Stammkunden: Mit Heimvorteil zu neuen Aufträgen

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Kundenbindung

Bestehende Kunden sind ein verlässlicher Umsatzbringer, doch ihre Loyalität ist nicht selbstverständlich. Wie Sie Ihre treuen Kunden mit individueller Ansprache jetzt aus dem Winterschlaf locken.

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    © Rainer Lebherz
    Über zehn Prozent Umsatzplus mit Kundenbrief-Aktion: Hörakustikmeisterin Nadja Kuhnle aus Reutlingen.
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    © Peter Svec
    „Stammkunden sind nicht so preisfixiert und verursachen weniger Aufwand.“ Anne M. Schüller, ­Bestseller-Autorin und Deutschlands führende Expertin für Kundenbindung und Empfehlungsmarketing.
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    © Chart: handwerk magazin
    Über 80 Prozent der Entscheider in deutschen Firmen glauben, dass Kundenbindung immer wichtiger wird.

Nadja Kuhnle überlässt nur ungern etwas dem Zufall. Schon gar nicht die wichtige Frage, wann ihre Kunden wieder einmal eines ihrer Geschäfte in der Altstadt von Reutlingen oder der Markthalle in Münsingen aufsuchen. Da ergreift die Augenoptiker- und Hörakustikmeisterin lieber die Initiative und sendet ihren Kunden Post. Wer zum ersten Mal bei „Aug’ & Ohr“ eine Brille oder ein Hörgerät kauft, erhält wenig später eine Karte mit den Zeilen „Dankeschön, dass Sie bei uns Kunde sind“. Danach bringt der Briefträger alle halbe Jahr ein neues Schreiben. Mal macht das Fachgeschäft auf neues Zubehör aufmerksam, mal lädt es zum Skibrillentest ein, mal findet sich im Kuvert ein Gutschein, den die Kunden für ein Feintuning des Hörgeräts oder für den Kauf einer neuen Brille einlösen können. „Jeder Brief bietet dem Kunden einen individuellen Mehrwert, den er exklusiv nur bei uns bekommt“, erklärt Kuhnle. „Mit der Zeit bleibt man mit dem Betrieb im Kopf der Leute als kompetenter Partner fürs Sehen und Hören hängen.“

Mehr Umsatz bei geringeren Kosten

Aug’ & Ohr betreibt damit klassische Kundenbindung. Noch vor wenigen Jahren konzen-trierten sich die meisten Unternehmen darauf, neue Kunden zu gewinnen. Das galt als Erfolgsrezept, um die Umsatzzahlen zu steigern. Inzwischen weiß man, dass es sinnvoller ist, die eigene Kundschaft zu pflegen und immer wieder zu motivieren, im Laden vorbeizuschauen. Das ist deutlich weniger aufwändig und wirtschaftlich erfolgversprechender. Aug’ & Ohr macht etwa 80 Prozent seines Umsatzes mit Bestandskunden. Jede Kundenbrief-Aktion schlägt sich unmittelbar in der Ladenkasse nieder. „Im Schnitt erzielen wir damit ein Umsatzplus von zehn bis zwanzig Prozent“, so Kuhnle.

Untersuchungen aus den unterschiedlichsten Branchen belegen, dass solche Zahlen kein Zufall sind. Wird die Frequenz, mit der Stammkunden den eigenen Laden aufsuchen, um nur fünf Prozent gesteigert, kann dies Gewinnsteigerungen von über 25 Prozent bringen, ermittelte etwa Klemens Skibicki, Professor an der Cologne Business School. Dies liegt auch daran, dass die Kosten für die Pflege des eigenen Kundenkreises überschaubar sind und Stammkunden nicht mehr so genau auf den Preis schauen. „Sie sind weniger preissensibel“, sagt Marketingexpertin Anne M. Schüller. „Zudem können Aufträge meist mit weniger Aufwand abgewickelt werden, da viele Stammkunden auf einen detaillierten Kostenvoranschlag verzichten.“

