Trend für vermeintlichen Müll Upcycling im Handwerk: Darum lohnt es sich – und so funktioniert's in der Praxis

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Gewerbeabfall: Wohin mit dem Müll?, Nachhaltigkeit und Upcycling

Beim Upycling entstehen aus Paletten, altem Holz, kaputtem Schmuck oder anderem vermeindlichen Müll neue hochwertige Gegenstände. Wie diese neue Trend-Idee im Handwerk funktioniert und wem das etwas nützt, erfahren Sie hier.

Karosseriebauer Fabian Flachmeyer baut neben Palettenmöbeln auch Mobiliar aus alten Karosserieteilen und Kühlschränke aus Kanistern. - © Jens Nieth

Was ist Upcycling? Wie funktioniert das? Warum überhaupt Upcycling betreiben? handwerk magazin berichtet über vier Handwerker, die Upcycling in ihr Geschäft integriert haben und erklärt, was es mit dem Trend auf sich hat.

Upcycling liegt im Trend

Die Upcycyling-Idee erlangt in Deutschland einen immer größeren Bekanntheitsgrad: Nach einer Forsa-Studie aus dem Jahr 2014 kannten damals nur knapp zwölf Prozent der Befragten den Begriff Upcycling. Eine Marktuntersuchung von YouGov ergab, dass zwei Jahre später viermal so viele Befragte (48 Prozent) von dem Konzept wussten. Eine aktuelle Online-Umfrage von handwerk magazin unter Handwerkern zeigt: Acht von zehn Personen sind mit dem Begriff vertraut. Mehr als die Hälfte der Befragten kennt sogar Betriebe, die Upcycling betreiben.

Definition: Was ist Upcycling?

Wer ‚ Upcycling‘ in Google eingibt, erhält mehr als 35 Millionen Suchergebnisse. Darunter Bilder zu Möbeln aus Holz-Paletten, Blumenvasen aus Gummistiefeln und Lampen aus Marmeladengläsern. Aus alten, kaputten, gebrauchten oder vermeintlich wertlosen Gegenständen neue hochwertige Produkte fertigen – das kennzeichnet Upcycling.

Professor Markus Beckmann, Inhaber des Lehrstuhls für Nachhaltigkeitsmanagement an der Friedrich-Alexander Universität in Erlangen-Nürnberg, sagt: „ Upcycling gehört zum Recycling. Wie bei Letzterem finden bereits benutzte Materialien für die Produktion neuer Güter Verwendung.“ Der Unterschied? Beim Upcycling bleibt die Ursprungsform der Gegenstände meist erkennbar.

Anders als beim Recycling handelt es sich beim Upcycling nicht um ein standardisiertes Verfahren. Jedes einzelne Produkt ist ein Unikat. Das Fertigungsprinzip stellt sogar das Gegenteil zur industriellen Massenfertigung dar“, erklärt Professor Beckmann.

Recycling, Upcycling oder Downcycling

  • Downcycling (Abwertung): Kategorisiert die Qualität des neu entstandenen Gegenstands.
    Beispiel: Faserprodukte wie Papier verlieren durch den Recycling-Prozess an Qualität.
  • Reines Recycling: Wenn Materialien wiederverwendet werden und der Rohstoffwert sich nicht vermindert.
    Beispiel: Gold, Silber
  • Upcycling: Der Materialwert bleibt im Prinzip gleich, doch der Nutzer interpretiert den Wert neu. Der allgemeine Wert erhöht sich.
    Beispiel: Kleidung aus alten Jeans

Kurz und Knapp:

Upcycling ist eine Form des Recycling. Aus gebrauchten Gegenständen oder Abfällen wie Holz-Paletten, kaputten Schmuck, alten Marmeladengläsern, zerrissener Kleidung werden neue Dinge geschaffen. Das Endprodukt erhält durch die neue Verwendung aber einen höheren Wert.

