Altersvorsorge Altersarmut erreicht das Handwerk

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Die Mehrheit der Handwerksunternehmer erwartet eine geringe ­Rente. Das ergab eine aktuelle Studie des Instituts für Mittelstand und Handwerk (ifh). Die Autoren der Studie sprechen sich aufgrund der Ergebnisse für eine Pflichtversicherung und deutlich mehr Beratungsangebote für selbstständige Handwerker aus.

Altersarmut erreicht das Handwerk
Gerade Soloselbstständige sorgen aufgrund geringer Einkünfte nicht ausreichend vor. - © PointImages/stock.adobe.com

Trotz guter Konjunktur und voller Auftragsbücher wird die Altersvorsorge für selbstständige Handwerker zum Problem. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, die das Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh) vorlegte. Die Studie „Alterssicherung im Handwerk“ nahm vor allem die Pflichtversicherung für Handwerker in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) unter die Lupe – und kommt zu ernüchternden Ergebnissen .

Ein wichtiges Fazit der Studien-Autoren: Die Handwerkerpflichtversicherung, die eingeführt wurde, um insbesondere Schutzbedürftige unter den Selbstständigen im Ruhestand finanziell besser zu versorgen, wird diesem Ziel nicht mehr gerecht. Denn über 60 Prozent der Inhaber von Handwerksbetrieben erwarten eine gesetzliche Rente von weniger als 600 Euro. Nur jeder achte Handwerksunternehmer kommt laut ifh-Studie auf mehr als 1.000 Euro. Drei Viertel der Inhaber von Handwerksbetrieben wenden mehr Geld für die private Vorsorge auf als für die GRV .

Große Unterschiede im Handwerk

Deutliche Unterschiede sehen die Autoren vor allem zwischen den sogenannten Soloselbstständigen aus dem zulassungsfreien und dem zulassungspflichtigen Handwerk sowie auch zwischen kleinen und größeren Handwerksbetrieben. Außerdem zeichnet sich in der Altersvorsorge ein klares West-Ost-Gefälle ab.

Ein Grund, warum die 1938 eingeführte Handwerkerpflichtversicherung ihren Auftrag einer ausreichenden Versorgung nicht mehr sicherstellen kann, liegt in der Novellierung der Handwerksordnung (HwO) von 2004 . Pflichtversichert nach der HwO sind heute nur noch Unternehmer, die der Anlage A der HwO angehören. Zum Vergleich: 2003 betrug der Anteil der Inhaber von Handwerksbetrieben, die der Handwerkerpflichtversicherung unterlagen, noch bei 67 Prozent. 2016 waren es nur noch 44 Prozent. Die Mehrheit der Unternehmer im Handwerk ist demnach nicht mehr pflichtversichert. Damit zahlt nur noch ein geringer Teil der selbstständigen Handwerker die vorgeschriebenen 18 Jahre Beiträge in die Rentenkasse.

Gleichzeitig, so die Studie, sei der Kreis der schutzbedürftigen Handwerker stark gewachsen, besonders durch den höheren Anteil von Soloselbstständigen. Die Einkommenssituation dieser Kleinstbetriebe sei zwar nicht exakt erfasst, aber die Autoren der Studie gehen davon aus, dass die Erträge oft nicht ausreichen, um für die Rente vorzusorgen.

Bei den Rentenbezügen sieht die Studie Handwerker im Schnitt hinter anderen selbstständigen Berufsgruppen. Die Einkünfte basierten hauptsächlich auf Zahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung, weil viele Handwerker am Anfang ihres Berufslebens Beiträge als Angestellte einzahlten. Allerdings rechnen die Autoren vor, dass Handwerker mit 18 Jahren Pflichtbeiträgen für die GRV einen Rentenanspruch von gerade mal 540 Euro aufbauen. Häufig werde dieser Betrag aber unterschritten, so die Studie. Um die Alterssicherung für selbstständige Unternehmer zu verbessern, benennt die Untersuchung des ifh diverse Handlungsfelder, die sowohl in die Verantwortung der Handwerksorganisation fallen als auch die Politik fordern.

Da allgemeine Informationsveranstaltungen und Beratungsangebote von Handwerkern nur relativ schlecht angenommen werden, sollte die Planung der Altersvorsorge in der allgemeinen Betriebsberatung der Handwerkskammern thematisiert werden. Besondere Beachtung gilt dabei nach den Ergebnissen der Studie den Soloselbstständigen. Ihnen gelinge es vielfach nicht, ausreichende Erträge mit ihrem Betrieb zu erwirtschaften, mit der Folge, dass die Altersvorsorge unter den Tisch falle.

Politik muss nachbessern

Auch die Politik kann laut der Studie zu einer Verbesserung der Altersvorsorge beitragen. Alle größeren Parteien hatten sich schon zur Bundestagswahl 2017 für eine Versicherungspflicht der Selbstständigen ausgesprochen. Sie würde, so die Autoren, Wettbewerbsverzerrungen vermeiden helfen und Scheinselbstständigkeit abbauen. Die Autoren der Studie empfehlen weiter, die Versicherungspflich t an eine Anzahl von Entgeltpunkten zu binden, statt wie seit 1960 die Pflichtversicherungszeit in Monaten zu berechnen. Bei entsprechender Zahl der Punkte würde eine gesetzliche Rente über Grundsicherungsniveau garantiert, die zur Sicherung eines angemessenen Lebensstandards durch private Vorsorge ergänzt werden muss.

Fazit: Die Ergebnisse der aktuellen Studie zur Alterssicherung im Handwerk geben der aktuellen politischen Diskussion um die Pflichtversicherung für Selbstständige Aufwind. Da für Selbstständige keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gilt, sind sie im Rentenalter besonders von Altersarmut bedroht. Eine Nachbesserung des Gesetzgebers würde Sinn machen.