Schattenwirtschaft: Achtung, Schwarzarbeit!

Die Marktanteile der Schwarzarbeit steigen dramatisch. Deshalb zieht die Justiz die Reißleine: Drahtziehern, Schleusern und Auftraggebern von Schwarzarbeitern drohen drakonische Strafen.

  • Bild 1 von 4
    © Falk Heller
    „Wir kontrollieren unsere Subunternehmer regelmäßig. So beugen wir der Schwarz­arbeitsgefahr bestmöglich vor.“ Laura Lammel, ­Geschäftsführerin von Lammel Bau GmbH & Co. KG, München.
  • Bild 2 von 4
    © Jens Nieth
    Elektroinstallateur-­meister Gerd Peters aus Essen arbeitet lieber mit Zeitarbeitern als mit Subunternehmern.
  • Bild 3 von 4
    © Chart: handwerk magazin
    Schwarzarbeit verzerrt den Wettbewerb, vernichtet Arbeitsplätze und verhindert deren Neuschaffung.
  • Bild 4 von 4
    © Steinkühler
    „Ein Werk­vertrag kann verkappte ­Leih­arbeit sein, dann droht Bußgeld.“ Bernhard Steinkühler, ­Fachanwalt für ­Arbeitsrecht, Berlin.

Besuch für die Lammel Bau GmbH & Co. KG in München: „Neulich war der Zoll auf der Baustelle“, berichtet Geschäftsführerin Laura Lammel. Genauer: Es war die FKS, die Spezialeinheit Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Natürlich: Schwarzarbeit kommt für Diplom-Ingenieurin Lammel nicht infrage. Trotzdem muss sie sich mit dem Thema beschäftigen. Ein Geschäftszweig des 16-Mann-Unternehmens sind schlüsselfertige Tiefgaragen. „Das geht aus Gründen der Spezialisierung und Kapazität nicht ohne Subunternehmer, auch aus dem Ausland“, erklärt die stellvertretende Innungsobermeisterin, „und auch aus Bulgarien.“

Subunternehmer prüfen kostet Zeit

Sie stellt klar: „Wir sind froh, dass es sie gibt, wegen des Fachkräftemangels und ihrer Flexibilität.“ Doch da gebe es neben vielen Guten auch schwarze Schafe. Laura Lammel muss dafür sorgen, dass ihre Subs Mindestlöhne, Sozialabgaben und Steuern zahlen, sonst drohen ihrer Firma Nachzahlungen, vielleicht Bußgelder und mehr. „Die Überprüfungen kosten uns jede Woche fünf Arbeitsstunden.“ Ein Trost: Die Arbeit hat Erfolg. „Der Zoll war gleich wieder weg: Alles war O.K.“

Oft finden die Zollvisiten kein Happy End. 64 000 Arbeitgeber haben die 6700 Mitarbeiter der FKS 2013 überprüft. Das Resultat: Fast 45 Millionen Euro Bußgelder, rund 800 Millionen Euro Nachzahlungen von Steuern und Sozialversicherung sowie knapp 2000 Jahre Freiheitsstrafe. Bei Schwarzarbeit geht es meist um Verstöße gegen Mindestlohn und um Scheinselbständigkeit. Das bedeutet immer auch, dass Lohnsteuer und Sozialabgaben nicht gezahlt wurden. Danach sucht außer dem Zoll auch die Deutsche Rentenversicherung in vierjährlichen Betriebsprüfungen. Ein Risiko für jeden, der die Flexibilität seines Unternehmens etwa durch Subunternehmer, Werkverträge oder auch Leiharbeit erhöht. Denn er haftet oft für fremde Fehler, sogar wenn er davon nichts wusste. Deshalb ist es wichtig, die Risiken zu kennen.

Schwarzarbeit ist seit Jahren Dauerthema. Schätzungen sprechen von einem jährlichen Volumen von um die 350 Milliarden Euro, fast 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Anfangsgebot muss realistisch sein

Da muss der Zoll seine begrenzten Kräfte fokussieren. „Am Bau läuft Schwarzarbeit meistens über Subunternehmer oder von diesen beauftragte Firmen“, sagt Klaus Salzsieder, Pressesprecher der zentralen Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Für den Hauptunternehmer kein Grund zur Beruhigung. Das zeigt ein Fall des Münchner Fachanwalts für Strafrecht Robert Jofer. Ein Mandant hatte die Eisenflechterei an ein Subunternehmen vergeben, nicht an das billigste Gebot, sondern eine mittlere Preislage. „Deshalb ging er von korrekter Bezahlung der Submitarbeiter aus“, sagt Jofer. Doch einer zeigte den Sub wegen Schwarzarbeit an. Die FKS umstellte die Baustelle und befragte die Arbeiter. Sie verdienten zu wenig. Gegen den Sub gab es ein Strafverfahren. Außerdem ließ der Zoll den Auftrag an den Sub von einem Sachverständigen nachkalkulieren. Der befand, mit Mindestlohn hätte der Sub das Gebot nicht erfüllen können, das sei für den Auftraggeber erkennbar gewesen. Gegen ihn verhängte der Zoll ein Bußgeld in Höhe der doppelten Auftragssumme.