Eine aktuelle Studie von Adobe spricht davon, dass Unternehmen im Schnitt sieben Neukunden gewinnen müssen, um das Umsatzvolumen eines langjährigen Stammkäufers zu erreichen. Was auch daran liegt, dass gerade im Handwerk die Neukundenakquise schnell an ihre Grenzen stößt. „Viele Betriebe haben einen regional eng begrenzten Kundenkreis“, sagt Dirk Haid, Leiter der Betriebsberatung bei der Handwerkskammer für Oberfranken. „Stammkundenbindung zählt deshalb im Grunde zum ureigenen Geschäft.“ So wie Haid denken inzwischen viele Firmenchefs. Für eine Studie befragte das Marktforschungsinstitut Goldmedia im vergangenen Sommer 152 Entscheider. Ergebnis: 80 Prozent gehen von einer steigenden Bedeutung der Kundenbindung aus. Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kommt eine Umfrage der Software-Gruppe Sage unter kleineren und mittelständischen Unternehmen: Mehr als die Hälfte sagt, Bestandskunden zu halten und ihnen weitere Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen sei „sehr wichtig“. Allerdings zeigen all die Studien auch, dass sich Betriebe schwer tun, die richtigen Maßnahmen zur Kundenbindung zu finden und in den Arbeitsalltag zu integrieren. Viele müssen hier erst mühsam umdenken. Bis vor wenigen Jahren kamen die Kunden immer wieder, wenn sie handwerklich einwandfreie Leistung erhielten. Das reicht inzwischen nicht mehr, selbst Stammkunden googlen inzwischen mal, ob es nicht anderswo einen günstigeren Anbieter gibt. „Man muss Kunden immer wieder aktiv emotionale Anreize für neue Aufträge bieten“, sagt Haid.

Die Grundlage für so eine emotionale Verbundenheit kann gut gemachte Dialog-Werbung schaffen. Etwa postalische Mailings, wie sie „Aug’ und Ohr“-Chefin Nadja Kuhnle verschickt, oder E-Mails, Aktionen auf der eigenen Facebook-Seite oder Events, zu denen der Chef persönlich einlädt. Dabei gilt: Je höher der Nutzwert für den Kunden, desto größer der Erfolg für den Betrieb. Damit etwa Mailings den gewünschten Rücklauf bringen, muss ihr Inhalt einen klaren Nutzen für den Empfänger haben. Doris Märtin, Kommunikationsexpertin aus Diedorf bei Augsburg, rät: „Schreiben Sie, welchen Vorteil der Kunde durch das beworbene Produkt hat, wie Zeitersparnis, Sicherheit oder mehr Komfort. Das weckt mehr Interesse als technische Details.“ Bei E-Mails gehört dieser Nutzen bereits in die Betreffzeile, sonst landet die Mail als Werbung im Papierkorb.

Events zur persönlichen Bindung

Viel Spielraum für den Aufbau emotionaler Beziehungen bieten persönliche Kunden-Aktionen. Nils Kornmacher, Geschäftsführer der CKP Bau- und Brandsanierung GmbH aus Hamburg, und sein Team verbringen jeden Spätsommer ein ganzes Wochenende mit Stammkunden aus dem B2B-Bereich auf hoher See: Seit 2009 lädt der 50-Mitarbeiter-Betrieb seine Kunden und Lieferanten zu einem Segeltörn ein. Finanziert wird die Aktion zum Teil über Sponsoren, der Werbeeffekt ist enorm: „Wir können uns locker und sportlich präsentieren und die Beziehung zu unseren Stammkunden auf einer persönlichen Ebene ausbauen“, sagt Kornmacher. Das zahlt sich aus. Bei einer Hausverwaltung arbeitete Kornmacher bislang nur mit einem Sachbearbeiter zusammen, nach dem gemeinsamen Event waren es schon sieben. „Die Kundenbindung ist gewaltig“, freut sich Kornmacher, „jeder möchte beim nächsten Mal wieder dabei sein.“ Am Event wird deshalb nicht gerüttelt. Bereits im Februar wurden die Einladungen für den diesjährigen Törn verschickt.