Vier Handwerker zeigen, wie Upcycling in Ihrem Gewerk aussehen kann

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    Upcycling: Fabian Flachmeyer
    © Jens Nieth
    Fabian Flachmeyer gründete seinen Betrieb "Fabian Artwork Design" 2016.
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    Upcycling: Fabian Flachmeyer, Schrank aus Paletten
    © Jens Nieth
    Fabien Flachmeyer stellt Upcycling-Produkte her wie Möbel aus Europaletten, alten Karosserieteilen, Altholz und Kanistern.
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    Upcycling: Fabian Flachmeyer, Kühlschrank aus Kanister, Tränke aus Holz
    © Jens Nieth
    Über seine Upcycling-Motivation sagt er: „Deutschland ist ja eine Wegwerfgesellschaft. Viele brauchbare Dinge landen zu schnell auf dem Müll....
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    Fabian Flachmeyer, Upcycling, Palettensofa
    © Jens Nieth
    Wie alte Autos zum Beispiel. Diese Gegenstände sind viel zu schade für den Müll. Und ich liebe es, aus alten Teilen etwas Neues, Einzigartiges zu machen.“
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    Upcycling: Hotte Hoss
    © Christian Mader
    Hotte Hoss betreibt seine Reparaturwerkstatt "Radtheke" in Stuttgart seit 2013. Sein Upcycling-Produkt? Fahrräder aus alten Teilen.
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    Upcycling: Hotte Hoss, Werkstatt
    © Christian Mader
    Der Feinmechaniker in seinem Lager. Über seine Motivation sagt er: „Alte Fahrräder werden oft als Müll angesehen, wenn sie nicht mehr fahren. Dabei können die Einzelteile noch so viel leisten, wenn man sie neu verbaut. Mit dem Upcycling will ich zeigen, dass kaputt nicht gleich wertlos ist.“
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    Upcycling: Britta Schwalm Goldschmiedin
    © Tim Wegner
    Britta Schwalm gründete ihre Goldschmiede bereits 2003. Zum Upcycling motivierte sie: "Upcycling ist ein emotionales Umgehen mit dem nicht tragbaren Schmuck. Es ist für mich mehr als nur eine Reparatur. Mehr als nur ein Wiederaufbereiten...
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    Upcycling: Britta Schwalm
    © Tim Wegner
    Ich schaffe ein neues Unikat, das seinen emotionalen Wert für den Besitzer nicht verliert, sondern steigert. Und eine neue Wertschätzung für das Handwerk mit sich bringt."
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    Upcycling: Britta Schwalm, Goldschmiedin
    © Tim Wegner
    Britta Schwalm fertigt Gold und Silberschmuck aus Bruchgold und Altschmuck. Bei ihrer letzten Upcycling-Arbeit brach sie aus Altschmuck Edelsteine heraus und streute diese in eine organische Form.
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    Upcycling: Timothy C. Vincent, Steinmetz
    © Jens Nieth
    Timothy C. Vincent gründete seine Steinbildhauerei im Jahr 2003.
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    Upcycling: Timothy C. Vincent, Steinmetz
    © Jens Nieth
    Für Timothy C. Vincent sind abgeräumte Grabsteine kein Müll, sondern wertvolle Rohstoffe.
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    Upcycling: Timothy C. Vincent, Steinbildhauer
    © Jens Nieth
    Der Steinbildhauer produziert Grabmäler und Skulpturen aus abgeräumtem Stein, alten Steinobjekten und Altholz.
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    Upcycling: Timothy C. Vincent, Steinbildhauer
    © Jens Nieth
    Über Upcycling sagt er: „Beim Upcycling und Recycling ist mir die Förderung von Gemeinschaften wichtig. Mit meinen Arbeiten möchte ich andere Grabmalschaffende und Natursteinverarbeiter zum Re- und Upcycling ermutigen und zeigen, dass es nicht nur die Spinnerei eines Einzelnen ist. Deswegen rief ich die Internetseite „recycling-grabstein.de“ ins Leben. Auf der Seite können Bildhauer Re- und Upcycling-Grabsteine zur Schau stellen.“

Upcycling-Ideen

Als kleine Inspirations-Hilfe für interessierte Handwerker stellt handwerk magazin weitere Upcycling-erprobte Branchen vor:

