Technologie-Monitoring 3D-Druck verändert ganze Branchen

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3D-Drucker

Das Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik (HPI) in Hannover analysierte die Bedeutung und Perspektiven des 3D-Drucks für die Gewerke des Handwerks. Es untersuchte außerdem, wie stark das Thema im Handwerk bereits angekommen ist und wie sich Qualifikationen, Berufsausbildung und Weiterbildung weiterentwickeln müssen.

3D Drucker MakerBot Replicator 2
Der Makerbot Replicator 2 gehört zu den bekanntesten, aber auch hochpreisigen 3D-Druckern für den Desktop. - © Makerbot Industries
 HPI,  Hannover
HPI, Hannover - © HPI, Hannover

Bei dem Erstellen von Produkten mit Hilfe eines 3D-Druckers wird das Prinzip der herkömmlichen Fertigungsverfahren wie Fräsen oder Schneiden umgekehrt. Bei diesen Verfahren wird das zu erstellende Produkt aus einem Werkstoff gefräst oder geschnitten, weshalb sie auch als subtraktive Verfahren bezeichnet werden. Im Gegensatz dazu wird bei dem 3D-Druck ein bestimmtes Material wie Kunststoff, Metall oder Keramik schichtweise aufgetragen, sodass nach und nach in dünnen Lagen ein 3D-Objekt aufgebaut wird. Es gibt unterschiedliche Verfahren, die unter dem Begriff 3D-Druck oder auch " Additive Manufacturing", " generative Fertigung" oder " Rapid Prototyping" zusammengefasst werden. Das Grundprinzip beinhaltet jedoch immer den schichtweisen Aufbau eines Objekts (Fastermann 2016).

Funktionsprinzip und technische Verfahren

Voraussetzung für die additive Fertigung ist ein digitales, dreidimensionales Modell, welches entweder anhand eines CAD-Programmes erstellt oder mit Hilfe eines Scanverfahrens gewonnen werden kann. Die 3D-Modelle werden zur Steuerung des 3D-Druckers und für die Fertigung in einzelne Schichten zerlegt („slicing“). So werden die entstandenen Ebenen in dünnen Schichten aufeinander gedruckt und erzeugen anhand von physikalischen oder chemischen Schmelz- oder Härtungsverfahren den dreidimensionalen Gegenstand (Feldmann und Pumpe 2016).

Typische Einsatzgebiete sind die Produktion kleiner Stückzahlen zu vergleichsweise geringen Preisen oder kundenspezifisch angepasste Produkte wie z.B. Prothesen oder Hörgeräte. Neben verkürzten Produktentwicklungszeiten lässt sich durch den Einsatz eines 3D-Druckers die aufwendige Konstruktion einer Gießform oder das Durchlaufen sehr vieler manueller Arbeitsschritte vermeiden (Staiger et al. 2015).

3D-Druck: Beispiele für betroffene Berufe und Anwendungsbeispiele
3D-Druck: Beispiele für betroffene Berufe und Anwendungsbeispiele

Anwendungsgebiete und betroffene Berufe

Die Einsatzgebiete des 3D-Drucks erweitern sich ständig. Der Transport von Waren über lange Strecken kann durch die additive Fertigung reduziert und viele Bau- und Ersatzteile können dezentral hergestellt werden. Dies hat große Auswirkungen auf zukünftige Lieferketten und ordnet die Aufgabenverteilung der Hersteller und Lieferanten neu (Bitkom 2017). Für zahlreiche weitere Berufe wie z.B. Beton- und StahlbauerIn, ElektronikerIn oder Wärme-, Kälte- und SchallschutzisoliererIn kann das Thema 3D-Druck zukünftig ebenfalls interessant werden. Da 3D-Drucker in Industriequalität noch sehr teuer sind, werden 3D-Druckaufgaben häufig als Dienstleistung vergeben und ermöglichen eine Reihe neuer Geschäftsmodelle, die nicht auf einzelne Handwerksbranchen beschränkt bleiben (M&T Metallhandwerk 2017).

Durchdringungsgrad und Perspektiven

Branchenübergreifend rechnet die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young GmbH bis 2020 mit einer jährlichen Wachstumsrate des Marktvolumens von 3D-Druckern in Höhe von 25 %. In 2016 wurde alleine in Deutschland ein Umsatz von einer Milliarde Euro mit 3D-Produkten generiert (Ernst & Young GmbH 2016). Jedoch nutzen lediglich 9 % der Handwerksunternehmen aktuell 3D-Technologien wie etwa 3D-Drucker oder 3D-Scanner. 12 % planen/diskutieren derzeit den Einsatz. Für ein Zukunftsszenario 2030 sehen 49 % der befragten Handwerksbetriebe den 3D-Drucker als festen Bestandteil im Handwerk an und 34 % sehen, dass 3D-Drucker Kundenaufträge selbstständig ausführen werden (Bitkom 2017). In der Medizintechnik hingegen ist der 3D-Druck bereits sehr gebräuchlich. Nahezu alle Hörgeräte-Hersteller und auch viele Zahnlabore nutzen diese Technik bereits (HNO News 2016). Laut dem Marktforschungsunternehmen Gartner Inc. werden bis 2020 ca. 30 % der medizinischen Implantate aus dem 3D-Drucker stammen und zunehmend direkt vor Ort hergestellt (3D Grenzenlos 2017).

