Warenkreditversicherung Schutz vor Fremdinsolvenz

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Forderungsmanagement

Die Warenkreditversicherer haben jetzt das Handwerk entdeckt. Mit einer Warenkreditversicherung kann man das Unternehmer­risiko eindämmen, auf offenen Forderungen sitzenzubleiben. Geschützt sind nicht nur Warenlieferungen, sondern auch der Forderungsausfall aus Werk- und Dienstleistungen.

Die Pleite eines wichtigen Kunden kann Handwerksbetriebe durchaus die Existenz kosten. - © studiostoks/Fotolia

Neben den bestrittenen Forderungen gibt es ein neues Risiko für Handwerksbetriebe. Immer öfter fordern Insolvenzverwalter plötzlich alte Zahlungen zurück. Wie hart es hier zugeht, musste die Fritz Lutz KG aus Filderstadt erleben. Fast drei Jahre nach der Insolvenz eines ehemaligen guten Kunden werden die in der Vergangenheit erhaltenen Beträge einschließlich hoher Zinsen zurückgefordert. Insgesamt soll die Lutz KG fast 200.000 Euro zahlen. Der Vorwurf: Durch eine Ratenzahlungsvereinbarung sei dem Baustoffhändler bekannt gewesen, dass sein Kunde längst zahlungsunfähig war. „Das stimmt nicht“, ärgert sich Geschäftsführer Martin Bückle. Denn es wären ja regelmäßig Zahlungen eingegangen. „Ratenzahlungen sind bei uns in der Branche ja nicht unüblich“, so der Geschäftsführer weiter.

Doch die Lutz KG ist kein Einzelfall, wie der Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) bestätigt. 3.068 Insolvenzverfahren, die 2012 und 2013 abgeschlossen wurden, hat der VID jetzt geprüft. In zwölf Prozent der Verfahren, so das Ergebnis, wurde eine Insolvenzanfechtung erfolgreich durchgesetzt. Das ist jeder achte Fall. Durchschnittlich verlangten die Verwalter von einem Unternehmen 38.760 Euro zurück. „Gerade kleinere Unternehmen ächzen unter der zunehmenden Vorsatzanfechtung“, erklärt dazu Birgit Kurz vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Wer sich vor diesem Risiko schützen will, kann seine Warenkreditversicherung künftig um einen sogenannten „Anfechtungsbaustein“ erweitern. „Gefährdet sind vor allem Unternehmen mit vielen Stammkunden“, heißt es bei Euler Hermes. Gerade für diese Betriebe wäre eine Warenkreditversicherung inklusive „Anfechtungsbaustein“ interessant. Der Baustein leistet über das vereinbarte Jahreskreditlimit hinaus. Alle unbezahlten Forderungen sind durch die Warenkreditversicherung gedeckt. Der Zusatzbaustein soll nach Schätzung von Experten einen Zuschlag von etwa zehn Prozent ausmachen.

Konditionen und Bausteine von Kreditversicherungsverträgen können Handwerker vielfach individuell aushandeln. Der Hintergrund: Niedrige Insolvenzquoten senken die Prämien für Kreditversicherungen. „Fakt ist, dass wir in den vergangenen Jahren über alle Umsatzklassen hinweg einen permanenten Prämienrückgang verzeichnen“, sagt Klaus Flück, Spezialmakler für die Kreditversicherungen von der Gesellschaft für Kreditversicherungsservice (GfK) aus Köln.

So sank die Zahl der Unternehmenspleiten um vier Prozent auf 23.000. Fast alle Branchen meldeten 2015 weniger Insolvenzen. 2016 hält der positive Trend nach Ansicht des Kreditversicherers Coface an. Mit Schwankungen über das Jahr dürfte die Gesamtzahl 2016 um insgesamt 2,5 Prozent sinken – und damit die Gefahr, auf Außenständen sitzenzubleiben.

Doch ein Restrisiko bleibt: vor allem wegen der schlechten Zahlungsmoral im gewerblichen Bereich. Denn viele Kunden halten ihre vereinbarten Zahlungsziele nicht ein. „Bundesweit werden Rechnungen durchschnittlich fast zehn Tage zu spät beglichen“, sagt der Creditreform-Experte Ralf Karrasch. Das kann eine Kettenreaktion auslösen, wenn Betriebe nur wenig Liquidität vorhalten. Geht der Kunde vor seiner Zahlung in die Insolvenz, müssen oft hohe Beträge abgeschrieben werden. Daher bietet die Warenkreditversicherung Firmen Kalkulationssicherheit: Die Prämien sind überschaubar, die Verluste durch die Insolvenz eines guten Kunden aber nicht.

