Alle Waffen nutzen

Gesetz | Völlig ungerührt von der Not vieler Betriebe lassen die Abgeordneten ein neues Gesetz gegen säumige Schuldner seit Jahren im Bundestag liegen. Jetzt werden die Handwerker selbst aktiv.

Alle Waffen nutzen

Offenbar aussitzen wollen die Abgeordneten im Rechtsausschuss des Bundestages das Forderungssicherungsgesetz. Jedenfalls strömten sie pünktlich zu Beginn der langen parlamentarischen Sommerpause 2007 in ihre Wahlkreise, ohne den Entwurf weiterzuleiten oder wenigstens offen abzulehnen. handwerk magazin recherchierte: Zunächst bei Andrea Astrid Voßhoff, für die CDU im Parlament. Im Rechtsausschuss, der den Gesetzentwurf federführend beraten soll, ist sie Berichterstatterin dazu. Das heißt, ihr obliegt die laufende Arbeit daran, deren Ergebnis sie dann den Kolleginnen und Kollegen des Gremiums vorträgt.
Also müsste sie am besten wissen, ob, wann und wie es mit dem Entwurf weitergeht. Doch die Anfrage blieb bis Redaktionsschluss dieses Sonderheftes unbeantwortet. Das Gleiche beim Abgeordneten Jerzy Montag (Grüne). Ihn versuchte handwerk magazin zu kontaktieren, weil er sich schon im ersten Anlauf des Forderungssicherungsgesetzes im Bundestag kritisch dazu geäußert hatte. Die Grünen befürchten vor allem, säumige Verbraucher könnten vorschnell zur Kasse gebeten werden. Auch auf diese Anfrage hin bis Redaktionsschluss Funkstille.

Als „Trauerspiel im Bundestag“ bezeichnet ZDH-Präsident Otto Kentzler das seit Jahren verschleppte Verfahren. Dabei hatte damals alles ganz gut angefangen:

Bereits in hm 1/2005 pries Bundesjustizministerin Brigitte Zypries die neuen Waffen gegen zahlungsunwillige Kunden (siehe Interview). Doch nach der
ersten Lesung im Parlament verschwand das Paragrafenwerk in der Versenkung. Mit dem Ergebnis, dass der Entwurf beim vorzeitigen Ende der Regierung Schröder unter den Tisch fiel und neu eingebracht werden musste. Das geschah am 6. April 2006. Seitdem herrscht Schweigen.

Wie sehr die Handwerksbetriebe das Gesetz brauchen, scheint den Mitgliedern des Rechtsausschusses nicht klar zu sein. Vor allem im Bau und Ausbau kämpfen viele mit der immer noch mäßigen Zahlungsmoral.

Wichtige Änderungen

Kernstück des Gesetzes, aber auch politisch mit am meisten umstritten, ist die vorläufige Zahlungsanordnung. Sie soll es den Gerichten ermöglichen, frühzeitig ein vollstreckungsfähiges Urteil zu erlassen. Voraussetzung ist, dass die Klage hohe Aussicht auf Erfolg hat.

Zudem wären folgende Änderungen im Werkvertragsrecht vorgesehen:

1. Abschlagszahlungen sollen schon gefordert werden können, bevor ein Teil-auftrag in sich abgeschlossen ist.

2. Der Subunternehmer kann seinen Werklohnanspruch gegenüber dem Generalunternehmer unter erleichterten Voraussetzungen realisieren.

3. Die Höhe des Betrags, den der Auftraggeber über die Nachbesserungskosten hinaus einbehalten darf, um den Handwerker zur Mängelbeseitigung zu veranlassen, soll vom Dreifachen auf das Doppelte der Kosten verringert werden.

4. Dem Bauhandwerker soll ein echter, einklagbarer Anspruch auf eine Sicherheitsleistung für seine Werklohnforderung eingeräumt werden.

