Blog-Update: Teile Deine Erfolge 52 Wochen = 52 Betriebe: Chefredakteur Patrick Neumann unterwegs im deutschen Handwerk

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3D-Drucker, Digitalisierung, Energieeffizienz, Energiesparen, Fachkräftemangel, Geschäftsideen, Metzger, Mitarbeitermotivation, Mobiler Kunde, Nachfolge und Onlinemarketing

Lockdowns, Corona-Wellen und Betriebsinhaber am Limit: Die Aktion "52 Wochen = 52 Betriebe" von Chefredakteur Patrick Neumann lag ziemlich lange auf Eis. Leider ist Anfang 2023 immer noch Krise, auch wenn die Herausforderungen ganz andere sind. Doch das Momentum könnte für einen Betriebsbesuch nicht besser sein. Warum? Der Chefredakteur möchte die Weisheit der Community anzapfen. „Teile Deine Erfolge“ – unter diesem neuen Motto startet der „Roadtrip“ 2023 wieder. Impressionen von ganz besonderen Betriebsbesuchen.

Patrick Neumann
Vorfreude darauf, das deutsche Handwerk genau kennenzulernen: Patrick Neumann, Chefredakteur von handwerk magazin. - © Rohde Fotografie

Jens Stollberg: Elektrotechnikermeister aus Erfurt blickt optimistisch in die Zukunft

Natürlich könnte man mit Jens Stollberg prima über American Football, den weltweiten Hype um die NFL oder das jährliche Super-Bowl-Spektakel sprechen. Schließlich hat der Handwerkschef früher selbst zehn Jahre lang gespielt und unterstützt nun als Sponsor die Erfurt Indigos, die 2023 in der Oberliga Mitteldeutschland den fünften Platz erreichten. Doch heute geht es nicht um Sport, sondern um Stollbergs Betrieb. Diesen hatte sein Vater Frank kurz nach der Wende, konkret im Juli 1990, als „Einmann-Betrieb“ gegründet, wie Jens Stollberg ganz entspannt bei einer Tasse Kaffee erzählt. Vor knapp 17 Jahren übernahm Jens Stollberg das Unternehmen – und hat seither gut zu tun, immer wieder klingelt in der Erfurter Spittelgarten­straße das Telefon. „Trotz vielfältiger Herausforderungen sehe ich optimistisch in die Zukunft.“

Jens Stollberg, Elektrotechnikermeister aus Erfurt. Vor allem das Thema Ausbildung liegt ihm sehr am Herzen.
Jens Stollberg - © Patrick Neumann

Egal ob Ladesäulen für E-Autos, Elektroinstalla­tionen, Hausgeräte, Smarthome, Multimedia oder Industrie- und Gewerbe­anlagen – das 18-köpfige Team (zehn Monteure, sechs Auszubildende und zwei Büromitarbeiterinnen) ist gefragt. Übrigens auch in der Urlaubszeit: „Während unsere Kunden in den wohlverdienten Urlaub fahren, erledigen wir in ihrer Abwesenheit alle anfallenden Arbeiten.“ Urlaubsservice nennt Stollberg dieses clevere Angebot. Die Aufträge des Thüringer Betriebes teilen sich zu 50 Prozent auf Wohnungsbaugenossenschaften und zu den rest­lichen 50 Prozent auf Industrie- und Privatkunden auf. Gerade Letztere klingeln dann schon mal wegen Kleinreparaturen, etwa einer neuen Steckdose, durch. „Wir machen das schon immer“, erzählt Stollberg – und wundert sich, warum der eine oder andere Kollege dieses Geschäft liegen lässt.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:

  1. Sponsoring: Netzwerken über den Sport – das macht Jens Stollberg besonders Spaß. Nicht nur beim American Football und den Erfurt Indigos, sondern auch bei den CATL Basketball Löwen aus der Landeshauptstadt. „Damit erreiche ich potenzielle Mitarbeiter und knüpfe wichtige Kontakte“, berichtet der sportbegeisterte Handwerks­unternehmer aus der Praxis.
  2. Ausbildung: Die Auszeichnung „AusbildungsAward 2023“ von der Handwerkskammer Erfurt, die Teilnahme am Projekt „Vietnamesische Talente für Thüringen – ViTa“ und Auslands­praktika für seine Azubis – der Erfurter Betrieb legt sich in Sachen Nachwuchsgewinnung und -förderung mächtig ins Zeug. Auch für dieses Jahr sind die zwei ausgeschriebenen Ausbildungsplätze schon besetzt. Stollberg: „Ich bin da zuversichtlich, unsere gute Ausbildung spricht sich herum.“ Als größte Herausforderung für die nächsten fünf Jahre sieht er eher, dass viele Mitarbeiter in Rente gehen – und mit ihnen ihre langjährige Erfahrung.
  3. Smarthome: Was für viele Privatkunden noch Neuland ist, darin sind Jens Stollberg und seine Mitarbeiter Profis. Die Rede ist von Smarthome. „Damit beschäftigen wir uns seit Jahren“, erklärt der Handwerkschef. Seit 2014 können seine Kundinnen und Kunden ausgewählte Features in Stollbergs Betrieb hautnah erleben. Beispielsweise geht das Radio an, sobald man die Kundentoilette betritt.


Oliver Windeck: Verantwortungsbewußte Nachfolgeregelung

Oliver Windeck ist Chef von Metallbau Windeck aus Kloster Lehnin.
Oliver Windeck ist Chef von Metallbau Windeck aus Kloster Lehnin. - © P.Neumann

Wie soll ich nach einem mehrstündigen Treffen mit Oliver Windeck diesen Text anfangen? Mit den Politiker-Promis Frank-Walter Steinmeier oder Matthias Platzeck, die den 160 Mitarbeiter großen Metallbaubetrieb schon besucht haben? Mit der langen Firmenhistorie, die 1895 – kein Scherz – am 1. April startete und mehrere Staatsformen „erlebte“? Oder mit dem spannenden Rundgang, bei dem mir der 59-jährige Handwerkschef, der Schweißtechnik in Magdeburg studiert hatte und den es dank eines Stipendiums damals nach Wales zog, die ganzen Facetten der Fassadenprofis näherbringt?

Letzteres hätte sich angeboten, weil Oliver Windeck im Gespräch mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herrlich viele ­Anekdoten aus Projekten, Prozessen und Problemstellungen einfallen. Der Windeck-Spirit wird überall spürbar, das Arbeitsklima ist gut, lockere Sprüche sind keine Seltenheit.

Ich entscheide m:ich aber für die Nachfolgeregelung. Mit Sohn Sebastian Windeck, der an der renommierten ETH Zürich Wirtschaftsingenieurswesen studiert hat und im Juli 2023 zum zusätzlichen Geschäftsführer ernannt wurde, steht schon die fünfte Generation parat. „Den Weg der Nachfolge gehen wir mit hoher Verantwortung für Kunden, Partner und Mitarbeiter“, betont Oliver Windeck. „Wir nehmen uns die notwendige Zeit, diskutieren viel und finden Unterstützung bei professionellen Beratern.“

Professionell – genau das ist es! Selbst ein Nachfolgemotto gibt es: „Loslasssen ohne Fallenlassen!“ Sebastian Windeck fragt mich dann auch gleich nach Lese­listen und Lieblings-Podcasts. Moment, eigentlich stelle ich doch hier die Fragen …

Drei Dinge sind mir aufgefallen:

  1. Personalplanung: Das eigene Team ist Oliver Windeck enorm wichtig. „Ich spreche bewusst nicht von Mitarbeiterbindung.“ Viel lieber verwendet er den Ausdruck Mitarbeiterverbundenheit, die bei Metallbau Windeck über den Arbeitsalltag hinausreicht. Wie vorausschauend der Handwerksbetrieb das Thema Personal angeht, zeigt mir der Unternehmer am großen Bildschirm in seinem Büro. Die Betriebszugehörigkeit oder das Alter der Beschäftigten im Schnitt? Alles mit wenigen Klicks aufrufbar – wichtige Kennzahlen fürs strategische Steuern des Familienbetriebs.
  2. Wettbewerbe: Zahlreiche Auszeichnungen konnte der Handwerksbetrieb schon abräumen – gut für Außendarstellung und PR. Beispielsweise durften sich die Brandenburger über den „Deutschen Metallbaupreis 2022“ des Fachmediums „M&T Metallhandwerk & Technik“ freuen, den es für ein Roof-Stahl-Glas-Dach in Berlin gab.
  3. Nachhaltigkeit: Oliver und Sebastian Windeck machen sich viele Gedanken zu diesem Thema. Angst vor Veränderungen? Nicht bei Metallbau Windeck! Sie entwickeln einfach ihre DNA weiter und wollen so einen wichtigen Beitrag leisten. Denn bei Fassaden und Fenstern, aber auch in den Prozessen steckt viel Potenzial. Die Kreislaufwirtschaft als Chance!

Iris Leisenheimer: UFH und Betriebsinhaberin will, dass es ihren Mitarbeitern gut geht.

Iris Leisenheimer aus Windesheim in Rheinland-Pfalz hat jetzt einen neuen, jungen Chef: Maler- und Lackierermeister Daniel Roos (li.). Seit 2005 ist er im Betrieb und seit 2023 dessen Inhaber.
Iris Leisenheimer aus Windesheim in Rheinland-Pfalz - © Patrick Neumann

Wir haben uns schon öfters getroffen – nur nie im Betrieb von Iris Leisenheimer. Die engagierte Schatzmeisterin des Bundesverbandes der UnternehmerFrauen im Handwerk (UFH) hatte mich zu sich nach Windesheim einge­laden. Und so parke ich mein Auto vor der bunten Fassade der Firma „Leisen­heimer – Die Malerwerk­stätte Inh. Daniel Roos“, die kürzlich der frühere Azubi und heutige ­Maler- und Lackierermeister Daniel Roos über­nommen hat. Alles symbolisch im Foto festgehalten – statt eines Staffelstabs überreicht Holger Leisen­heimer, passend zum Gewerk, einen großen Malerpinsel. Iris Leisenheimer möchte noch fünf Jahre im 1909 gegründeten Betrieb arbeiten, erzählt sie mir im orangen Büro. „Ich liebe einfach diese Farbe“, so die Diplom-Ingenieurin für Ernährungs- und Haushaltstechnik sowie Betriebswirtin des Handwerks.