Sozialversicherung langt kräftig zu

Doch mit Bußgeld oder Strafe ist die Sache für die Unternehmen selten erledigt. Häufig ist beim Sub nichts zu holen, und dann müssen sie für die Nachzahlungen von Lohn und Sozialversicherung einspringen (siehe Kasten auf Seite 62). Dabei erleben sie noch eine Überraschung: Im Bußgeldverfahren oder vor der Strafjustiz wird der Schaden der Sozialversicherung ausgerechnet, das ist wichtig für die Höhe der Bestrafung. Die Sozialversicherung macht ihnen oft eine andere Rechnung auf, und die fällt höher aus: Sie legt bei Verschulden – und das liegt nach Bußgeld oder Bestrafung vor – noch mal einen Säumniszuschlag von einem Prozent pro Monat drauf. Als weitere Konsequenz droht bei Verstößen Ausschluss von öffentlichen Aufträgen, schon ab einem Bußgeld von 2500 Euro. Denkbar wäre auch eine Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit, doch „ich kenne in der Praxis keinen solchen Fall“, sagt Michael Frikell, Geschäftsführer der Bauinnung München.

Inflationäre Gesellschafterzahl

Diese Gefahren machen den Aufwand bei Lammel Bau verständlich. Allerdings genügt die Kontrolle von Formalien nicht, etwa gegen den „Überstunden-Dreh“. Da bestätigen der Sub und seine Mitarbeiter, dass der Mindestlohn gezahlt wird, tatsächlich lässt der Sub aber länger arbeiten, so drückt er den Stundensatz unter die gesetzliche Grenze. Nicht bei Lammel. „Unser Polier ist vor Ort, der weiß, was die arbeiten.“

Die Kreativität beim Umgehen der Regeln ist beachtlich. Zum Beispiel der Trick, dass eine GbR, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, das Angebot macht. Alle Mitarbeiter sind Gesellschafter, also: keine Arbeitnehmer, Folge: kein Mindestlohn, keine Sozialabgaben. Innungsjurist Frikell: „Trotz Gewerbeschein sind das oft Scheingesellschaften.“ Einer ist Chef, die anderen in Wahrheit Arbeitnehmer. Kommt das auf, wird es teuer. Zollsprecher Salzsieder: „Aufstockung auf den Mindestlohn plus Sozialversicherung plus Lohnsteuer plus Bußgeld.“

Aber es gibt Warnzeichen. „Das wichtigste ist die Gesellschafterzahl“, sagt Frikell. Bei mehr als drei oder vier sei Misstrauen angebracht, ebenso bei häufigem Gesellschafterwechsel, „dafür ist die Rechtsform GbR einfach zu schwerfällig“. Darüber könne sich jeder in der Handwerksrolle informieren. Auch der Gesellschaftsvertrag könne verräterisch sein, „mit Bulgaren nur auf Deutsch ist verdächtig.“ Aber: Dank entsprechender Muster würden die Verträge besser. Es sei schwierig, das immer sicher zu klären, „im Zweifel kann es besser sein, auch mal auf ein Geschäft zu verzichten“.

Gerd Peters, Inhaber von Elektro Hans Peters in Essen, arbeitet nicht mit Subunternehmern, ihm verschafft Zeitarbeit die notwendige Flexibilität. Dabei achtet Peters darauf, dass der Verleiher im Vertrag bestätigt, dass er nach Tarifvertrag Elektrohandwerk zahlt. Denn die Leihmitarbeiter dürfen nicht weniger bekommen als die Stammbelegschaft, falls nicht ein Tarifvertrag das erlaubt. Sonst können sie Nachfor-derungen stellen, erst einmal gegen ihren eigenen Arbeitgeber, den Verleiher. Doch „den können solche Nachforderungen finanziell in die Knie zwingen, dann muss der Entleiher damit rechnen, dass er zumindest für die Sozialversicherung einspringen muss“, warnt der Berliner Fachanwalt für Arbeitsrecht Bernhard Steinkühler. Das gelte auch bei Insolvenz des Verleihers, sogar wenn der Entleiher ihn schon bezahlt habe. Steinkühler: „Deshalb immer die Solvenz des Verleihers prüfen.“

Mit Rentenversicherung kooperieren

Besonders im Fokus der Ermittlungen stehen derzeit Werkverträge. Sie sollen teilweise die teurer gewordene Leiharbeit ersetzen, und zwar so: Der Verleiher wird Werkunternehmer, er bekommt einen Werkvertrag und schickt dafür seine Leute. Beliebt sind Werkverträge auch für die Beauftragung einzelner Mitarbeiter: Das kennzeichnet sie als Selbständige ohne Mindestlohn oder Sozialversicherung. Allerdings: Unterscheiden sich Arbeit und Stellung im Betrieb nicht von der eines Arbeitnehmers, gilt das als Scheinselbständigkeit. So soll es bei 140 Fahrern eines Klinikums in Niedersachsen gewesen sein. Jetzt stehen die Geschäftsführer vor dem Strafrichter. Das hätten sie vermeiden können. Der Frankfurter Fachanwalt für Sozialrecht Martin Schafhausen, Kanzlei Plagemann: „Wir empfehlen, die Frage, ob Selbständiger oder Arbeitnehmer, von der Deutschen Rentenversicherung klären zu lassen. Das ist für alle Sozialversicherungen verbindlich und gibt Sicherheit.“ Gegen die Schwarzarbeitsregeln hat Laura Lammel grundsätzlich nichts, im Gegenteil. Doch eins stört sie heftig: „Der Staat macht die Regeln, aber wir haben die Arbeit mit der Kontrolle. Wir brauchen effektivere Prüfungsmöglichkeiten wie etwa eine EU-weite Sozialversicherungsnummer.“