Gewerk Upcycyling-Materialien Upcycling-Beispiele
Schneider Stoffreste, Altstoffe (wie kaputte Jeans, T-Shirts, Röcke, Jacken, Autogurte), Verpackungsmaterialien (Terta-Pack, Dosen, PET-Flaschen) Handtaschen aus Ledergürteln, Röcke aus alten Jeans, Jutebeutel aus Stoffresten
Modist Stoffreste, Altstoffe (wie kaputte Jeans, T-Shirts, Röcke, Jacken), Verpackungsmaterialien (Terta-Pack, Dosen, PET-Flaschen) Hüte aus T-Shirts und alten Jeans
Raumausstatter Stoffreste, Altstoffe (wie kaputte Bettlaken, Steppdecken, Jeans), Verpackungsmaterialien (Terta-Pack, Dosen, PET-Flaschen) Sofabezug aus Lederresten
Lampenschirmhersteller Stoffreste, Altstoffe (wie kaputte Bettlaken, Steppdecken, Jeans), Verpackungsmaterialien (Terta-Pack, Dosen, PET-Flaschen), Gegenstände aus dem Alltag (Marmeladengläser, Töpfe, Eimer, Kisten) Lampenschirme aus Regenschirmen, alten Glasflaschen
Fliesen-, Platten- und Mosaikleger Altglas, Bruchglas, Altfliesen, Altsteine Wand-Mosaik aus altem bunten Fenster-Glas
Holzspielzeugmacher Alt-, Schnitt- und Sperrhölzer Holzpferde aus Altholz, Schachfiguren, Kauspielzeug für Kinder, Greifringe
https://www.youtube.com/watch?v=UYrGEZNGM4U

Upcycling ist keine neue Erfindung

Upcycling, das ist doch nicht außergewöhnlich oder neu, denken viele. In der Vergangenheit gehörte das Wiederverwenden von gebrauchten Gegenständen zum Alltag. „Heute suchen die Menschen sinnvolle Produkte in dem ganzen Überfluss, in dem sie leben. Beim Upcycling geht es also um einen bewussteren Konsumstil“, erläutert Professor Beckmann. „Früher verwendeten die Menschen Gegenstände mehrfach, denn sie besaßen weder Geld noch Ressourcen für Neues. Das war eine Notsituation. Jetzt steht die eigene Individualität im Vordergrund. Und mit ihr das Bewusstsein für Nachhaltigkeit.“

Auch im Handwerk ist das Wiederverwenden von Materialien nicht neu

Auch für viele Handwerker ist Upcycling keine neue Erfindung - höchstens ein neues Wort für eine alte Praktik. „Steinmetze verwendeten in der Vergangenheit regelmäßig sogenannte Altsteine, um neue Grabmäler herzustellen. Das änderte sich, als der Verkauf von Importsteinen günstiger als das Umarbeiten wurde“, berichtet Steinbildhauer und Diplom-Ingenieur für Werkstofftechnik Timothy C. Vincent aus Wetter bei Dortmund. „Alter Stein. Neuer Stein. Eigentlich gibt es da keinen Unterschied. Ein Stein ist ein Stein. Viele kaufen trotzdem lieber den Neuen“, gibt er zu bedenken.

Goldschmiedin Britta Schwalm aus Langen bei Frankfurt fertigt seit 2013 Upcycling-Schmuck. Auch sie sagt: „Dabei handelt es sich nicht um eine brandneue Methode. Das gehört zum traditionellen Goldschmiedehandwerk . Da heißt es aber Umarbeitung“. Der Trendbegriff verschaffte ihr neue Kunden. Darunter viele, die sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzen und sie zufriedener machen: „Jetzt kommen Leute, die zu mir passen. Menschen, die mein Handwerk und das, was sie am Ende in der Hand halten, zu schätzen wissen.“

Upcycling ist eine emotionale Angelegenheit für Handwerker und Kunden

Das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum wächst. Laut der Sustainability Image Score Studie aus dem Jahr 2016 des Forschungsinstituts Facit Research GmbH & Co. KG in München beschäftigen sich 28 Prozent der deutschen Konsumenten intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit. Für Trendforscher und Geschäftsführer der Zukunftsinstitut Workshop GmbH in Frankfurt, Andreas Steinle , geht diese Änderung im Konsumverhalten mit den Individualisierungsbestrebungen in der Gesellschaft einher: „Wer Upcycling-Produkte kauft oder herstellt, der kommuniziert über sich selbst, dass er Ressourcen intelligent nutzt und ethisch und ökologisch handelt.“

Dana Giesecke, Soziologin und Herausgeberin der Buchreihe Futurzwei Zukunftsalmanach der Futurzwei-Stiftung für Zukunftsfähigkeit in Berlin, ergänzt: „Wir werden immer häufiger damit konfrontiert, dass es weniger Ressourcen gibt, aber gleichzeitig mehr Müll in den Wertstofflagern landet.“ Für sie stellt Upcycling daher weniger einen Trend als eine langfristige Veränderung in der gesellschaftlichen Wahrnehmung dar. „Durch die Wiederverwendung und Aufwertung von vermeintlichem Abfall definieren wir den Begriff Müll neu und hinterfragen unser Konsumverhalten.“