Hemmnisse und Hürden

Einem verbreiteten Einsatz additiver Verfahren stehen bislang vor allem hohe Einführungskosten und Betriebskosten gegenüber (Feldmann und Pumpe 2016). Weitere Hemmnisse werden in der Produktqualität und in den noch geringen Produktionsquantitäten gesehen. Fehlendes Know-how für das Generieren von 3D-Daten (Konstruieren, Scannen) und die Druck-Technik hemmen Unternehmen ebenso. Des Weiteren bestehen Berührungsängste, Vorurteile und mangelnde 3D-Erfahrungen. Best-Practice Beispiele wären hilfreich, um Betrieben und Kunden Möglichkeiten und Anwendungsbeispiele aufzuzeigen. Weitere Unsicherheiten bzgl. des 3D-Drucks liegen momentan in der rechtlichen Auslegung des Urheberrechts, der gewerblichen Schutzrechte sowie haftungsrechtlicher Aspekte (Handelskammer Hamburg 2017, Ernst & Young GmbH 2016).

3D-Druck: Arbeitsschritte und Kompetenzen
3D-Druck: Arbeitsschritte und Kompetenzen

Wettbewerbsfähigkeit und Qualifizierungsbedarfe

Die rasante Entwicklung und Verbreitung des 3D-Drucks im Handwerk verändert die bisherigen Prozesse der Produktentwicklung und -fertigung grundlegend. Neben der möglichen Kostenersparnis bietet der 3D-Druck auch im Bereich der erhöhten Individualisierbarkeit des Produktspektrums viele Vorteile. Wie hoch die Bedeutung der Technologie 3D-Druck für die künftige Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ist und in welchem Umfang bestimmte Gewerke betroffen sind, ist in Tabelle 1 für 16 unterschiedliche Berufe dargestellt. Die Darstellung macht deutlich, dass eine besonders hohe Bedeutung für die Berufe HörakustikerIn sowie ZahntechnikerIn festzustellen ist. Auch für die Berufe FeinwerkmechanikerIn, OrthopädieschuhmacherIn und Technische/r ModellbauerIn zeichnet sich eine hohe Bedeutung der Technologie für den Erhalt der künftigen Wettbewerbsfähigkeit ab.

Qualifizierungsangebot_3D-Druck_ HPI
Die Tabelle zeigt das Qualifizierungsangebot in der handwerklichen Gesellenausbildung im Bereich 3D-Druck nach einzelnen Gewerken. - © HPI, Hannover

Status: An den Handwerkskammern haben im Jahr 2017 zum Thema 3D-Druck zum größten Teil (67 %) allgemeine Informationsveranstaltungen stattgefunden. Allerdings gewinnt das Thema 3D-Druck auch im Bereich der Qualifizierungsveranstaltungen an Bedeutung (16 %). Zielgruppengenaue, d.h. gewerkspezifische Angebote sind bisher noch kaum vorhanden. Bisher gibt es z.B. die "Fachkraft für Additive Fertigungsverfahren Metall DVS 3602" und die "Fachkraft für Additive Fertigungsverfahren Kunststoff DVS 3601" sowie "CAD für TischlerInnen mit draftsight und 3D-Druck". Weitere gewerkespezifische Fortbildungen sind allerdings derzeit in der Bearbeitung.

Qualifizierungsbedarfe: Um Qualifizierungsbedarfe in der Gesellinnen- und Gesellenen-ausbildung der jeweiligen Berufe ableiten zu können, wurden die Ausbildungsordnungen, Rahmenlehrpläne, sowie Unterweisungspläne der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung hinsichtlich der folgenden Kompetenzen untersucht: Erstellung von CAD-Dateien, Materialauswahl, Bedienung des 3D-Druckers und Datenverarbeitung.

Qualifizierungsangebot: Um das Qualifizierungsangebot zu ermitteln, wurde eine formale Analyse der Lehrinhalte durchgeführt und in drei Stufen differenziert:

  1. Die Technologie wird explizit in den Lehrplänen genannt und ist Bestandteil der Ausbildung/Fort- und Weiterbildung,
  2. Das technologische Umfeld, in dem diese Technologie angesiedelt ist, ist Bestandteil der Ausbildung,
  3. Die Technologie bzw. das technologische Umfeld, in dem diese Technologie angesiedelt ist, ist kein Bestandteil der Ausbildung.

