Elektroflotten Wie laufen E-Auto und E-Transporter im Alltag?

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Elektromobilität und Fuhrpark

Die Deutschen wollen keine E-Autos. Die Reichweite? Genügt nicht. Die Ladesituation? Katastrophal. Die Kosten? Enorm. Fazit: Im Alltag funktioniert das nicht. Aber stimmt das? handwerk magazin besuchte zwei Betriebe mit E-Flotten. Ein Praxisbericht.

Für Thomas und Anne Effenberger haben die Kritiker von E-Fahrzeugen schlechte Argumente. - © Gunnar Geller

Darf ich mit dem E-Fahrzeug überall Parken?

Zu Beginn unseres Alltagstest erstmal ein aktuelles Gerichtsurteil, das Licht ins Dunkel zum Thema 'Parken mit dem Elektroflitzer' bringt: Mit Elektroautos haben Sie in Sachen Parken überall Vorrechte? Das stimmt so nicht. Wie ein aktuelles Urteil zeigt, sind Elektrofahrzeuge lediglich beim Ladevorgang gegenüber konventionellen Automobilen im Vorteil.

Der Fall: Ein Autofahrer wollte sein E-Auto an einer Ladestation aufladen, an der per Halteverbotsschild ausschließlich elektrischen Autos das Parken während des Ladevorgangs gestattet war. Da einer der beiden vorhandenen Plätze bereits belegt war und sein Kabel am anderen Zugang nicht passte, ließ er sein Fahrzeug kurzerhand stehen, um später an die zurzeit belegte Station zurückzukehren.

Er staunte nicht schlecht, als sein Auto einige Stunden später nicht mehr da war. Es wurde abgeschleppt. Gegen die Zahlung der Abschleppkosten klagte er vor Gericht.

Ausnahmeregelung für E-Fahrzeuge missbraucht

Das Urteil: Das Amtsgericht Charlottenburg verdonnerte den Elektroauto-Fahrer zum Tragen der Abschleppkosten in der Höhe von 150 Euro (Az.: 227 C 76/16). Zu Recht, wie Experten der ARAG Versicherung bestätigen: Der Mann hatte die Ausnahmeregelung für E-Fahrzeuge missbraucht, da das Parken ausdrücklich nur während des zeitintensiven Aufladens erlaubt war.

Problem: Mangel an elektrischen Nutzfahrzeugen

Auf Facebook gibt es die „E-Transporter Selbsthilfegruppe“ . Gründer und Bäckermeister Roland Schüren aus Hilden sucht dort seit Anfang Janaur 2017 Gleichgesinnte: Handwerker, die auf der Suche nach elektrischen Transportern in der Sprinterklasse sind. „Es gibt einfach keine preiswerten Modelle“, beklagt er und sammelt daher Bestellwünsche. Innerhalb der ersten zehn Tage erreichten ihn bereits 35 Anfragen für über 85 E-Transporter. Bei 100 Bestellungen schreibt der Bäcker einen Großauftrag für einen Hersteller aus.

Der Mangel an elektrischen Nutzfahrzeugen ist eine der Hürden für die Elektromobilität im Handwerk. Dennoch stellen sich Bäckermeister Thomas Effenberger und Passivhausbauer Thomas Wittmann der Herausforderung „Elektromobilität im Berufsalltag“ und integrierten dafür bereits E-Fahrzeuge in ihre Fuhrparks. handwerk magazin besuchte die Unternehmer in Hamburg und Augsburg und zeigt, mit welchen Schwierigkeiten sie kämpfen und welche Probleme gar keine sind.

Welche E-Fahrzeuge benutzen die Handwerker?

Thomas Effenberger, Inhaber der Effenberger Vollkornbäckerei in Hamburg, besitzt in seinem Fuhrpark Marktverkaufsfahrzeuge und Sprinter zur Aus­lieferung der Backware. Die Lieferwagen ersetzte er bereits 2012 durch umgebaute elektrische Fiat Ducato. Da die Produktion nicht serienmäßig ablief, verbrachten die Transporter viel Zeit in der Werkstatt. „Wir waren etwas zu früh dran“, kommentiert Effenberger die damalige Entscheidung. „Aber wir geben nicht auf, bis jede Fahrt eine Elektrofahrt ist.“

Aktuell besteht seine Flotte aus einer Tesla-Model-S-Limousine, zwei Kleintransportern Nissan E-NV 200 für kleinere Auslieferungstouren und zwei der umgebauten Fiat Ducato. Davon ist ein Fiat Ducato in der Werkstatt. Einen weiteren bestellte Effenberger bei der Hamburger Umbauwerkstatt Emovum GmbH. „Wir hoffen, dass es diesmal besser klappt“, ergänzt er. Auch privat fahren er und seine Frau Anne Effenberger elektrisch und erwarben dafür einen Tesla Roadster.

Seit 2011 fährt auch das Familienunternehmen Augsburger Holzhaus GmbH elektrisch. „Zumindest zu Terminen“, fügt Thomas Wittmann grinsend hinzu. Zusammen mit seinen drei Brüdern führt er den Betrieb, der sich auf Holz- und Passivhausbauten spezialisierte.

Das erste E-Auto in ihrem Fuhrpark: ein Mitsubishi i-MiEV, heute Mitsubishi Electric Vehicle genannt. Hinzu kamen zwei weitere gleiche Mitsubishi-Modelle und eine elektrische Mercedes B-Klasse. Anders als Effenberger verzichtet das Unternehmen auf Experimente mit umgebauten Transportern. Durch E-Fahrzeuge ersetzt wird nur, was funktioniert.