Eine emotionale Bindung zu Gegenständen aufbauen

Goldschmiedin Britta Schwalm beklagt dennoch, dass zu viele Menschen zu billigem Modeschmuck aus Plastik greifen: „Dabei liegt Goldschmuck bei vielen häufig zu Hauseeinfach in irgendwelchen Kisten vergraben. Die Menschen verlieren es aus dem Gedächtnis. Da wird Geschichte vergessen.“ Darunter vielleicht der Ehering der Großmutter, die kaputte Kette der Mutter, eine alte Brosche der Tante. Deswegen legt die Handwerkerin ihren Kunden Upcycling ans Herz und rät ihnen dazu, ihr „Schmuck-Geraffel“ mitzubringen. „Dann schauen wir, was wir daraus machen, und schaffen etwas Neues. Etwas, das wieder eine richtige Bedeutung hat.“

Trendforscher Steinle vergleicht Upcycling-Handwerker daher mit Psychologen. „Zusammen arbeiten Kunden und Produzenten nicht nur die Materialien auf, sondern auch ein Stück Geschichte, das sie berührt.“ Dadurch erhöht sich der emotionale Wert des Produkts.

Unikate mit Qualität und Bedeutung herstellen

Feinwerkmechaniker Hotte Hoss aus Stuttgart betreibt in seiner „Radtheke“ ausschließlich Reparaturarbeiten und verkauft Up- und Recycling-Fahrräder. Sein Ziel: Bewusstsein für den Wert alter Gebrauchsgegenstände schaffen. „Insbesondere Fahrräder hatten früher für viele Menschen einen hohen sentimentalen Wert. Vielleicht handelte es sich um das alte Klapprad, auf dem man das Fahren lernte, oder das erste Rad, das man sich von seinem Ersparten leistete.“

Daher produziert Hoss nach Möglichkeit aus alten Radteilen neue, hochwertige Fahrräder. Damit die Leute wieder mit Freude fahren. Die Konkurrenz im Handel ist durch den Online-Markt und große Shoppingcenter enorm. „Aber mein kleiner Laden um die Ecke setzt sich durch. Wir arbeiteten schon an mehr als 4.800 Rädern“, sagt er. „Jedes unserer Re- und Upcycling-Räder ist ein Einzelstück. Wir können auf keinen Fall ein zweites identisches Fahrrad bauen.“

Die Kunden schätzen zudem die persönliche Beratung und die familiäre Atmosphäre. Wie Goldschmiedin Schwalm kritisiert auch er, dass viele Menschen alte Gegenstände zu oft durch neue Billigware ersetzen. „Sie kaufen neue Räder für unter 300 Euro. Ganz günstig aus Asien und ‚ready in the box‘. Dann wundern sie sich, dass die Einzelkomponenten nicht miteinander harmonieren und das Fahren keinen Spaß macht.“

Seinen Kunden den Wert seiner Arbeit zu verdeutlichen sei schwer. „Da geht immer ein wenig Konsumkritik mit einher. Das kann dem ein oder anderen dann doch zu persönlich werden“, fügt er hinzu. Denn viele könnten gar nicht mehr einschätzen, was gute Qualität kostet. Wer ein Billigrad kaufe, dürfte sich aber nicht wundern, wenn es dann schnell nicht mehr fahre.

Kunden für Nachhaltigkeit sensibilisieren

Für S teinbildhauer Vincent bedeutete die Einführung von Up- und Recycling nicht umgehend die Entwicklung eines neuen, großen Kundenstamms. „Anfangs war es schwer, mich mit meinem nachhaltigen Konzept in der Branche durchzusetzen“, erklärt er. Vielmehr lag es an ihm, seine Auftraggeber für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Vincent betreibt aktiv Werbung für Up- und Recycling und ermutigt seine Kunden dazu, abgeräumte Grabmäler oder alte Brunnen, Skulpturen oder Altholz zu nutzen.

„Ein Grabmal aus Fernost kann immer noch günstiger sein, aber der Kunde sollte sich fragen, wieso“, begründet der Steinbildhauer sein Engagement. Beim Weiterverkauf von Import ware würden Anbieter deutlich draufschlagen. Der restliche Betrag werde auf Zwischenhändler, Transporteure, Steinbruch und Bildhauer verteilt. „W ie viel Geld kommt bei den eigentlichen Produzenten an? , hinterfragt er diese Kette.