Überhaupt: Das ganze Gebäude strotzt nur so vor Kreativität und Farben. Am beeindruckendsten ist aber jene Wand, an der die 28 Auszeichnungen hängen. Das „gerahmte“ Engagement des Unternehmerpaares Iris und Holger Leisenheimer – stolz präsentiert. „Gesundes Unternehmen Rheinland-Pfalz“, „Gesunde Führung“ oder „Pflege und Mitarbeiter“: Allein die Schlagworte auf den Urkunden ver­raten, welchen vorbildlichen Schwerpunkt die Unternehmerin in den letzten Jahren hier gesetzt hat. „Wissen Sie, wie man einen 25 Kilo schweren Sack Putzmörtel in die Schubkarre heben sollte?“, fragt sie mich. Als ich mit dem Kopf schüttele, macht es mir Iris Leisen­heimer einfach vor. „Ein Physiotherapeut hat unsere ­Mitarbeiter darin geschult.“ Damit die Experten für Restaurierung und Denkmalpflege auch weiterhin farbliche Akzente setzen können.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:

  1. Gelebtes Ehrenamt: „Die UnternehmerFrauen im Handwerk (UFH) waren und sind für mich total wichtig“, sagt Iris Leisenheimer. Besonders schätzt sie den Erfahrungsaustausch und den Wissenstransfer, aber auch Top-Events wie die jährlichen Bundeskongresse. „Man lernt von anderen und immer etwas dazu. Das kann ich eben nicht googeln!“
  2. Geordnete Übergabe: 2018 fasste Holger Leisenheimer den Entschluss, mit 60 Jahren in Ruhestand gehen und den Betrieb somit an die fünfte Generation übergeben zu wollen. Mit Ex-Azubi Daniel Roos stand der passende Nachfolger parat. Viele Gespräche – mit der Handwerkskammer, dem Steuerberater und zwischen den Paaren Leisenheimer und Roos –, aber auch ein Coaching des Fachverbandes Farbe folgten. Wichtig: dabei immer lösungsorientiert vorzugehen. Beispielsweise mietet Roos nun den Firmensitz von den Leisenheimers.
  3. Gesundes Arbeiten: Funktionierend, strukturiert und mit Leben gefüllt – Iris Leisenheimer brennt fürs betriebliche Gesundheitsmanagement und investiert ganz bewusst in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. „Wir wollen, dass es ihnen gut geht. Das halte ich für eine Selbstverständlichkeit.“ Sehr vorbildlich!


Ralf Berg: Der Malermeister aus Köln ist gerne Unternehmer und Fan

Ralf Berg, Malermeister aus Köln
Ralf Berg, Malermeister aus Köln - © Patrick Neumann

Die Leidenschaft für den Effzeh kann Malermeister Ralf Berg nicht lange verbergen. Während wir in der Breniger Straße 5 in Köln übers Unternehmertum, Herausforderungen für das Handwerk oder Bergs Erfolgsgaranten sprechen, schaue ich immer wieder auf das große Logo des 1. FC Köln an der Wand. „Effzeh-Fan durch und durch“ – so beschreibt sich der 65-Jährige, der früher selbst ambitioniert gekickt hat und über eine Trainerlizenz verfügt. Aufgrund seiner offenen, direkten Art kann man sich gut vorstellen, dass die Spieler seinen An­sagen auf dem Platz gerne folgen. Hier gibt einer die Richtung vor.

Wie auf dem Fußballplatz möchte Ralf Berg, gelernter Elektriker, Malermeister und Absolvent einer privaten Handelsschule, den anderen einen Schritt voraus sein. „Wir waren einer der ersten Handwerker in Köln, der eine eigene Website hatte.“ Ein Kumpel aus dem IT-Bereich hatte ihn damals ins World Wide Web gebracht. Heute kümmert sich seine Schwieger­tochter um die Internetpräsenz. „Ohne Website geht’s schon lange nicht mehr“, sagt der Handwerkschef, der aktuell einen Meister, zwei ­Gesellen und einen Auszubildenden beschäftigt. Zudem unterstützt ihn seine Frau Marion, „die gute Seele im Büro“. Neben den klassischen Malerarbeiten können Auftraggeber bei Berg auch besondere Leistungen wie ­Graffiti-Entfernung, mobile Farbmessung, Logos und Schriftzüge, Schimmelpilzsanierung sowie Wisch- und Spachteltech­niken ordern.

Apropos Internet: Der Unternehmer denkt schon an morgen. „Jungmeister (m/w/d) oder Vorabeiter (m/w/d) mit der Möglichkeit einer späteren Betriebsübernahme ab sofort gesucht!“, kann man auf der Homepage lesen – sehr vorausschauend.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:

  1. Rechnungen veredeln: Regelmäßig holt sich Ralf Berg das Feedback seiner Kundinnen und Kunden ein. So liegen jeder Rechnung eine Karte der Initiativen „Top Malermeister Deutschland“ und von „Sehr gut im Handwerk“ bei. Der Notenschnitt pro Jahr? 1,5! „Wir haben einen großen und zufriedenen Kundenstamm“, erklärt der Unternehmer stolz.
  2. Vom Netzwerk profitieren: Ralf Berg macht erst gar keinen Hehl daraus, dass er gerne Mitglied des Chapters Köln-West von Business Network International, kurz BNI, ist. Ivan Misner hatte das Unternehmernetzwerk für Geschäftsempfehlungen 1985 in den USA gestartet. „Ich bin persönlich davon überzeugt“, erklärt der Betriebs­inhaber. „Es funktioniert für mich umsatztechnisch.“ Und wie begegnet er möglichen kritischen Stimmen am BNI-Konzept? „Man muss es sich selbst angucken und seine Meinung bilden.“
  3. Digitalisierung nutzen: „Unser Handwerk wird nie aussterben“, ist sich Malermeister Berg sicher. Heute freut er sich über die Vorteile, die ihm digitale Tools bieten. Beispielsweise greift er jetzt von der heimischen Terrasse remote auf seine E-Mails und Daten zu und kann beispielsweise Angebote fertig machen – früher musste er dafür, gerne samstags, in den Betrieb fahren. Ein Zeitdieb, der nicht mehr existiert.


Thomas Mayer: Bäckermeister aus Mosbach-Neckarelz findet keinen Nachfolger und muss seinen Betrieb schließen

Thomas Mayer (rechts), Bäckermeister aus Mosbach-Neckarelz.
Thomas Mayer (rechts), Bäckermeister aus Mosbach-Neckarelz. - © Patrick Neumann

Draußen vor dem Bäckerei-Café plaudern die Handwerker bei ihrer Frühstückspause, drinnen empfängt mich Bäckermeister Thomas Mayer aus Mosbach-Neckarelz mit einer Hiobsbotschaft: „Ende des Jahres ist Schluss“, sagt der Unternehmer ganz trocken. Seit vier Jahren sucht der 60-Jährige nach einem Nachfolger. Bislang Fehlan­zeige. Zwar habe es Gespräche gegeben, doch seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs sei das Übernahme-Interesse komplett abgeebbt. Fachkräftemangel, Energiepreise und Zinsen – offenbar traut sich niemand zu, die Übernahme des gut laufenden, sechs Filialen großen Betriebs zu schultern.

Die Folge: Der Handwerkschef spricht unter anderem mit anderen lokalen Einzelhändlern, um möglichst viele seiner 45 Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter dort unterzubringen.
Doch die Betriebsaufgabe hat auch Folgen für die Menschen vor Ort, gerade bei einem Vollsortimenter wie der Bäckerei Mayer. „Der normale Bäckerei-Nahversorger könnte aussterben“, macht sich Thomas Mayer Sorgen. Das wäre fatal. „Je mehr ein Brötchen durch die Hand geht, desto besser schmeckt es auch.“ Traditionelles Bäckerhandwerk eben.

„Die persönlichen Kontakte werden mir fehlen“, blickt der Unternehmer und Motorradfan in die Zukunft. Denn in Politik, Wirtschaft und Vereinen ist der Firmenchef bestens vernetzt. Als ein „Mensch der klaren Worte“ wird er auch in der Handwerksorganisation geschätzt. 1970 legten die Eltern Dieter und Erika Mayer in Mosbach-Neckarelz den Grundstein für den Erfolg, 1979 begann der 16-jährige Thomas dort seine Ausbildung, seit 2001 ist er der Chef. „Wenn ich jünger wäre, würde ich den Odenwald rocken.“ Ich glaube es ihm sofort!

Drei Dinge sind mir aufgefallen:

  1. Handwerk hautnah: Kaum ein Fest in und um Mosbach, das Thomas Mayer nicht mit seinen Backwaren beliefert hat. „Wenn es eng geworden ist, habe ich schon mal in der Backstube nachproduziert“, grinst der Bäckermeister. Und auch die ganz kleinen Fans hat der Betriebswirt des Handwerks glücklich gemacht: 20 bis 30 Kindergruppen pro Jahr durften mit ihm Brezeln backen.
  2. Gelebtes Ehrenamt: Thomas Mayer möchte mitgestalten. Deshalb engagiert er sich seit Jahren bei den Handwerksjunioren Neckar-Odenwald und Baden-Württemberg, fungiert als stellvertretender Obermeister der Bäcker-Innung Neckar-Odenwald, ist Mitglied im Gewerbeverein Neckarelz, beim Landesausschuss Fachkräftesicherung von Handwerk BW und Vorsitzender des Berufsbildungsausschusses. Was für ein Pensum!
  3. Nachwuchs anleiten: Jedes Jahr ein Azubi – das sei ihm wichtig gewesen, so Thomas Mayer. Von den aktuell 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde ein Drittel selbst von der Bäckerei Mayer ausgebildet. Insgesamt könnten es in all den Jahren deutlich mehr als 60 Azubis gewesen sein, überschlägt der engagierte Betriebsinhaber.


Robert Hämmelmann: Schlossermeister in Würzburg klagt über Bürokratie-Dschungel

Robert Hämmelmann, Firmenchef in fünfter Generation, vor seinem Metallbaubetrieb in Würzburg
Robert Hämmelmann, Firmenchef in fünfter Generation, vor seinem Metallbaubetrieb in Würzburg - © Patrick Neumann

Robert Hämmelmann, Schlossermeister, Internationaler Schweißfachmann und Sachverständiger im Metallbau, hat eine klare Haltung – auch, was die aktuellen, hitzigen Debatten um New Work & Co. angeht. „Ich sehe den Beruf als Berufung an“, diktiert mir der streitbare Unter­nehmer aus Würzburg, Firmenchef in fünfter Generation, in den Block. „Da brauche ich keine Work-Life-Balance.“ Denn im Idealfall sei der Tag glücklich. Demnach verwundert es kaum, dass auf der Website des neun Mitarbeiter großen Metallbaubetriebs Folgendes zu lesen ist: „Arbeitszeit ist Lebenszeit! Wir haben es in der Hand!“


Doch das mit dem Selbst-in-der-Hand ist laut Robert Hämmelmann ins Rutschen geraten. Stichwort: Büro­kratie. Eineinhalb Tage die Woche beschäftigt sich der Handwerkschef mit Papierkram, Vorgaben oder Normen. „Meine Berufung wird mir genommen“, kritisiert er ganz offen. Wie soll sich der Handwerker im Bürokratie-Dschungel überhaupt noch auskennen?

Dieser schleichende Prozess, wie es Robert Hämmelmann nennt, bringt noch ein weiteres Problem mit sich. Als Chef hat er viel weniger Zeit, seinem Team Fachwissen zu vermitteln. Eigentlich ja eine große Stärke des Handwerks. Wissenstransfer von Generation zu Generation.

„Ich bin über dem Amboss und mit dem Gewerk aufgewachsen“, erinnert sich der Firmenchef, der den Familienbetrieb 2009 übernahm. Exakt 150 Jahre früher wurde die Firma Hämmelmann als Schmiede und Hufbeschlag gegründet. Die Schwerpunkte heute: Brand- und Einbruchschutz, Befestigungstechnik und Sachverständigenarbeit. Wäre doch schade, wenn dieses Know-how schleichend verloren ginge.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:

  1. Wertekanon: Wer die Website von Metallbau Hämmelmann aufruft, weiß wenige Minuten später, welche Werte für die Würzburger elementar sind. Unter anderem seien eine positive Einstellung, gegenseitiger Respekt und Wertschätzung, die Achtung anderer Meinungen, Aufrichtigkeit, Vertrauen und Zuverlässigkeit sowie die Gemeinsamkeit im Tun wichtig. Und ein weiterer entscheidender Satz: „werteorientiert und mit den Erkenntnissen, dem Wissen und Können vieler Generationen“.
  2. Firmenkultur: „Meine Leute lieben ihren Beruf“, berichtet Robert Hämmelmann aus der Praxis. Damit das so bleibt, hat der Handwerkschef ein klares Bild vor Augen, welche entscheidende Aufgabe seine Firma übernimmt. „Es geht um das Leben im Betrieb: Der Betrieb ist für die Mitarbeiter da – und die Mitarbeiter sind für den Betrieb da“, erklärt der Unternehmer.
  3. Ingenieursland Deutschland: Robert Hämmelmann reibt sich nicht nur an der überbordenden Bürokratie. Oftmals wundert sich der Sachverständige im Metallbau auch, dass ihm Ingenieure nicht mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen. „Die Gleichwertigkeit existiert nur auf dem Papier“, schüttelt er den Kopf.

02.08.2023: Thomas Schmitt, Zimmerer in Bingen am Rhein, hat sich klar am Markt positioniert

Thomas Schmitt ist Zimmerer in Bingen am Rhein. Seit 22 Jahren ist der Rheinland-Pfälzer am Markt als Soloselbstständiger unterwegs – und hat diesen Schritt bis heute nicht bereut.
Thomas Schmitt ist Zimmerer in Bingen am Rhein. - © Patrick Neumann

Ein Zimmermann mit roter Weste und grüner Hose? Thomas Schmitt lacht. Der Rheinland-Pfälzer kennt den fragenden Blick, auch von seinen Kolleginnen und Kollegen. Kein Wunder, dass der bunte Zimmerer auf Fachmessen oder Branchen­events, wo sonst traditionell die Farben Schwarz und Weiß dominieren, auffällt.

Mit seinem modernen Look bringt sich „Schmitty“ gerne ins Gespräch – und arbeitet so an seiner Positionierung als Marke. Vor dem Treffen in seinem Büro, einem ehemaligen Tante-­Emma-Laden, war er schon auf der Baustelle, um sich um eine Flachdachabdichtung und die Reparatur eines kleinen Schuppens zu kümmern. „Die Zufriedenheit meiner Kunden steht für mich an erster Stelle“, erklärt er ganz entspannt vom Chef­sessel aus. 2001 hat er sich als Einzelunternehmer selbstständig gemacht und diesen Schritt nie bereut.

Vom Dachgeschossausbau über Wärmedämmung bis hin zu Carports reicht heute sein Leistungsspektrum. Der Privatkundenanteil liegt bei 100 Prozent.

„Ich habe für mich eine gute Nische gefunden“, blickt er stolz auf seine Unternehmer-Leistung. „Und die Kinder meiner ersten Kunden sind mittlerweile auch in einem Alter, dass sie mich verstärkt buchen.“ Klingt nach viel Arbeit – Schmitt nickt. „Ich möchte das Ganze jetzt etwas gechillter angehen.“ Deshalb hat er sich auch 2022, in seinem umsatzstärksten Jahr, für einen klaren Schnitt entschieden: „Ich ­nehme seit 2022 keine Großprojekte mehr an.“ Dafür nimmt er sich lieber Zeit für Prak­tikanten. Ein bis vier Wochen begleiten sie den bunten ­Zimmermann auf seine Baustellen.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:

  1. Netzwerk: „Man lernt andere Leute kennen, kann sich einen Rat holen und ist mit seinen Nöten und Ängsten nicht alleine“, nennt Einzelunternehmer Thomas Schmitt die Vorteile von Beziehungs­n­etzwerken. Seit 2012 ist er deshalb Mitglied von PEN. Dabei handelt es sich um eine Gemeinschaft von Unternehmern, Selbstständigen und leitenden Angestellten, mit dem Ziel der geschäftlichen Kooperation zum Nutzen ihrer Mitglieder und deren Kunden. „Ein bunter Mix aus Handwerk, Handel und Gesundheitsbranche“, fasst es der Zimmerer mit seinen Worten zusammen.
  2. Partnerschaft: Wer die Website schmittys-zimmerei.de aufruft, findet dort auf der Startseite den Dachfenster-Konfigurator von Velux. Mit wenigen Klicks kann Schmitt seiner Kundschaft so die passende Fensterlösung präsentieren. „Als Velux-Experte mache ich 30 Fenster pro Jahr“, freut sich der Soloselbstständige. „Dachfenster sind meine Welt. Es ist klasse, wie sich Räume dadurch verändern können“, berichtet er aus der Praxis. Auch die regelmäßigen Schulungen respektive Seminare schätzt der Unternehmer sehr.
  3. Qualifizierung: Stete Weiterbildung ist Schmitt wichtig. Egal, ob auf Branchenevents und Velux-Partnertreffen oder mittels Fachinformationen wie handwerk magazin. Hier holt er sich gerne steuerliche Tipps für sein Business.


01.08.2023: Daniel Spiegel, Metallbauer aus Frankenthal, möchte seine Ideen teilen

Daniel Spiegel ist geschäftsführender Gesellschafter von Spiegel Metallbau aus dem rheinland-pfälzischen Frankenthal. Der Großvater des Metallbauermeisters hatte den Betrieb 1958 als klassische Schlosserei gegründet.
Daniel Spiegel ist geschäftsführender Gesellschafter von Spiegel Metallbau aus dem rheinland-pfälzischen Frankenthal. - © Patrick Neumann

Eigentlich hatte mich Lucas Spiegel zum Besuch eingeladen. Doch weil ich mitten in der Urlaubszeit vorbeischauen wollte, vereinbarte ich kurzerhand ein Treffen mit Sohn Daniel Spiegel. „Der Termin kann sehr gerne stattfinden“, hatte mir Lucas Spiegel im Vorfeld geschrieben. „Mein Sohn Daniel, der seit ein paar Wochen ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter ist, würde Sie empfangen.“ Und dieser Austausch in Frankenthal ist wirklich kurzweilig – und wird, ganz klassisch, von der 15.45-Uhr-Sirene beendet. Feierabend? „Nicht für mich“, sagt Daniel Spiegel am Ende der obligatorischen Betriebsführung – und lacht.

Doch der Reihe nach. 1958 als klassische Schlosserei vom Großvater gegründet, beschäftigt Spiegel Metallbau heute 30 Mitarbeiter. Der Handwerks­betrieb ist bewusst breit und flexibel aufgestellt, sieht sich als kompetenter Partner für Stahl- und Metallbauarbeiten. „Von Schlossreparaturen bis hin zu Aufzugstürmen“, fasst Daniel Spiegel das große Spek­trum zusammen. Worauf die Frankenthaler stolz sind: „Die Qualität spricht für sich. Wir arbeiten viel mit Stammarchitekten zusammen.“ Rund 60 Prozent der Kunden kommen aus der Industrie, bei 30 Prozent handelt es sich um Kommunen und zehn Prozent sind Privatkunden.

Ein fortschreitender Trend: „Auch bei uns wird alles digitaler“, erklärt der geschäftsführende Gesellschafter. Effizienz, Nachhaltigkeit und Tempo – der Betrieb ist so gut wie papierlos. Sei es bei der Zeit­erfassung oder der Rechnungsstellung. „Vieles muss künftig einfach noch schneller gehen.“ Von der digitalen 3-D-Zeichnung, die er eingeführt hat, erhofft sich Daniel Spiegel den nächsten Effizienz-Schub.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:

  1. Selbstständigkeit: Erst die Lehre als Metallbauer bei der BASF, dann die Meisterschule und zu guter Letzt noch die Fortbildung zum geprüften Betriebswirt (HwO) – als Generation Nummer drei hat Daniel Spiegel viel fachliches Know-how aufgesaugt. „Ich würde nichts anderes machen wollen“, sagt er ganz offen. „Denn ich stelle mir die Selbstständigkeit einfach schöner vor.“
  2. Netzwerk: Der Geschäftsführer von Spiegel Metallbau steht auf Netzwerke. „Die sind für mich ganz wichtig“, betont er. Gleich wird er mir einen Flyer von „Q-Werk – Qualitätshandwerk Frankenthal“ in die Hand drücken. Die Mitglieder sind der Broschüre zufolge „alle Meister ihres Faches“, grundsätzlich handelt es sich um ein Netzwerk von Handwerksbetrieben aus der Region. Der große Vorteil: Da sich immer mehr Kunden alles aus einer Hand wünschen, kann man auf dieses Bedürfnis gut reagieren. Darüber hinaus ist Daniel Spiegel bei „Just-FT“ aktiv, einem Netzwerk für „das Handwerk von morgen“.
  3. Social Media: Moderne Kanäle wie Instagram sind das Steckenpferd von Daniel Spiegel. Einmal pro Woche postet er ein Foto von einer Baustelle oder eine Story. Was ihm daran besonders gefällt: „Man wird von den Leuten darauf angesprochen“, erzählt der Metallbauermeister aus der Praxis. Zudem nutzt der Handwerksbetrieb Instagram fürs Recruiting von neuen Fachkräften.

01.07.2023: Thorsten Drewes, Elektromeister aus Bremen, ist großer Freund der Digitalisierung

Elektrotechnikermeister Thorsten Drewes hat die Geitekk GmbH im Jahr 2013 gegründet. 2021 zogen die Profis für Elektro, Kälte, Klima und Lüftung an den modernen Standort in der Bordeaux-Straße 8a in Bremen
Elektrotechnikermeister Thorsten Drewes hat die Geitekk GmbH im Jahr 2013 gegründet. 2021 zogen die Profis für Elektro, Kälte, Klima und Lüftung an den modernen Standort in Bremen. - © Patrick Neumann

Bei meinem Besuch im hohen Norden lege ich zwei Stopps ein: bei den Bremer Stadt­musikanten aus Bronze und bei der Geitekk GmbH in der Bordeaux-Straße 8a. Die Bremer haben sich die Zukunft der Gebäudetechnik auf die Fahnen geschrieben.

Dementsprechend dreht sich im 2013 von Thorsten Drewes und Thomas Reiher gegründeten Betrieb alles um die Planung, die Montage und den Service von Elek­tro-, Kälte-, Klima- und Lüftungstechnik – in erster ­Linie bei Firmenkunden. Gerade in diesen Zeiten ein spannendes wie lukratives Geschäftsfeld. Und auch im Fachbereich „Heizung und Sanitär“ kann das 53 Mitarbeiter große Geitekk-Team punkten. Drewes ist Kälteanlagenbauer und Elektrotechnikermeister und hat ein Faible für klare Strukturen, digitale Prozesse und professionelle Schulungen. „Die Schulungsvideos haben wir alle selber gemacht“, sagt der Handwerkschef, während er am Bildschirm durch die knapp 40 Lektionen und rund fünf Stunden Digital­material klickt. Klar sei das aufwendig. „Aber man muss es ja nur einmal machen“, grinst er.

Und der Start in die Selbstständigkeit? Nach 21 Jahren bei Linde Kältetechnik bekam er diesen Schritt nahezu auf dem Silbertablett serviert. Dank eines großen Dienstleistungsvertrags, quasi der Ankermieter. „Ich hatte schon immer Lust aufs Gründen und wollte die eigene Richtung bestimmen. Aber der Anlass war nicht da“, erinnert sich Drewes heute.

Der Schritt in die Selbstständigkeit scheint sich für Drewes gelohnt zu haben, so der erste Eindruck beim Rundgang durch den Betrieb: Die Firma wirkt modern, die Arbeitsatmosphäre locker, aber fokussiert. Eigentlich könnte ich doch meinen Laptop auspacken, einstöpseln und loslegen…

Drei Dinge sind mir aufgefallen:

  1. Wachstum: Legt ein Betrieb ein derart rasantes Wachstum wie Geitekk hin, wachsen die Strukturen oftmals nicht schnell genug mit. „Das war auch unser Problem“, sagt Unternehmer Drewes ganz offen. „Wir mussten erst lernen, in Strukturen zu denken.“ Mit einem speziellen Coach wurden ab dem Jahr 2021 der Ist-Zustand analysiert sowie Maßnahmen und Ziele definiert. Außerdem soll beispiels­weise seit Kurzem ein neuer Vertriebsprofi das Wachstum weiter pushen.
  2. Digitalisierung: Drewes hat die Chancen, die moderne Tools und Methoden bieten, erkannt. Egal, ob das Onboarding neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kollaborations-Tools wie Trello oder ein digitales Bautagebuch – der Unternehmer nennt sich selbst einen „großen Freund der Digitalisierung“. Man treibe diese in großen Schritten voran, heißt es in Bremen.
  3. Unternehmerdenke: Schon als angestellter Monteur war Drewes das unternehmerische Denken wichtig. „Ich konnte verkaufen und den Kunden überzeugen“, erklärt der Handwerkschef. „Ich habe bereits wie ein Unternehmer gearbeitet, auch Angebote geschrieben.“ Will heißen: Die Umstellung fiel ihm also leicht.


02.06.2023: Udo ­Herrmann, Schreinermeister aus Bürgstadt, optimiert Handwerksbetriebe

Udo Herrmann, Schreinermeister, Redner und Coach, optimiert Arbeitsabläufe.
Udo Herrmann, Schreinermeister, Redner und Coach, optimiert Arbeitsabläufe. - © Patrick Neumann

Wer Udo Herrmann in seinem Bürgstädter Handwerksbetrieb besucht, bekommt neben vielen Impulsen auch eine kleine Stadtführung im benachbarten Miltenberg. Also, rauf auf die Mildenburg samt fantastischem Blick aufs Mainviereck und wieder runter in die Altstadt mit ­Sehenswürdigkeiten wie dem Hotel „Zum Riesen“ oder dem Würzburger Tor. Der Schreinermeister schafft auf Knopfdruck eine tolle Gesprächsatmo­sphäre. Kein Wunder, dass er bei seinen beiden weiteren beruf­lichen Standbeinen – als professioneller Redner und Coach – so gut ankommt. Vor allem Letzteres macht ihm „super viel Spaß“, im März dieses Jahres war er 80 Prozent seiner Zeit als Trainer unterwegs.

Knappe zwei Meter neben dem Besprechungstisch, an dem wir uns über aktives Verkaufen, Top-Arbeitsprozesse und die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen unterhalten, hängen 18 gerahmte Urkunden. „Business­preis“, „Vorbildliches Unternehmen“, „Beste Marketingidee“ … – eine Auszeichnung nach der anderen.

Mit 23 Jahren legte Herrmann, der auch schon als Kolumnist für handwerk magazin gearbeitet hat, seine Meisterprüfung im Schreinerhandwerk ab. Im Jahr 2000 übernahm er den elterlichen Betrieb – und trimmte ihn peu à peu auf Effizienz. „Mehr Power durch klare Prozesse: Ich kann heute als Chef an jeder Stelle in den Prozess einsteigen“, betont er. Der Rundgang durch den ­Vier- Mitarbeiter-Betrieb unterstreicht das – überall ­hängen Checklisten. Sehr beeindruckend!

Apropos To-do-Liste: „Veränderung in Krisen­zeiten“ steht als Überschrift auf dem Ausdruck, den mir Herrmann als Muster in die Hand drückt – oder als fachlichen Input für eine spätere Ausgabe.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:
  1. Tippgeber: Udo Herrmann hat als erfolgreicher Handwerks­unternehmer und Coach natürlich einen elementaren Tipp parat: Chefinnen und Chefs sollten stets Klarheit über ihre persönlichen Ziele haben. Darüber hinaus sollten sie sich immer wieder die Frage stellen, ob das eigene Unternehmen noch dazu dient, diese persön­lichen Ziele auch zu erreichen.
  2. Veränderungsbereitschaft: Auf dem Weg zum Redner und Coach hat Udo Herrmann in zahlreichen Stunden an sich gearbeitet und Wissen aufgesaugt. Unter anderem ließ er sich von Steve Kroeger persönlich als „7Summits Strategiecoach“ ausbilden. Herrmanns Fokus: Unternehmer und Führungskräfte auf dem Weg zu mehr persönlichem Freiraum und Erfolg zu begleiten und deren volles Potenzial zu entfalten. Übrigens besuchte er auch ein Coaching für professionelle Flipchart-Gestaltungen – das Resultat kann sich mehr als sehen lassen!
  3. Ruhe: Udo Herrmann strahlt viel Ruhe und Gelassenheit aus. Man spürt, dass ihn der Mix aus Handwerk und Coaching zufrieden macht. Der Autor von „Das Erfolgskonzept für Handwerker“ scheint seine Lösungen für jede Herausforderung im Tagesgeschäft verinnerlicht und sich so selbst mehr persönlichen Freiraum geschaffen zu haben.


01.06.2023: Ruth Baur, Metallbaubetrieb in Gerolzhofen

Unternehmerin Ruth Baur musste eine schwere Krise meistern.
Unternehmerin Ruth Baur musste eine schwere Krise meistern. - © Patrick Neumann

Wenn andere von ihren Hobbys erzählen, geht es meist um ehrgeizig gesetzte Trainingsziele im Sport, besondere Sammlerbörsen oder spektakuläre Scheunenfunde von vergessenen PS-Lieblingen. Nicht so bei Ruth Baur. Die Unternehmerin aus Gerolzhofen in Franken zeigt einem ihre Firma, die sie zusammen mit ihrem Sohn Christian, dem Metallbauer-Meister, führt. „Mein Metallbau-­Betrieb ist mein Hobby“, sagt sie ganz aufgeräumt und lacht dabei. Metall schneiden oder Balkone montieren als Hobby?

Wer diese Leichtigkeit und Klarheit von Ruth Baur besser verstehen möchte, muss die Firmenhistorie kennen. 2004 gründet die gelernte Erzieherin mit ihrem Mann Horst aus dem Nebenerwerb heraus die Firma. 2010 kommt dann der große Schock: Ihr Mann stirbt bei einem Verkehrsunfall. Ruth Baur kämpft sich durch, hält den Betrieb und die Familie am Laufen. Auf eine Leistung ist sie heute besonders stolz: Nach dem Unfalltod ihres Mannes stürzt sie sich voll in die Themen des Metallbau-Betriebs, absolviert etwa die Fortbildung zur Schweißaufsichts­person. „Mein Anspruch damals: Das bestehe ich auf Anhieb“, erzählt sie heute. Und? „Es klappte!“

Vielleicht lag es ja auch daran, dass die Unternehmerin abends im Hotel noch Extra-Lernschichten einlegte, während die Kollegen am Tresen fachsimpelten. „Ich bin im Metall aufgeblüht“, sagt sie heute.

Sohn Christian steigt 2015 in den Betrieb ein. Als Metallbauer-Meister, internationaler Schweißfachmann und Sachverständiger übernimmt er den technischen Part. Und Mutter Ruth die Betriebsführung: „Es war mir schon immer wichtig, dass betriebswirtschaftlich auch alles passt!“

Drei Dinge sind mir aufgefallen:
  1. Führungs-Tandem: Ruth Baur hat offenbar mit viel Leidenschaft und einer zupackenden Art ihren Sohn Christian fürs Metallbauer-Handwerk und den Schritt in die Selbstständigkeit begeistert – und somit die Nachfolge frühzeitig geregelt. Mehr noch: Beide tragen heute nach außen, wie schön und sinnstiftend die Arbeit in diesem Gewerk eigentlich sein kann.
  2. Qualität: Die Kunden aus der Region rund um Gerolzhofen, Volkach und Schweinfurt kommen über Mundpropaganda in den Metallbau-Betrieb – die Qualität und der Service scheinen für sich zu sprechen. Denn wer sich für hochwertige Treppen und Balkone, Geländer oder Zaunanlagen, Türen und Tore von Horst Baur Metallbau entscheidet, dem möchte Ruth Baur auch noch in den nächsten Jahren mit gutem Gewissen begegnen können.
  3. Energie: Ruth Baur schaut gerne über den Tellerrand hinaus. Sie bringt sich sowohl engagiert bei den UnternehmerFrauen im Handwerk (UFH) ein als auch bei der Innung oder an der Meisterschule. Den nötigen Energiekick holt sie sich unter anderem als Dozentin: So hält die Handwerkschefin beispielsweise Vorträge über Betriebsführung und -organisation. „Das motiviert mich!“, sagt sie. Und die Lernenden sicher auch.