Kleine Reichweite, kleines Problem

„Anders als mit den Ducatos läuft mit den Nissans alles glatt“, bekräftigt Bäcker Effenberger und lädt zu einer Auslieferungsfahrt in einem Nissan ein. Als der Fahrer den Wagen anlässt, sagt er: „Die Zeit läuft.“ Und deutet auf die Kilometeranzeige. Es leuchtet die Zahl 110 auf. „Aber keine unserer Auslieferungen ist so lang. Wir machen im Schnitt circa 30 Kilometer“, ergänzt er lachend.

Effenbergs Lieferfahrer drückt auf den Heizungsknopf und fügt hinzu: „Wenn ich die Heizung ausmache, gewinnen wir direkt 20 Kilometer. Wenn also alle Stricke reißen, einfach mal das Luxusprogramm ausschalten.“ Von Luxus kann man in dem kleinen Kastenwagen allerdings nicht sprechen. Braucht es auch nicht für die kleine Liefertour. Die Heizung beheizt den Wagen sofort. Zwar bemängelt der Fahrer, dass die Heizung nicht kräftig und warm genug bläst, aber davon merkt man nichts.

Passivhausbauer Wittmann lobt die Heizung seiner E-Fahrzeuge wiederum. Er vergleicht sie mit einem Haartrockner. „Die Heizung geht sofort an und bläst warme Luft. Kein Warten, bis der Motor warm wird“, schwärmt er.

Wie finden Sie eine Ladestation fürs E-Fahrzeug?

Effenbergers Lieferfahrer würde privat auch lieber elektrisch fahren. Doch die Ladesituation sei noch etwas unsicher. „Da muss man zu viel organisieren. Bei vorausplanbaren Routen macht das aber nichts. Ein E-Wagen ist quasi das perfekte Handwerksfahrzeug.“ Zumindest für Betriebe, die mit kleinen Autos arbeiten und sich in Innenstädten bewegen.

Die passenden Ladestationen finden? Das ist einfach, zeigt Anne Effenberger. Sie öffnet eine App auf ihrem Laptop. Schnell ploppen diverse Ladestationen auf. Mit einem Klick sind Zusatzinformationen wie Steckerarten erkennbar. Die Software erhalten E-Fahrer gratis im Internet. Allerdings zeigt die App nicht an, ob andere Fahrzeuge die Tankstellen besetzen. „Oft blockieren andere Autos die Parkplätze für die Ladestationen“, bemängelt Effenberger. „Auch die Bezahlung ist ein Graus“, ärgert er sich, während er drei verschiedene Tankkarten und einen Chip hervorholt.

Ein Wirrwarr, um das auch Geschäftsführer Wittmann weiß. Wie Effenberger umgeht er dies mit einer privaten Ladestation, die mit Öko-Strom aus dem Netz oder über die eigenen Fotovoltaikanlagen betrieben wird. Wie eine kostenlose Tankstelle auf dem Dach. Der Ladevorgang ist simpel: „Tankdeckel“ öffnen, Ladekabel von Ladestation holen und einstecken. Und genauso wie sich Smart­- phone­besitzer schnell daran gewöhnten, ihr Handy täglich zu laden, wird dieser Vorgang zum Automatismus. „Wir laden immer, wenn wir irgendwo ankommen und es die Gelegenheit gibt“, bestätigt Wittmann. Laden vergessen? Noch nie.

Günstige Pflege macht höhere Anschaffungskosten wett

„Die Inspektion ist jedes Mal kurz“, führt er fort. Eine Gelegenheit zum Kaffeetrinken. Es gebe nicht viel zu tun, außer Wischwasser nachzufüllen.

Ein Trost für die vergleichsweise teure Anschaffung von E-Autos. Aktuell kostet ein neuer Nissan E-NV 200 etwa 30.000 Euro (inkl. MwSt.). Die Diesel-Variante etwas mehr als 20.000 Euro (inkl. MwSt.). Ein Unterschied, der sich durch die Steuerbefreiung, den Umweltbonus und die geringen Kosten im Verbrauch ausgleicht.

Ähnliche Erfahrungen machte auch der Bäckerei-Betrieb von Effenberger mit seinen Modellen von Nissan und Tesla. „Da müssen höchstens die Bremsen mal erneuert werden“, erklärt der Bäckermeister. Die umgebauten E-Transporter blieben jedoch häufig liegen. „Nicht wegen der leeren Batterie. Beim Umbau wurden die Teile nicht richtig verbaut. Höchstwahrscheinlich liegt es an einer fehlerhaften Verkabelung“, fügt Effenberger hinzu. Zu den Werkstattkosten kam der höhere Leasingpreis von 700 Euro pro Monat. Für einen vergleichbaren Verbrenner lag die Rate bei 150 Euro.

Fehlendes Angebot an E-Transportern

Die größte Hürde für einen vollelektrischen Fuhrpark sind also nicht die Reichweite, die Ladesituation oder die Preise für Kleinfahrzeuge. Wohl eher das fehlende Angebot an E-Transportern und der überhöhte Preis für die Sprinter. „Wenn elektrische Transporter zu vernünftigen Preisen auf den Markt kommen, denken wir bestimmt als Erste über einen Kauf nach“, ergänzt Wittmann.

Effenberger bleibt risikofreudiger. „Wir sind nicht kleinzukriegen, wir wollen einen vollelektrischen Fuhrpark“, sagt er überzeugt und schließt sich der „E-Transporter Selbsthilfegruppe“ von Roland Schüren auf Facebook an.