Außerdem gehen die Warenkreditversicherer jetzt verstärkt auf die Anforderungen von kleineren und mittleren Unternehmen ein. So hat Branchenprimus Euler Hermes mit seinem Schutz für „bestrittene Forderungen“ vor allem die Baubranche im Visier. Ein leidiges Thema für die Branche. „Bestrittene Forderungen stellen Bauunternehmen vor große Liquiditätsprobleme“, sagte Jonas Müller, Leiter Produktentwicklung Euler Hermes.

Bestrittene Forderungen

Bestrittene Forderungen bringen gerade Handwerksbetriebe in echte Liquiditätsengpässe. Denn ein Streit kann dauern. Mit einer Warenkreditversicherung, die auch den Schutz von bestrittenen Forderungen umfasst, erhält der Handwerker sein Geld umgehend vom Versicherer. Auch die Zurich-Versicherung hat ihr Herz für kleinere Unternehmen entdeckt. „Wir haben unsere klassische Warenkreditversicherung mit individueller Betreuung und individuellen Merkmalen für kleinere Unternehmen mit einem Umsatz ab einer Million Euro geöffnet“, sagt Zurich-Mitarbeiter Bernd Engelien. Gleichzeitig wurde die Mindestprämie auf 3.000 Euro gesenkt.
Beim Mainzer Anbieter Coface setzt man auf einfache Verwaltung der Police. Im CofaNet gibt es eine automatische Überwachung der Schutzsummen und eine Meldung von überfälligen Forderungen. Zudem hat Coface mit „CofaMove“ eine App entwickelt, die Firmen rund um die Uhr Daten übermittelt.

Was Sie über die Police wissen müssen

Der Risikoschutz gegen den Forderungsausfall ist komplex. Die wichtigsten Fakten, die Sie vor Vertragsabschluss beachten sollten.

Der Abschluss
Für den Abschluss muss der Kunde seine Branche und die üblichen Zahlungsbedingungen nennen sowie die Umsätze des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres genau beschreiben. Zudem müssen in der Regel für die letzten beiden Jahre Forderungsausfälle angegeben werden. Abweichungen von der Standardpolice, wie der Einschluss von Privatkundenforderungen, zusätzlicher Bonitätsservice, Senkung der Selbstbeteiligung und der Bagatellgrenze sowie eine Erhöhung der Maximalentschädigung pro Kunde haben wesentlichen Einfluss auf die Prämie. Wer die Prämie jährlich statt monatlich zahlt, erhält einen Nachlass.

Die Höchstentschädigung
Sie legt den maximalen Betrag fest, den ein Kreditversicherer in einem Versicherungsjahr entschädigt. Der Kunde sollte seine Höchstentschädigung so wählen, dass der maximale Außenstand seines größten Kunden abgedeckt ist. Beispiel: Kommt der größte Kunde saisonal auf einen Außenstand von 200.000 Euro und der Handwerker zahlt beispielsweise eine Jahresprämie von 4.000 Euro netto, dann benötigt er die 50-fache
Höchstentschädigung (50 x 4.000 = 200.000 Euro), damit seine Forderung im Insolvenzfall abgedeckt ist.

Die Versicherungszeit
Der Versicherer vergibt pro Jahr in einem Rahmenvertrag ein Limit, bis zu dem er alle ausgefallenen Forderungen aus Warenlieferungen, Werk- und Dienstleistungen bei einer Unternehmenspleite bezahlt. Meist trägt der Kunde eine Eigenbeteiligung in Höhe von zehn Prozent der Nettoforderung sowie oft eine Bagatellbeteiligung. Neue Kunden müssen dem Versicherer ebenso wie drohende Zahlungsausfälle gemeldet werden. Der Versicherer kann für einzelne oder sogar für alle Kunden das Limit senken oder sogar ganz aufheben. Für noch offenstehende Lieferungen kann man eine Nachlauffrist von 30 Tagen vereinbaren, die auch bei Aufkündigung des Schutzes noch versichert sind.

Der Schadenfall
Eine Warenkreditversicherung verlangt von ihren Kunden eine aktive Mitarbeit. Vor allem müssen Pflichten und Fristen eingehalten werden, wenn der Schutz gegen Forderungsausfall auch wirken soll. So muss der Kunde für eine überfällige Forderung zwischen 30 und 210 Tagen ein Inkassoverfahren einleiten (abhängig von Vertrag und Anbieter). Die Entschädigung abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung gibt es je nach Versicherung und Vertrag zwischen zwei und fünf Monaten nach Zugang des Inkassoantrages beim Kunden. Nach einer Insolvenz führt die Versicherung automatisch ein Regressverfahren durch und zahlt an den Versicherungsnehmer, falls noch Geld zu holen ist, anteilig die Selbstbeteiligung zurück.