Die Analyse der Lehrpläne und Ausbildungsordnungen machte deutlich, dass das Thema 3D-Druck in der Gesellinnen- und Gesellenausbildung bisher nur in den Berufen ZahntechnikerIn sowie Technische/r ModellbauerIn explizit in den Lehrplänen genannt wird. Für die Berufe FeinwerkmechanikerIn sowie OrthopädieschuhmacherIn wird das technologische Umfeld in allen vier zuvor definierten Kompetenzbereichen erwähnt. Auffällig ist, dass für den Beruf HörakustikerIn trotz hoher Bedeutung der Technologie nur die Materialauswahl im technologischen Umfeld im Lehrplan genannt wird. Weiterhin wurde festgestellt, dass die Materialauswahl Bestandteil in allen Lehrplänen der untersuchten Berufe ist. Die Themenbereiche „Erstellen von CAD-Daten“ und „Datenverarbeitung“ werden hingegen nur selten in den Lehrplänen berücksichtigt.

3D-Druck: Ergebnisse der Delta-Analyse zwischen Betroffenheit und Qualifizierungsangebot in der Gesellenausbildung
3D-Druck: Ergebnisse der Delta-Analyse zwischen Betroffenheit und Qualifizierungsangebot in der Gesellenausbildung

Um einen Qualifizierungsbedarf, basierend auf der Bedeutung der Technologie für die künftige Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens (= Betroffenheit) und dem bereits bestehenden Qualifizierungsangebot, ermitteln und quantifizieren zu können, wurde eine Delta-Analyse zwischen Betroffenheit und Qualifizierungsangebot in der Gesellenausbildung durchgeführt. Diese Delta-Analyse legt die Notwendigkeit und damit den Bedarf einer zusätzlichen Qualifizierung in den jeweiligen Technologien und Berufen offen. Die Ergebnisse reichen dabei von „Kein Delta“ (= kein zusätzlicher Bedarf) bis „Sehr hohes Delta“ (= sehr hoher Bedarf).

Die Analyse verdeutlicht, dass für den größten Teil der betrachteten Berufe ein Bedarf an zusätzlichen Qualifizierungsangeboten besteht. Lediglich für die Berufe Technische/r ModellbauerIn und ZahntechnikerIn bieten die bestehenden Qualifikationsangebote eine umfassende Abdeckung der untersuchten Kompetenzen. In den Berufen FeinwerkmechanikerIn und OrthopädieschumacherIn ließ sich ebenfalls eine ausreichende Abdeckung ermitteln. Der höchste Qualifizierungsbedarf wurde für den Beruf HörakustikerIn ermittelt. Hier wäre bei einer Überarbeitung der Lehr- und Unterweisungspläne zu prüfen, ob das technologische Umfeld oder sogar eine explizierte Betrachtung der Technologie 3D-Druck in die Qualifikation aufgenommen werden kann.

Fazit

Derzeit befindet sich die 3D-Technologie im Handwerk in einer Sensibilisierungs- und Informationsphase. Viele Informationsveranstaltungen werden an den Handwerkskammern angeboten, um einen allgemeinen Überblick zu der Technologie zu geben und bestehende Hemmnisse bei den Betrieben abzubauen. Sehr gebräuchlich ist die Technologie des 3D-Drucks bereits in den Berufen HörakustikerIn sowie ZahntechnikerIn. Ebenso findet die Technologie bei den Berufen FeinwerkmechanikerIn, den Technische/r ModellbauerIn sowie OrthopädieschuhmacherIn zunehmend Anwendung. Dies hat einen Anstieg der Qualifikationsbedarfe zur Folge. Speziell in diesen Berufen ist zu prüfen, in welcher Tiefe und welchem Umfang die Thematik des 3D-Druckes in der Ausbildung zukünftig zu behandeln ist.

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Zukunftstechnologie: Ermittlung des Qualifikationsbedarfs im Handwerk
Relevante Zukunftstechnologie: Ermittlung des Qualifikationsbedarfs im Handwerk

Methodik

Die kontinuierliche Technologiebeobachtung des Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik an der Leibniz Universität Hannover ( HPI) (https://hpi-hannover.de ) hat die Aufgabe, die für die handwerkliche Leistungserbringung relevanten (technologischen) Innovationen frühzeitig zu erkennen. Mittels Qualifikationsmonitoring ist zu prüfen, ob die bestehenden technischen Qualifizierungen im Handwerk die aus dem Umgang mit Innovationen entstehenden Anforderungen abdecken. Hierfür beobachtet die Zentrale Leitstelle für Technologietransfer im Handwerk (ZLS) aus betrieblicher Sicht, welche technologischen Neuerungen und Innovationen relevant für den Erhalt künftiger Wettbewerbsfähigkeit sind. Das HPI analysiert aus berufs-qualifikatorischer Sicht, welche Qualifikationsanforderungen sich aus technologischen Neuerungen ergeben.

Die ZLS stützt sich für die technologische Bewertung aus betrieblicher Sicht auf das Netzwerk der Beauftragten für Innovation und Technologie (BIT) und bezieht damit die betriebliche Perspektive mit ein. Neben der formalen Analyse von Qualifikationsbedarfen und vorhandenen Bildungsangeboten basiert das Qualifikationsmonitoring des HPI insbesondere auf Informationen aus der Fachverbandsebene, wissenschaftlichen Netzwerken und der gewerblich-technischen Berufsbildung.

Literatur