„Der Entwurf ist aus Sicht des Handwerks nicht optimal“, kritisiert ZDH-Präsident Kentzler. „Aber zumindest ein Teil der aktuellen Probleme unserer Betriebe wird sich damit lösen lassen.“ Was aber auch ihn maßlos aufregt, ist die Hinhaltetaktik im Bundestag: „Wir fordern erneut und mit Nachdruck, dass nun endlich etwas passiert. Unsere Handwerksbetriebe wollen sich nicht länger vertrösten lassen. Versprechungen, Verlautbarungen und Ankündigungen, aber kein Ergebnis. Das ist frustrierend.“

Kein effektiver Schutz

Auch Geert Mackenroth, Sachsens Justizminister, weist die Kritik zurück, die Betriebe würden ihre Rechte aus Unkenntnis doch ohnehin nicht wahrnehmen: „Wer so argumentiert, der macht es sich zu einfach. An der Erkenntnis, dass derzeit kein effektiver Rechtsschutz gegen Prozessverschleppung besteht, führt kein Weg vorbei.“ Dabei hat er inhaltlich bereits zurückgesteckt, um die Verabschiedung nicht noch mehr zu verzögern. „Sachsen hat sich in einzelnen Punkten durchaus noch weitergehende Regelungen gewünscht, beispielsweise einen Eigentumsvorbehalt des Werkunternehmers an eingebauten Materialien.“ Diese Vorschläge scheiterten jedoch an der Bundesregierung und an der ganz überwiegenden Mehrheit der Bundesländer. „Der jetzige Entwurf ist ein guter Kompromiss, der Kernforderungen der sächsischen Wirtschaft wie beispielsweise die vorläufige Zahlungsanordnung umsetzt und zahlreiche andere Verbesserungen enthält. Wir werden uns dafür einsetzen, dass er endlich Gesetz wird", so Mackenroth tapfer.

Aus dem selben Bundesland zur Seite steht ihm Joachim Dirschka, Präsident des Sächsischen Handwerkstages, der für über 57000 Unternehmen spricht: „Für uns ist ein solches Trauerspiel nicht nachvollziehbar“, wettert er vor Bundestagsabgeordneten in Berlin. Nachdem sich durch die Vorgängerreform, das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen, das Zahlungsverhalten nachweislich nicht verbessert habe, sei es höchste Zeit, dass endlich das Forderungssicherungsgesetz verabschiedet werde.

Bis dahin bleiben die bestehenden Waffen gegen säumige Kunden. Richtig und konsequent genutzt, können sie helfen, die Außenstände wenigstens einigermaßen im Griff zu behalten. Worauf dabei zu achten ist, lesen Sie in diesem neu aufgelegten Sonderheft Außenstände von handwerk magazin. Nach der Übersicht zu Gesetz und Praxis bringt dieses Sonderheft den kompletten Leitfaden in der zeitlichen Abfolge, wie sie Handwerker täglich erleben:

Bonität, Vertrag

Rechnung

Gewährleistung

Mahnung, Klage

EDV-Mahnung

Inkasso

Factoring

Zwangsvollstreckung

Kundeninsolvenz

Auf zwei Seiten geht das Sonderheft speziell auf den Bau und Ausbau ein. Dort hat die Konjunktur jetzt endlich angezogen, das Zahlungsverhalten der Auftraggeber aber hat sich noch nicht stark genug verbessert.

Bevor die gängigen Instrumente ausgepackt und eingesetzt werden, kann in manchen Fällen schon im Vorfeld ein Anruf beim säumigen Kunden helfen. Das jedenfalls meint Peter David, Richter am Oberlandesgericht München a.D., erfahrener Buchautor (www.haufe.de) und Seminarreferent. „Spätestens wenn der Kunde auf die Mahnung nicht reagiert einfach anrufen und fragen: „Sind Sie mit der Leistung nicht zufrieden?“ oder „Warum höre ich nichts von Ihnen, warum zahlen Sie nicht?“ Dann müsse der Kunde konkret sagen, was los ist.

