen und verkorksten Internetgeschäften.

Die Arag stützt sich aktuell auf ein Netz von 7000 Anwälten, darunter auch der Online-Rechtsdienstleister Janolaw. Vor einem knappen Jahr ist die Arag dort mit 25,1 Prozent eingestiegen.

Die Münchener Allianz arbeitet mit renommierten Großkanzleien zusammen, die einen Teil ihres Geschäfts in diesen speziellen Service ausgelagert haben. „Von den Anwaltskanzleien, mit denen Advocard kooperiert, steht eine Vielzahl zugleich auch als ‚mobiler Anwalt’ zur Verfügung“, so Sonja Adelhelm vom Rechtsschutzversicherer aus Hamburg.

Den neuen Service gibt es je nach Anbieter solo als Police, als frei wählbaren Baustein ergänzend zur bestehenden Rechtsschutzpolice oder fest verankert in einer Rechtsschutzpolice (nicht abwählbar, siehe Kasten).

Für den Privatgebrauch

Die Rechtsschutz-Hotlines übernehmen dabei die Beratung zu allen privaten Rechtsangelegenheiten, auch für nicht versicherte Rechtsprobleme wie Kündigung des Vermieters, wenn der Kunde Wohnungs- und Grundstücksrechtsschutz nicht versichert hat und für sonst nicht versicherbare Rechtsgebiete wie Baurecht. Ist eine weitere Rechtsberatung notwendig, kann der Kunde sich von der Hotline einen Rechtsanwalt mit dem Spezialgebiet empfehlen lassen. Es gibt keine Anrechnung auf den Selbstbehalt in der Rechtsschutzpolice.

Carla Fritz

cornelia.hefer@handwerk-magazin.de