Noch nutzt nur etwa zehn Prozent seiner Kundschaft diese Option. „Die Zahl steigt jedoch. Ich mache auf das Thema aufmerksam und rege so zum Nachdenken an.“ Schon seit 2014 engagiert er sich auch in dem von ihm gegründeten gemeinnützigen Verein „Handwerk mit Verantwortung e.V.“, der Kunden bei der Suche nach nachhaltigen Produkten und fairen Betrieben unterstützt.

Upcycling ist aufwendig

Europoolpaletten, kurz Europaletten, Transportpaletten aus Holz, hergestellt für die Industrie. Für Fabian Flachmeyer aus Bünde nahe Bielefeld das Material, aus dem er einzigartiges, kreatives Mobiliar fertigt. „Ich suchte nach außergewöhnlichen Möbeln für meine Wohnung. Im Internet fand ich eine Anleitung für ein DIY-Palettenbett und baute das nach“, erzählt der Karosseriebauer (DIY: „Do-It-Yourself“, englisch für „Mach-Es-Selbst“). So entstand die Idee für das Unternehmen Fabian Artwork Design, mit dem er neben Palettenmöbeln auch Mobiliar aus alten Karosserieteilen und Kühlschränke aus Kanistern baut.

Auch Flachmeyer bemängelt die deutsche Wegwerfmentalität. „Gerade Autos landen schnell auf dem Schrottplatz, obwohl da noch viel Potenzial drin steckt“, erläutert er. Doch für den Autoenthusiasten steht gerade das kreative Arbeiten im Vordergrund: „Das große Geld macht man mit Upcycling nicht. Die Leidenschaft treibt mich an.“

Einen Kanal für seine Kreativität zu besitzen, das ist sein größter Antrieb. Denn der Aufwand ist hoch. Die Vorbereitung kostet ihn viel Zeit. Häufig surft er stundenlang im Internet und sucht nach Materialien, wie alten, kaputten Autos, die er zu Sitzbänken umwandelt. Er sucht aus, begutachtet, manchmal verhandelt er, oder der Handel platzt und die Arbeit beginnt wieder von vorn. „Ich empfinde diesen Aufwand nicht als Arbeit“, sagt er.

Genügend Vorstellungskraft gehört zu den Vorausetzungen für erfolgreiches Upcycling. Denn oft nimmt das Material Einfluss auf die neue Form. Gerade für S teinbildhauer Vincent ist das eine willkommene Herausforderung: „Aus einer alten Vogeltränke kann ich keinen quadratischen Grabstein formen. Man muss sich auf das Material einlassen.“ Er weist darauf hin, dass viele Handwerker sich bei der Herstellung ihrer Produkte an Vorschriften und Regeln – beispielsweise der Friedhofssatzung – halten müssen.

Der Anspruch an die eigene Arbeit ist groß. Auch bei der Qualitätssicherung der Materialien. Für Paletten-Möbel-Produzent Flachmeyer eine der wichtigsten Aufgaben. Anfangs nutzte er originale Europaletten. Doch zu starke Abnutzung und Verunreinigungen – manchmal mit giftigen Stoffen – behindern die Arbeit . „Das Endprodukt leidet“, sagt er und verarbeitet aus diesem Grund Abschnitthölzer zu Holzpaletten, um sie dann wieder zu Möbeln zu machen. Quasi doppeltes Upcycling.

Das ist ein Qualitätsanspruch, der ihm im Vergleich zu seinen größten Konkurrenten, den Selberbauern, die Arbeit verkompliziert. „Viele hören von meinen Preisen für ein Palettenbett und versuchen dann lieber, es selbst zu bauen“, gesteht er. „Deswegen ist es beim Upcycling wichtig, etwas zu machen, das nicht jeder mal eben nachbauen kann. Wie beispielsweise meine Möbel aus Autoteilen.“

Lohnenswert für Handwerker und Kunden

Bei manchen Stücken liegt Flachmeyers Stundenlohn bei weniger als einem Euro. Gewinn bringt dennoch jedes Produkt, auch wenn dieser manchmal kleiner ausfällt. Da er sein Unternehmen erst vor einem Jahr gründete, nimmt er dies in Kauf. „Um mir einen Namen zu machen und wirklich mehr für meine Arbeit verlangen zu können, muss ich erst mal in den sauren Apfel beißen“, sagt er.