Kompromiss suchen

Bei dieser Gelegenheit kann der Betrieb auch versuchen, einen Kompromiss zu schließen. „Die Schwierigkeiten können offen besprochen werden, ein weiteres Zahlungsziel oder Ratenzahlungen in angemessener Höhe nach einer Abschlagszahlung helfen oft. Viele Handwerker sind froh, wenn sie ihr Geld wenigstens portionsweise bekommen“, so David. Als Anreiz zur raschen Zahlung könne auch der Verzicht auf die nicht unerheblichen gesetzlichen Verzugszinsen angeboten werden.

Am besten lässt sich der Betrieb per Fax-Bestätigung den Kompromiss bestätigen. Es reicht aber auch, dass der Anrufer des Handwerksbetriebs nach dem Gespräch die Äußerungen des Kunden zur Gedächtnisstütze mit Datum und Uhrzeit protokolliert. Bei einem Gerichtsverfahren kann er dann auf diese Aufzeichnungen zurückgreifen.

Wer nach einem Scheitern dieses gütlichen Versuchs (oder bereits vorher) weder Zeit noch Lust hat, sich mit den säumigen Kunden herumzuärgern, kann das Inkasso auch einfach außer Haus geben. Neben den kommerziellen Anbietern wie etwa Atriga (www.handwerk-magazin.de, Außenstände) oder Creditreform (www.
creditreform.de) bieten das auch viele Handwerkskammern an. In diesem Sonderheft lesen Sie, wie das funktioniert.

Zugute kommt den meisten Handwerksbetrieben, dass die Konjunktur spürbar angezogen hat. Auch im Handwerk sind die Signale des Aufschwungs deutlich erkennbar.

Konsequent zurückgegangen ist demnach auch die Zahl der Firmenpleiten: Der Mittelstand verzeichnete 2006 einen deutlichen Rückgang um 16,7 Prozent auf 30680 Betriebe. Im Handwerk gingen die Pleiten sogar um 17,8 Prozent auf 3700 Betriebe zurück. Welche Einzelschicksale sich dahinter verbergen, macht die Zahl dennoch deutlich, wenn sie anders betrachtet wird: Fast alle zwei Stunden schließt ein Handwerksbetrieb, mehr als zehn am Tag. Schuld daran sind in sehr vielen Fällen zu hohe Außenstände mit ihrem Dominoeffekt: Einige größere oder viele kleine Aufträge werden nicht bezahlt, der Unternehmer kann seine Lieferanten nicht mehr bezahlen und muss darum bei anhaltender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden, um sich nicht auch noch strafbar zu machen.

Häufig mit an der Misere beteiligt sind Privatkunden. Viele betrachten es immer noch als „Sport“, Handwerkerrechnungen spät oder nach teils vorgeschobenen Mängelrügen gar nicht zu bezahlen. Einige sind aber auch im Geflecht von Handy-, Raten- und sonstigen Verträgen bereits derart überschuldet, dass ihnen nur noch die Flucht in die Privatinsolvenz hilft. Genau gegenläufig zur Entwicklung bei den Unternehmen zählte Creditreform 2006 insgesamt 124180 Insolvenzen von Privatpersonen und Personengesellschaften. Das sind 24,5 Prozent mehr als im Vorjahr.

Öffentliche Auftraggeber, also Gemeinden, Städte, Land und Bund, sind zwar auch hoch verschuldet, können aber immerhin nicht Pleite gehen. Schleppend zahlen gehört bei ihnen aber auch eher zur Regel. Erst allmählich gibt es hier eine zaghafte gegenläufige Entwicklung, wie Sie auf den folgenden Seiten lesen können. Übrigens auch bei der Zahlungsmoral insgesamt.

Schärfere gesetzliche Waffen gegen säumige Kunden sind jedoch trotzdem nötig. Denn der konjunkturbedingte Trend ebbt auch wieder ab. Das Thema aber, effizient mit gesetzlicher Hilfe gegen säumige Kunden vorzugehen, bleibt.

harald.klein@handwerk-magazin.de