02.05.2023: Peter Herbst, Installateur aus Kassel, spricht über Burn-out

Peter Herbst gibt wichtige Tipps für handwerk magazin.
Peter Herbst gibt wichtige Tipps für handwerk magazin. - © Patrick Neumann

Peter Herbst ist leidenschaftlicher Handwerker und ein mutiger Mann. Während wir locker am Kaffeetisch sitzen und durch die aktuelle Ausgabe von handwerk magazin blättern, spricht er über ein ernstes Thema: seinen Burn-out. Beeindruckend, wie er anhand seiner persönlichen Situation auf eine gesellschaftliche Problematik aufmerksam macht. Denn laut dem „DAK Psych­report 2023“ gab es 2022 einen erneuten Höchststand bei psychisch bedingten Fehltagen im Job.

Der gebürtige Lübecker und ausgebildete Agraringenieur blickt nicht auf den „klassischen Handwerkerlebenslauf“ zurück, wie er es selbst nennt. Statt Landwirtschaft möchte er ins Handwerk gehen. Dachdecker? Keine Chance: Höhenangst! Letztlich entscheidet er sich fürs Installateur- und Heizungsbauerhandwerk, macht 1998 seinen Meister und startet im Jahr 2000 seinen Betrieb im Nebenerwerb – bewusst als One-Man-Show. „Es wird immer ordentliche Arbeit abgeliefert“, betont er. „Denn es bin ja stets ich, der vor Ort ist.“ Die hohen Qualitätsstandards schätzen die Privatkunden.

Zurück zum Burn-out, mit dem Herbst heute gut leben könne. Sehr oft handele es sich dabei um eine Krankheit eines gestörten Hormonhaushaltes, die man in vielen Fällen sehr gut mit ärztlicher Hilfe in den Griff bekomme. „Man muss mit dem Thema offen umgehen“, betont er. Auch seine Kunden wissen Bescheid, „die große Masse trägt das mit“. Die Folge: Heute erledigt er nur einen Auftrag pro Tag, nimmt den Stress bewusst raus. Das Handwerk sieht der ­Unternehmer gut aufgestellt. „Handwerk ist doch geil“, sagt Herbst ganz offen in Kassel.

03.05.2023: Christoph Stocker, Steinmetz in Engen-Welschingen, (Baden-Württemberg)

Christoph Stocker (links), Unternehmer aus Engen-Welschingen, führte kürzlich Patrick Neumann von handwerk magazin durch den25 Mitarbeiter großen Betrieb.
Christoph Stocker (links),aus Engen-Welschingen - © Patrick Neumann

Auf dem Weg zu Christoph Stocker klingelt das Handy. Ob er noch etwas vorbereiten könne, fragt der Inhaber der Stein Stocker Natursteine GmbH aus Engen-Welschingen in Baden-Württemberg. Und ob wir dann gleich loslegen könnten. Wenig später wird im 25 Mitarbeiter großen Betrieb, der schon seit 1958 existiert und heute vor allem ­Küchen- oder Bäderträume aus Natur- und Quarz­­stein wahr werden lässt, klar, warum die Zeit so drängt. Der 64-jährige Steinmetzmeister und -techniker trifft sich gleich noch mit dem potenziellen Übernehmer, einem 28-jährigen Betriebswirt. „Wir ver­stehen uns zu einhundert Prozent“, freut sich der Handwerkschef. Heute sei unternehmerisches Denken gefragt, das gefalle ihm am möglichen Nachfolger. Keine Frage, Stocker möchte sein Lebenswerk in gute Hände geben. Er ist die zweite Genera­tion, sein Vater hatte den Betrieb gegründet.

Küchenarbeitsplatten, Fenstersimse und Grabsteine – Stocker ist wichtig, dass der Betrieb breit aufgestellt ist. „Wir bearbeiten alle Segmente“, erklärt er im Gespräch. Eben hat er noch durch die 600 Quadrat­meter große Halle geführt, die Produktion gezeigt und Natursteinmuster anfassen lassen. Jetzt wird er grundsätzlich: „Die Dienstleistung steht bei uns im Vordergrund.“ Und die Qualität. Stocker: „Wenn wir mit unseren Granitarbeitsplatten zu den Kunden kommen, flippen die aus.“ Rund 100 Granit­sorten liegen auf Lager, laufend kommen neue dazu.

Doch der Handwerksbetrieb bedient auch einen anderen Trend: Keramik. Vor zehn Jahren habe er das ausprobiert – ohne Probleme. „Wenn etwas ­Neues auf den Markt kommt, kümmere ich mich als Erster darum“, so der findige Unternehmer.

Drei Dinge sind mir aufgefallen
  1. Trendscout: Christoph Stocker greift Trends früh auf und bedient sie. Beispiel Keramik. Gerade viele jüngere Kunden würden sich heute die unkaputtbare Variante für ihre Küche wünschen. Wenn also die Küchenstudios landauf, landab mit diesem pflegeleichten Material werben, reagiert Unternehmer Stocker darauf und erweitert sein Portfolio. Interessant: Keramikarbeitsplatten sind 30 bis 50 Prozent teurer als Naturstein.
  2. Anpassungsfähigkeit: Waren früher Treppen und Fenster­simse von Christoph Stocker und seinem Team gefragt, produziert der Handwerksbetrieb heute vor allem Küchenplatten. Im Schnitt vier bis sechs pro Tag, 1999 ist es noch eine Küche im Monat gewesen. „Für jede Küche haben wir den passenden Stein und die maßgefertigte Lösung“, so der Inhaber aus Engen-Welschingen. Egal, ob für eine große Küchenserie oder eine individuell geplante Küche. „Wir sind bekannt für unsere Kompetenz – von der Idee über die Produktion bis hin zur Montage vor Ort.“
  3. Unternehmertum: Auch im Handwerksbetrieb steht laut Stocker die Profitabilität und das Geldverdienen im Vordergrund, nicht nur das handwerkliche Know-how. Deshalb versucht er ständig, Arbeitsabläufe zu optimieren, Kosten zu reduzieren und neue Wege zu gehen.

01.04.2023: David Gerlach, Optikermeister in Duderstadt (Niedersachsen)

David Gerlach (rechts), Handwerksunternehmer aus Duderstadt, veranstaltet zweimal im Jahr in seinem Ladenlokal besondere Events. Zu Besuch: Patrick Neumann von handwerk magazin (links).
David Gerlach (re) aus Duderstadt, in seinem Ladenlokal. - © P. Neumann

Fette Elektro-Beats oder eine Singer-Songwriter-Per­formance sind ja für eine Fußgängerzone nichts Ungewöhnliches. Aber im Ladenlokal von „draeger + heerhorst“, einem auf Sehen und Hören spezialisierten Handwerksbetrieb aus Duderstadt? Inhaber David Gerlach grinst. „Wir wollen ja auch für uns eine schöne Arbeitsatmosphäre haben“, so der Augenoptikermeister.

Deshalb lädt er zweimal im Jahr Kunden und solche, die es werden sollen, zu Events in die Marktstraße 39 ein. Das stylische ­Interieur spielt ihm dabei natürlich in die Karten. Von 19 Uhr bis ­­22 Uhr haben dann alle eine gute Zeit – auch sein junges Team. Gerlach: „Die Mitarbeiter gehen bei allem mit.“

2017 hat er gemeinsam mit Ines Kramer das Unternehmen, das auf eine mehr als 150-jährige Firmen­historie zurückblicken kann, erworben und seitdem die Marke „Das Auge des Eichsfeldes“ stark gepusht. Heute beschäftigt der umtriebige Unternehmer, der sich gerne austauscht und sein Netzwerk erweitert, an drei Standorten 20 Mitarbeiter.

Dass die moderne Außendarstellung des Betriebs auch nach innen abstrahlt, belegt die niedrige Fluktuation. „Meine Mitarbeiter sind auch außerhalb der Geschäfte miteinander verbunden – das ist gut“, freut sich Gerlach. Und auch betriebswirtschaftlich scheint sein frisches Konzept in der niedersächsischen 20.000-Einwohner-Gemeinde aufzugehen. 2021 und 2022 seien gute Jahre gewesen – trotz der großen ­Konkurrenz vor Ort. „Gerade in einer Kleinstadt kennt jeder jeden. Hier sind hochwertige Arbeit, eine faire Preisgestaltung und sehr gute Mitarbeiter ausschlaggebend für ein gutes Renommee“, erklärt Gerlach. Und für diesen guten Ruf lassen sich er und sein Team eine Menge einfallen.

Drei Dinge sind mir aufgefallen
  1. Arbeitsatmosphäre: Wer das Ladenlokal in der Duderstädter Fußgängerzone betritt, ist gleich vom modernen Ambiente gefangen. Keine Frage: Kunden und Mitarbeiter können sich hier wohlfühlen – die Wahl der passenden Brille oder des professionellen Hörsystems fällt dadurch schon mal leichter. Wenn der Chef dann noch spezielle Kunden- oder Teamevents „schmeißt“, ist die nächste Good-Vibrations-Stufe erreicht.
  2. Mitarbeiterbindung: Handwerkschef David Gerlach möchte, dass sich seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohl und wertgeschätzt fühlen. Zwei Beispiele: In der Filiale in Leinefelde (Thüringen) arbeiten nur Teilzeitkräfte. Fällt eine Mitarbeiterin spontan aus, springt eine andere für sie ein – verantwortungsbewusstes Handeln, ohne dass der Chef das organisieren muss. Außerdem nimmt er seine Mitarbeiter gerne auf Branchenevents mit. So reiste er erst vor Kurzem mit sechs Mitarbeitern zur Messe „opti“ nach München.
  3. Trendscout: Wenn sich die Digitalbranche 2022 erstmals seit 2019 wieder zum Megaevent „OMR Festival“ in der Hamburger Messe trifft, darf David Gerlach nicht fehlen. Als einer von 70.000 Teilnehmern war der Handwerksmeister vergangenes Jahr vor Ort – „eine geile Zeit“, wie er sagt. Zudem holt er sich regelmäßig beim Spectaris-Trendforum neue Denkanstöße und Impulse.

01.03.2023: Matthias Brack, Unter­nehmer aus Altusried (Allgäu)

Matthias Brack, Schreinermeister und Geschäftsführer von Brack Wintergarten im bayerischen Altusried, brennt für Erklärvideos.
Matthias Brack, Schreinermeister und Geschäftsführer von Brack Wintergarten im bayerischen Altusried, brennt für Erklärvideos. - © Patrick Neumann

Wie es sich fürs Allgäu gehört, liegt vor dem „La Casa Allgäu“ in Dietmannsried ziemlich viel Schnee. Matthias Brack, Handwerkschef in vierter Generation, schnappt sich die Schaufel – und macht den Weg frei. Der Schreinermeister, Betriebswirt und Holztechniker hatte ursprünglich die Idee für das besondere Netzwerk, für das das imposante „La Casa Allgäu“ steht. Acht unterschiedliche Handwerks­betriebe befinden sich hier seit 2018 unter einem Dach. „Die Kunden sparen sich damit Zeit, Kosten und die Koordination der einzelnen Gewerke“, erklärt Brack bei einer Tasse Kaffee. Und sie können auf rund 1.000 Quadratmetern Fläche elf komplett eingerichtete Wintergärten, Garten- und Wohnbereiche erleben. „Durch die Zusammenarbeit können wir alles ab­decken“, sagt der Unternehmer.

Youtube-Präsenz: Film ab! Nicht nur in Sachen Ausstellung geht der Betrieb, dessen Stammsitz in Altusried ist und der 28 Mitarbeiter beschäftigt, neue Wege. „Es wäre cool, Videos zu machen“ – so ein spontaner Impuls von Brack während des Lockdowns. Heute verfügt er bereits über einen Drohnenführerschein, einen eigenen Greenscreen und ein gutes Renommee auf YouTube. 40.000 Zugriffe haben dort die besten Videos. Ein echter Kundenmagnet: 30 Prozent der Kunden und Interessenten kämen mittlerweile über diesen Kanal, so Brack. Auch die Drehbücher schreibt er selbst. „Ich bin einfach interessiert“, sagt Brack lachend. Das gilt auch fürs Thema Mitarbeiterführung. Seit Anfang des Jahres dürfen sich die Monteure über eine Vier-Tage-Woche freuen. Mehr noch: Sie bekommen vier Stunden geschenkt, bei vollem Lohnausgleich.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:
  1. Netzwerk: Das Handwerker-Netzwerk, das Unternehmer Matthias Brack unter dem Dach des „La Casa Allgäu“ versammelt hat, hilft den Betrieben bei der Fokussierung. Und die Kunden schätzen das One-Stop-Shopping in unmittelbarer Nähe der Autobahn A7. Wintergärten, Terrassendächer, Whirlpools, Sonnenschutz und Gartengestaltung – die Netzwerkpartner setzen die jeweiligen Träume individuell um.
  2. YouTube: Erklärvideos des Chefs machen das Thema Wintergärten auf dem „La Casa Allgäu“-Kanal plastischer. Glasdach oder Lamellendach für meine Terrasse? Solche Fragen beantwortet Brack im Bewegtbild. Aber auch für seine internen Prozesse setzt der Handwerksmeister auf dieses Medium. Sein Tipp: Schon mit Equipment in Höhe von 2.500 Euro kommt man ziemlich weit. Also einsteigen und nachmachen!
  3. Vier-Tage-Woche: Brack sieht sich in der Rolle des Feelgood-Managers – und geht bewusst diesen modernen Schritt. Eine spezielle Betriebsvereinbarung regelt rechtsverbindlich den Rahmen. „Offiziell ist jetzt Freitag frei“, so Brack. Bedeutet für seine Privatkunden: Wintergärten und Glasüberdachungen werden jetzt nur noch von Montag bis Donnerstag montiert – und die Kunden entsprechend aufgeklärt.

03.09.2020: City Bau GmbH aus Neuötting (Oberbayern)

Helmut Ecklkofer (rechts) überreicht Patrick Neumann seinen handsignierten Essayband. - © City Bau

Wenig überraschend: Natürlich hat die Covid-19-Pandemie auch meiner Aktion „52 Wochen = 52 Betriebe“ einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch jetzt kann es wieder losgehen – unter Einhaltung jeglicher Vorsichts- und Hygienemaßnahmen, versteht sich.

Also, wie hat die Pandemie sein Geschäft nun beeinträchtigt? „Auf den Baustellen lief es gut“, resümiert Ecklkofer die letzten sechs Corona-Monate. Doch die Genehmigungsphasen würden unendlich lange dauern. Für einen Macher wie ihn, der sich selbst als Perfektionist beschreibt, ein Unding. Schließlich möchte er seine Firma City Bau, die sein Großvater Andreas Ecklkofer 1931 als Baugeschäft gegründet hatte, voranbringen. Gutes Bauen statt Masse – das zählt für ihn. Demnach läuft er auch nicht dem Hype „immer schneller, höher und weiter“ hinterher, sondern plädiert für ein moderates Wachstum. Maximal 15 Objekte im Jahr setzt er mit seinem 15 Mitarbeiter großen Team um. „Wir bauen sehr hochwertig, sind aber preiswert.“ Das komme sehr gut an.

Mein Eindruck: Firmenchef Ecklkofer macht sich viele strategische Gedanken über die Ausrichtung des Betriebs, aber auch über seine Rolle als Unternehmer. Beispielsweise hat er sich während Corona viel mit Stärken und Schwächen beschäftigt. Negatives ins Positive drehen – das sei sein Lebensmotto. Beeindruckend, zumal in diesen Zeiten.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:
  1. Die Digitalisierung stellt für den Unternehmer keine große Herausforderung dar. Ecklkofer: „Wir sind digital sehr gut aufgestellt“. So startete er etwa bereits 2011 Deutschlands erste Bau-Trainer-App für iPhone und iPad von Apple. Auch die digitalen internen Prozesse haben die Bayern im Griff. Und: Bereits 2001 ging die erste Website online .
  2. Ecklkofer nimmt sich Freiräume – auch für Kreativität. Stolz zeigt er mir seine 2019er-Zielbilder, übrigens für sein Unternehmen und sich.
  3. Als erfolgreicher Unternehmer möchte der Neuöttinger etwas zurückgeben. So spendet er beispielsweise die Erlöse aus seinen Lesungen für einen guten Zweck .

03.03.2020: Die Dachfenster-Retter aus Marbach (Landkreis Ludwigsburg)

Dachfenster-Retter Sara und Oliver Dundiew
Auf Social-Media-Kanälen und Youtube setzen die zwei ihre Dienstleistungen gekonnt in Szene. - © neumann/handwerk magazin

Draußen die historische Fassade, drinnen im schmucken Gebäude jede Menge neue Ideen: Ich bin zu Besuch bei den Dachfenster-Rettern in Marbach am Neckar. Noch vor den Ausgangsbeschränkungen der Corona-Pandemie , die im Eiltempo meine Aktion „52 Wochen = 52 Betriebe“ auf Eis legte. Aber wie heißt es ja so schön: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Sara und Oliver Dundiew hatten mich zu sich eingeladen, vor allem der Satz „Wir sind ständig im Wandel“ machte mich neugierig. Und die Neugierde wächst während unseres Treffens. Denn wir sprechen kaum über das Zimmerer-Handwerk, aus dem Oliver Dundiew ursprünglich kommt und für das er immer noch brennt, sondern vor allem über digitale Tools und Prozesse. Kennen Sie beispielsweise die „Notfall Nora“? Dahinter verbirgt sich der WhatsApp-Kanal des 2017 gegründeten und bewusst spitz positionierten Unternehmens. Seit gut einem Jahr ist der Bot „Nörchen“, so der Spitzname, im Einsatz. Ärgert sich beispielsweise ein Kunde über ein klemmendes Dachfenster, schickt er eine WhatsApp – und Notfall Nora schaltet sich ein und qualifiziert die Anfrage. Dieser Weg erleichtere den Arbeitsablauf enorm, so die Gründer. Nur noch die Bilder des kaputten Fensters und das fotografierte Typenschild checken, schon können die Schwaben beraten und Angebote kalkulieren. Zum Hintergrund: Die noch junge Firma ist spezialisiert auf Reparatur, Wartung, Einbau und Austausch von Dachfenstern. Neben dem handwerklichen Know-how kommt es dabei auf einen ausgeprägten Servicegedanken an.

Und die Nachfrage ist groß – vor allem in der Internetgemeinde. „80 Prozent der Anfragen kommen bei uns übers Web“, so Sara Dundiew. Deshalb sei auch die professionelle Website so wichtig, ergänzt ihr Ehemann. Auch auf Social-Media-Kanälen und Youtube setzen die zwei ihre Dienstleistungen gekonnt in Szene. Darüber hinaus denken sie derzeit über On-Demand-Webinare nach. „Jeder kann von jedem lernen“, betont Oliver Dundiew im Gespräch mit mir. Und wie lebt es sich so in der Nische? „Die Spezialisierung ist die Zukunft des Handwerks“, ist sich Sara Dundiew sicher. Da wären wir wieder beim Wandel, dem sich der Sechs-Mann-Betrieb täglich stellt.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:
  1. Mit der spitzen Positionierung haben sich die Dachfenster-Retter in der Nische etabliert. Jetzt heißt es, den Dienstleistungs- und Servicegedanken hochzuhalten.
  2. Dank des WhatsApp-Bots können potenzielle Kunden zeit- und ortsunabhängig die Profis um Hilfe fragen. Und: Der Kunden fühlt sich vermutlich nicht so gehemmt, weil er vielleicht nicht so genau erklären kann, was bei seinem Dachfenster eigentlich defekt ist.
  3. Laut dem Unternehmer-Ehepaar können gerade kleine Handwerksunternehmen die Digitalisierung schnell umsetzen. Die Marbacher sind das beste Beispiel dafür!

02.03.2020: Scholl Orthopädie Schuhtechnik in Remchingen (Enzkreis/Baden)

52Wochen: Thomas Scholl, Scholl Orthopädie Schuhtechnik
Das handwerkliche Können von Thomas Scholl hat sich mittlerweile in ganz Deutschland herumgesprochen. Alle kommen zu ihm nach Remchingen. "Man muss den Fuß live sehen", erklärt er dazu. - © handwerk magazin/neumann

Weil Deutschland Rücken hat, ist Thomas Scholl ein gefragter Mann. Der Unternehmer, der die heutige Scholl Orthopädie Schuhtechnik GmbH vor gut 30 Jahren aus der Taufe hob, hat sich als Problemlöser einen Namen gemacht. Kunden aus dem ganzen Bundesgebiet geben die Hauptstraße 36 in Remchingen ins Navi ein, um Antworten auf lästige wie schmerzende Probleme mit Füßen, Gelenken, Rücken oder Faszien zu erhalten. „Man braucht ein sehr großes Hintergrundwissen“, betont Scholl. Er strebe immer die beste und optimale Lösung für den Kunden an, heißt es im westlichen Enzkreis.

Doch welche Leistungen bietet der 22 Mitarbeiter große Betrieb überhaupt an? Scholl spricht ausführlich über Einlagen, Bandagen, Arbeitssicherheitsschuhe, Diabetes- und Kompressionsversorgung, Podologie, Laserbehandlung, Ganganalyse und orthopädische Maßschuhe. Letztere fertigen drei Mitarbeiter in der eigenen Designwerkstatt speziell an. Das Material und die Farbe dafür können sich die Kunden natürlich aussuchen. Ein imposantes Leistungsportfolio, so mein Eindruck. Der Rundgang durch den Betrieb und die vielen zufrieden wirkenden Mitarbeiter untermauern die Lebensleistung des engagierten Orthopädie-Schuhtechniker-Meisters noch. Scholl stoppt während des Rundgangs kurz und zeigt mir stolz sein „neuestes Baby“: einen 3D-Scanner zur Schuhproduktion. Auch in diesem Gewerk bietet die Digitalisierung eine Menge Chancen.

Satte 27.500 aktive Kunden befinden sich in seiner Kartei, erzählt mir der Handwerkschef bei meinem Besuch. Darunter auch eine Gruppe, die man nicht unbedingt erwartet hätte: die Spielerinnen der Rutronik Stars Keltern, die von den Fans liebevoll „die Sterne“ genannt werden. Das Top-Team mischt die Basketball-Bundesliga der Frauen auf und wird auch von Scholls Team betreut. Für beide Seiten gilt: Sie wollen Spuren hinterlassen.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:
  1. Thomas Scholl investiert nicht viel Geld in Werbung. Das handwerkliche Können des Betriebs spricht sich rum – in ganz Deutschland. „Man muss den Fuß live sehen“, erklärt der Unternehmer. Eine Tatsache, die den Bestand des stationären Betriebs auch zukünftig sichert.
  2. Trotzdem macht der Unternehmer, der selbst viel ausbildet, Werbung für sein Gewerk – nämlich an Schulen. Und eine Sache ärgert ihn auch am Markt: „Das Engagement für die jungen Menschen fehlt mir.“
  3. Ob sich dann abends daheim auch alles um Spezialeinlagen & Co. dreht? Thomas Scholl lacht: „An der Wohnungstür ist Feierabend!“ Das gute Klima möchte er auch nicht gefährden. Denn: „Die funktionierende Familie ist ein Geheimnis meines Erfolgs.“

02.03.2020: Metzgerei Böbel in Rittersbach (Mittelfranken)

Claus Böbel in seinem  Bratwursthotel
Hier geht es um die Wurst: Metzgermeister Claus Böbel in seinem Bratwursthotel im mittelfränkischen Roth. - © handwerk magazin/neumann

Waren Sie schon einmal im Bratwursthotel? Ich schon – bei meinem fünften Betriebsbesuch. Hier die Wurstspezialitäten-Tapete, da die Nackenrolle in Wurstoptik, dort die Silhouette eines duschenden Schweines an der Badezimmertüre. Stolz zeigt mir Metzgermeister Claus Böbel seine Erlebnis-Herberge in Rittersbach, die er im September 2018 wenige Schritte von seiner Metzgerei Böbel entfernt eröffnet hat. Im Mittelpunkt des Ganzen steht die fränkische Bratwurst, die hier im Dialekt natürlich „Broudwuarschd“ heißt – und auf der ganzen Welt Fans hat. Die wiederum können nun die besonderen Zimmer buchen und nachts von Wurstspezialitäten träumen. „In Deutschland fehlen Visionäre“, betont Unternehmer Böbel, Jahrgang 1970. Fehlende Visionen kann man dem engagierten Handwerkschef nicht vorwerfen. Mit Blick in die Zukunft möchte er sein Hotel noch cooler machen, noch mehr auf Bratwurst-Erlebniswelt trimmen. Sein Tipp für Handwerksbetriebe: „Inszenieren statt präsentieren.“ Das gelingt im mittelfränkischen Landkreis Roth ganz vorbildlich.

Apropos Inszenierung. Früh erkannte Böbel, wie das World Wide Web sein Unternehmen pushen kann. „Im Zeitalter der Digitalisierung ist der Standort egal“, sagt er heute. 1997 ging er mit seiner Metzgerei ins Netz, 2007 startete er den Online-Verkauf. 4.000 bis 5.000 Pakete verlassen die Metzgerei, die heute neun Mitarbeiter beschäftigt, im Jahr. In einer speziellen Isolierverpackung aus 100 Prozent Papier. Das beliebteste Produkt – wie kann es anders sein –: die fränkische Bratwurst. Böbel: „Jede zweite Wurst geht bei uns im Paket weg.“

Digitalisierung als Herausforderung fürs Handwerk? Auch Unternehmer Böbel betrachtet die Digitalisierung als Herausforderung, aber als eine mit gigantischen Chancen. Er persönlich forciert den digitalen Small Talk, nicht die Big-Data-Strategie. „Ich poste Storys aus dem täglichen Leben.“ Kein Wunder, dass der Unternehmer, der schon immer gestalten wollte, auch als Vortragsredner gefragt ist.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:
  1. Metzgermeister Böbel macht für seinen Webshop, der im 50 Prozent seines Umsatzes garantiert, keine Werbung. „Ich brauche Bestandskunden, die immer wieder kommen“, lautet seine Devise. Qualität entscheidet!
  2. Der Handwerksunternehmer setzt nicht nur auf Wurst & Co. So bietet er Wurstkurse und -erlebnisse an. „Ich verkaufe nicht nur Waren, sondern auch mein Wissen“, erzählt er mir im Gespräch. Die Seminare würden sehr gut angenommen. Selbst ein Teilnehmer aus Australien buchte schon den „German Sausage Course“. Das deutsche Handwerk sei gefragt.
  3. Unternehmertum in Problemlagen? Metzgermeister Böbel beschritt deshalb ungewöhnliche und unkonventionelle Wege – der Erfolg gibt ihm heute recht.

11.02.2020: Bleher Raumdesign & Handwerk in Nürtingen (Landkreis Esslingen)

#52Wochen: Bleher Raumdesign & Handwerk
Das Team bei Bleher Raumdesign & Handwerk: Laura Kindl, Michael Bleher, Dorian Kapaun und Gina Lara Blankenhorn (v.l.n.r.). - © handwerk magazin/neumann

„Wir legen Ihnen den Boden zu Füßen“ – so steht es auf dem Flyer, den ich in der Kirchheimer Straße 1 in Nürtingen in die Hand nehme. Gleich treffe ich Michael Bleher und sein Team. Doch das Gespräch läuft anders, als erwartet: Wir sprechen kaum über Bodenbelagsarbeiten, Wand- und Deckengestaltung oder die Wünsche seiner Privatkunden, sondern vor allem über die Digitalisierung . „Wir stellen das Ding komplett auf den Kopf, ohne die Prinzipien des traditionellen Handwerks aus dem Blick zu verlieren“, erklärt der Raumausstattermeister. Mit „das Ding“ meint Michael Bleher sein Unternehmen Bleher Raumdesign & Handwerk, das er 1992 dem Vater abgekauft und das sein Großvater 1946 gegründet hatte. „Das ist mein Leben. Ich mache das echt gerne.“ Heute beschäftigt er insgesamt sieben Mitarbeiter . Zuhörer, Ideengeber, Planer und Macher: So sehen sie sich in Nürtingen .

Der Handwerkschef ist in seinem Berufsleben viel in der Welt herumgekommen. Die Stationen lauten Dublin, Singapur oder Puerto Rico. Eigenen Angaben zufolge waren das die Wanderjahre in der Ferne. Dabei hat er sich stets den Blick für Neues und Trends bewahrt, so mein Eindruck. Mit der Konsequenz, dass er seinen Nürtinger Betrieb jetzt auf digital trimmt. „Wir sind heute schon weitgehend digital“, betont Michael Bleher. Er erklärt mir den Einsatz der eigenen Cloud, spricht über die passenden Schnittstellen, zeigt mir innovative PDF-Formulare und erläutert mir die Vorteile des papierlosen Büros und die ausgeklügelte IT-Logik, an der er zusammen mit einem Entwickler seit fünf Jahren dran ist. Auch interessant: Im August 2019 stattete er sein Team mit Apple iPads aus. Von Papier und Aktenordnern möchte man sich kurzfristig verabschieden. „Die Entscheidung, es jetzt richtig zu machen, hat mich sehr motiviert.“ Und diese Motivation kann man als Gesprächspartner nahezu greifen.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:
  1. Raumausstattermeister Michael Bleher setzt auf die Kombination: den persönlichen Kontakt mit dem Kunden und die digitalen Abläufe . Demnach hat der stationäre Laden in der Kirchheimer Straße 1 auch künftig seine Berechtigung. Schließlich wollen die Privatkunden aus der Region Muster, Stoffe & Co. anfassen – damit dann Blehers Team später die richtige Atmosphäre schaffen und die handwerkliche Perfektion zeigen kann.
  2. Der Handwerkschef lebt seinem jungen Team die Veränderung vor. Er bemängelt die festgefahrenen Strukturen in vielen Betrieben und möchte mit gutem Beispiel vorangehen und sein Wissen weitergeben. Heute im eigenen Betrieb, später aber auch in anderen Handwerksunternehmen.
  3. Für Michael Bleher kommt es aufs Netzwerken an. „Ein Netzwerk mit Kollegen finde ich super wichtig.“ Selbst im Fitnessstudio knüpft der ehemalige Weltenbummler Kontakte fürs Business.

11.02.2020: Kiesel Elektrotechnik in Rottenburg (Landkreis Tübingen)

 Patrick Neumann und Volker Kiesel
"Ich bin in einer extremen Nische unterwegs", erklärt Elektrotechnikermeister Volker Kiesel (re.) Chefredakteur Patrick Neumann bei dessen Betriebsbesuch. - © Kiesel Elektrotechnik/handwerk magazin

Das grüne Nachlicht-Band am Boden zeigt den direkten Weg ins Bad, das Bett im Schlafzimmer hebt einen auf Knopfdruck elegant aus den Federn und dank des höhenverstellbaren Herds kommen auch Rollstuhlfahrer beim Kochen nicht ins Schwitzen. Herzlich Willkommen im Tübinger LebensPhasenHaus. Elektrotechnikermeister Volker Kiesel hat mich hierher eingeladen – und somit unser Treffen kurzerhand von seinem Büro an einen besonderen Ort verlegt. An einen „Ort für Forschung, Demonstration und Wissenstransfer“, wie es offiziell heißt. Seit seiner feierlichen Eröffnung am 18. Mai 2015 kann man im LebensPhasenHaus die Zukunft anfassen und sich die Möglichkeiten fürs selbstbestimmte Wohnen besser vorstellen. Auch ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich Gesehenes in den eigenen Kontext übertrage.

„Ich bin in einer extremen Nische unterwegs“, erklärt Volker Kiesel. Der Elektrotechnikermeister, der 2004 seinen Betrieb Kiesel Elektrotechnik gegründet hat und heute als 2,5-Mann-Firma unterwegs ist, spielt hier auf Privatkunden an, die lange zu Hause wohnen wollen. Ganz wichtig bei dieser Klientel: Vertrauen zu gewinnen. Und sie als Kümmerer oder „Lieblingshandwerker“ auf der digitalen Reise zu begleiten. „Das Thema Digitalisierung treibt mich natürlich täglich mit Smart Home und Assistenzsystemen für Senioren und Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen um“, so Kiesel. Interessant: Einige der „Oldies“ schlüpfen für Handwerkschef Kiesel in die Rolle des Testkunden – und prüfen neue Geräte oder Tools intensiv.

Apropos Unterstützung. „Smart Home & Living“ bietet Handwerksbetrieben, auch im Zuge des demografischen Wandels, interessante Chancen und Perspektiven. Insbesondere, wenn man als Netzwerkpartner agiert. Auf das professionelle Zusammenspiel kommt es dabei an. „Netzwerkdenken ist uns ganz wichtig“, betont Kiesel. Mit „uns“ meint er die fünf Experten, die er einen Tag nach Orkan Sabine an den großen Tisch im LebensPhasenHaus geholt hat: Sabine Goetz und Andreas Baum vom Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter Baden-Württemberg, Sylvia Weinhold von der Handwerkskammer Reutlingen, Michael Lucke vom Kreisseniorenrat und Thomas Heine von der Eberhard Karls Universität Tübingen. Gut eineinhalb Stunden diskutieren wir intensiv über gesundes wie selbstbestimmtes Leben und die Rolle des Handwerks als Multiplikator. Forschung, Handwerk und Ehrenamt – eine tolle Kombination.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:
  1. Volker Kiesel bringt die Menschen zusammen. Barrierefreiheit 4.0 ist für ihn ein Megathema – und dafür hat er sich das richtige Netzwerk aufgebaut. Der Elektrotechnikermeister bringt sich ein, fungiert am Markt als Türöffner und brennt für sein Handwerk.
  2. Der Handwerkschef trägt das Thema in die Breite. Beispielsweise ist er Dozent an einer Meisterschule für Elektrotechnik. Oder er hält als Experte Vorträge auf Messen und vor Seniorengruppen.
     
  3. Und der Unternehmer sucht aktiv nach neuen Wegen. So war er drei Jahre lang Projektpartner von „ Hammer 4.0“. Dessen Ziel: die Erschließung neuer Geschäftsfelder für Handwerk, Handel und Dienstleister im Bereich „Smart Home & Living“.

30.01.2020: Riebl-Siebdruck in Ergolding (Niederbayern)

52 Betriebe: Hannes Riebl, Riebl-Siebdruck
Firmenchef Hannes Riebl zeigt beim Besuch von Patrick Neumann stolz seine Produkte. - © handwerk magazin/neumann

Hannes Riebl ist ein innovativer Unternehmer – und der Gastgeber meines zweiten Betriebsbesuchs. Heute bin ich beim Siebdrucker, ein kaum bekannter Beruf. Der Gründer von Riebl-Siebdruck selbst spricht von „Exoten im Handwerksbereich“. Doch was fertigen die Niederbayern eigentlich? Beispielsweise Funktions- und Tastaturfolien sowie Typen- und Geräteschilder. „Alles, was die Maschinen- und Geräteindustrie benötigt“, so Riebl. Stolz zeigt er mir Muster, erklärt mir im Schnelldurchgang spezielle Verfahren und Ähnliches. Namhafte Unternehmen geben sich in Ergolding die Klinke in die Hand. Als Spezialist für technische Produkte rund ums Gerät ist man offensichtlich gefragt – auch in China. „Unsere Stärke ist, Lösungen für den Kunden zu finden.“

Bevor wir eine Tour durch seinen Betrieb machen, bei dem ich vielen motivierten Mitarbeitern und den modernsten Maschinen begegne, steht ein Powerpoint-Vortrag an. Ein kurzer Ritt durch die Firmenhistorie – vom Start als Ein-Mann-Betrieb 1977 bis zum innovativen Produktionsunternehmen mit 30 Mitarbeitern heute. Während des Vortrags wird mir schnell klar, wie viel der umtriebige Unternehmer erreicht hat: Drei Mal erhielt der Betrieb den Bayerischen Qualitätspreis, als erste Siebdruckerei war man nach ISO 9001 zertifiziert (1994), dann die Auszeichnung zum „Top Innovator“ (2016) und selbst Kanzlerin Angela Merkel besuchte den Handwerksunternehmer 2017 an seinem IHM-Stand – um nur einen kurzen Auszug zu nennen. Alles andere würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:
  1. Der Unternehmer hat sich früh damit beschäftigt, in seiner Firma eine Philosophie, ein Leitbild, eine Politik, ein Managementsystem einzuführen. So lautet beispielsweise das Firmenmotto: „Gemeinsam sind wir stark“. Zudem stehe der Mensch im Mittelpunkt des Handelns. Riebl spricht von Menschlichkeit und Fairness, sowohl was die Mitarbeiter als auch die Geschäftspartner angeht. Ethische Grundsätze stehen hier im Mittelpunkt. Riebl: „Unternehmenskultur hat in unserem Hause schon immer einen hohen Stellenwert.“ Demnach verwundert es auch kaum, wie die Vision des Unternehmens aussieht: begeisterte Kunden.
  2. Der Siebdruckmeister hat sich immer ehrenamtlich engagiert: Wie mir Riebl erzählt, war er viele Jahre stellvertretender Innungsmeister der Bundesinnung sowie im Prüfungsausschuss und bei der Erstellung der Prüfungsaufgaben tätig. „Im Verband Druck und Medien Bayern bin ich seit 15 Jahren stellvertretender Vorsitzender“, ergänzt er. Das Netzwerk muss groß sein.
  3. Und Hannes Riebl kann loslassen . Zum Jahreswechsel 2019/2020 hat er den Betrieb, eigenen Angaben zufolge eine der führenden europäischen Siebdruckereien, an seine Tochter Joana Harrer-Riebl und seinen Schwiegersohn Florian Harrer übergeben. Die Zukunft ist somit gesichert!

24.01.2020: Elektro-Netzwerk Ramsauer in Velden (Niederbayern)

52 Betriebe: Barbara Ramsauer und  Patrick Neumann
Auftakt in Niederbayern: Der erste von 52 Betriebsbesuchen führte Chefredakteur Patrick Neumann zu Barbara Ramsauer nach Velden. - © Anna Ramsauer

Es geht los! Der erste meiner 52 Betriebsbesuche, die ich mir heuer vorgenommen habe, ist quasi ein Heimspiel. Gute 60 Kilometer von München entfernt liegt der Markt Velden – im niederbayerischen Landkreis Landshut. „Perle des Vilstals“ steht auf einem Schild am Straßenrand, wenige Hundert Meter entfernt vom Elektro-Netzwerk Ramsauer. Die Sonne verwöhnt am heutigen Freitag diese Perle, wenngleich das Thermometer schattige 1,5 Grad anzeigt. Doch was erwartet mich bei meinem ersten Besuch? Welche Erwartungen gibt es? Und wo drückt am meisten der Schuh?

Die engagierte Unternehmerfrau Barbara Ramsauer, die gemeinsam mit ihrem Mann Rudolf den Betrieb 1993 im privaten Wohnhaus startete, hatte mich zu sich nach Niederbayern eingeladen. Rund 30 Mitarbeiter kümmern sich um Elektro-, Netzwerk und Sicherheitstechnik – ausschließlich im öffentlichen Bereich. Zudem offeriert der Handwerksbetrieb Services für Bauherren, etwa Wartungsverträge.

Die erste Überraschung: Der Ramsauer-Fuhrpark befindet sich vollständig auf dem Hof. Der Grund, wie ich später im modernen Betrieb erfahren sollte: Man setzt hier auf eine Vier-Tage-Woche. Freitags sind die Mitarbeiter bereits im Wochenende, ihr Stundenkonto haben sie schon von Montag bis Donnerstag gefüllt.

So sonnig wie das Wetter ist dann auch der Empfang der Ramsauers. Neben Barbara und Rudolf Ramsauer nehmen auch Tochter Anna und Sohn Andreas, beide schon im Betrieb aktiv, am Gespräch teil. Eine ganz kurzweilige Unterhaltung über Herausforderungen, Trends & Co.

Drei Dinge sind mir aufgefallen:
  1. Barbara Ramsauer nimmt den Fachkräftemangel nicht einfach hin, sondern unternimmt aktiv etwas dagegen. So stellte sie unter anderem kürzlich in ihrer Heimatgemeinde eine Ausbildungsmesse auf die Beine – mit 19 ortsansässigen Handwerksbetrieben. Ein Novum. Das Konzept am Ramsauer-Stand: Der Lehrling kümmerte sich um den potenziellen Azubi, die Chefs um dessen Eltern. „Lockeres Kennenlernen und Kontakte anbahnen“, so das Motto von Barbara Ramsauer. Natürlich durften neben einem Roll-up auch Werkzeuge und Gitterkäfig nicht fehlen.
  2. Dauerbrenner Digitalisierung : Bei Elektro-Netzwerk Ramsauer möchte man einige Prozesse umstellen. „Diese Jahr ist das Jahr der Digitalisierung “, betont Barbara Ramsauer. Unterstützung holt man sich dafür von externen Beratern. „Unser nächster Schritt ist die digitale Zeiterfassung.“ Keine Angst, dass der eine oder andere Mitarbeiter nicht mitziehen könnte? Barbara Ramsauer winkt ab. „Wir haben eine sehr gute Situation, weil wir einen sehr jungen Mitarbeiterstamm haben.“ Wo ergibt Digitalisierung einen Sinn und was bringt den Betrieb weiter – diesen Grundsatz verfolgen die Niederbayern.
  3. Wären wir bei Punkt drei, der Nachfolgeregelung. Von den drei Kindern sollen die bereits erwähnten Anna und Andreas später einmal als Doppelspitze den Handwerksbetrieb führen. Behutsam werden sie an diese Aufgaben herangeführt, so mein Eindruck vor Ort. Die Wertigkeit und den Stolz des Handwerks leben sie heute schon. Vorbildlich!

Patrick Neumann
patrick.neumann@handwerk-magazin.de