Soziologin und Buchautorin Dana Giesecke weiß um den Mehraufwand der Upcycling-Handwerker. Doch viele Kunden wüssten die hohe Qualität zu schätzen und seien auch gewillt, mehr Geld zu investieren . „Der höhere Preis findet durchaus Akzeptanz. Denn die Handwerker besitzen ein enormes Fachwissen.“ Das bedeutet aber nicht, dass Upcycling zwingend teurer ist. „Wenn jemand einen Stein mitbringt oder wir abgeräumtes Material vom Friedhof nehmen, dann zahlen meine Auftraggeber nur die Lohnkosten“, erläutert S teinbildhauer Vincent. Das rentiere sich sowohl für den Kunden als auch für den Handwerker.

Auch bei Goldschmiedin Britta Schwalm zahlen Kunden nur die Arbeitszeit. Das mitgebrachte Gold wird nicht mehr berechnet. „Der Goldpreis ist immer hoch. Wenn Kunden ihr eigenes Gold mitbringen, dann sehen sie, welchen Wert das Material eigentlich besitzt und was der Handwerker leistet.“

Anders als die Goldschmiedin versucht Feinwerkmechaniker Hotte Hoss , ausschließlich Altteile zu verwerten. Er erhält vermeintlich wertlose Fahrräder oft umsonst. Von Kunden, die sich nicht um die korrekte Entsorgung ihrer Räder kümmern möchten. „Wir sammeln das ganze Jahr. Reparieren, recyceln oder upcyceln sie“, erläutert er. Für zu viele Menschen gelte ein Fahrrad als kaputt oder Abfall, wenn es nicht mehr fährt. Dabei verwendet der Fahrradbauer viele Teile wieder. Die Materialkosten fallen dadurch ebenfalls geringer aus als bei Neuteilen.

Professor Beckmann unterstreicht: „Sparen kann der Upcycling-Handwerker oft bei den Materialkosten. Doch die Preise lassen sich nicht pauschalisieren . Weder für ein bestimmtes Gewerk noch für ein Produkt.“ Dennoch stecke mehr Leistung im Upcycling als im gewöhnlichen Handwerk. Die Verarbeitungs- und Transaktionskosten seien größer. „Oft müssen Hersteller außerdem ihre Produkte zusätzlich vermarkten“, fügt er hinzu.

Trend mit großem Potenzial für das Handwerk

Die Ansätze, Techniken und Erfolge sind verschieden. Doch Upcycling lohnt sich auf vielen Ebenen.

Upcycling...

  • fördert das kreative Arbeiten.
  • unterstützt Nachhaltigkeitsbestrebungen.
  • erzeugt emotionale Verbindungen.
  • verbessert die Wertschätzung und das Image des Handwerks.
  • bringt Menschen dazu, den Umgang mit Müll zu überdenken.

Doch Professor Beckmann betont: „ Upcycling grenzt die Abfallproduktion sicherlich ein. Es ist aber keine strategische Lösung für das Problem, sondern macht darauf aufmerksam, wie Menschen mit Müll umgehen.“ Für ihn hebt Upcycling zudem hervor, wofür das traditionelle Handwerk steht.

Das traditionelle Handwerk...

  • ist kundenorientiert
  • ist sinnhaft
  • setzt sich mit Materialien auseinander
  • ist individuell gestaltet
  • trägt eine neue Botschaft in sich
  • verleiht Gegenständen eine eigene, emotionale Geschichte

Soziologin Dana Giesecke geht einen Schritt weiter. Für sie kämpfen Handwerker, die auf Upcycling setzen, gegen Industrieunternehmen, die wollen, dass die Gesellschaft möglichst viel konsumiert. Ohne Rücksicht auf Verluste. „Für mich sind Upcycling-Handwerker kleine Helden. Ihre Arbeit hat nicht nur Qualität, sondern auch Bedeutung.

Tipps zu Fashion- Upcycling:

Im folgenden E-Book der Autorin und Mode-Youtuberin Eliza Schwarz und dem Mode-Onlineshop Mona können Sie sich noch einige Inspirationen zum Thema "Fashion- Upcycling" holen. Denn auch gebrauchte Mode muss nicht einfach weggeworfen werden, sie kann in neuem Glanz erstrahlen: