So zahlt die Versicherung Schadenregulierung: Die Tricks und Kniffe der Versicherer

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Gute Schadenregulierung ist möglich – viele zufriedene Unternehmer haben uns ihre Fälle geschildert. Doch es gibt auch ungezählte unzufriedene Unternehmer. Ihre Schäden wurden von ihrem Versicherer nicht oder nicht in voller Höhe beglichen. Die Gründe dafür, sind vielfältig. Fakt ist: Unternehmer greifen im Schadenfall oft nach dem meist billigen Vergleich, den Versicherer zuerst anbieten. Der Gedanke dabei: Lieber einen kleinen finanziellen Ausgleich sofort, als gar keinen oder einen langen Rechtsstreit mit offenem Ausgang. Doch wer die Tricks und Kniffe der Branche kennt, muss sich auf den nachteiligen Deal gar nicht erst einlassen.

Die Brüder Michael (l.) und Andreas Hermann in ihrem Autohaus in Kempten im Allgäu.
Die Brüder Michael (l.) und Andreas Hermann in ihrem Autohaus in Kempten im Allgäu. - © Micha Wolfson

Wir haben bei 16 Gewerbeversicherern um Beispiele guter Schadenregulierung von Großschäden gebeten. Die gute Nachricht: Es gibt diese Fälle. Die schlechte: Marktkenner bezweifeln, dass dies der Standard ist. Sie meinen, insbesondere bei Großschäden würden Leistungen systematisch verzögert. Dabei sei es das Ziel, einen billigen Vergleich herbeizuführen. Das gelänge oft, da der Versicherte lieber eine kleine Kompensation akzeptiere als möglicherweise ohne Versicherungsleistung dazustehen. Unternehmer sollten wissen, wie sie auf Augenhöhe mit der Assekuranz agieren.

Keine Leistung, wenn es ernst wird?

Der Krieg in der Ukraine wirkt auf den Versicherungsschutz aus Cyberpolicen in Deutschland. Wer heute von einer
Hackerattacke betroffen ist, erhält meist keine Leistung. Der Grund: In den Policen wird die Leistungspflicht ausgeschlossen, wenn weltweit die Gefahr eines Cyberkrieganschlags auf IT-Systeme besteht. Marcel Straub, Schadenexperte beim Versicherungsmakler Finlex, akzeptiert das nicht. Denn: „Fehlt bei einem Cyberangriff die zielgerichtete Handlung eines angreifenden Staates, müssen die Versicherer leisten.“ Hier droht Streit mit der Versicherung – eine Rechtsschutzversicherung hilft, die Kosten dafür zu begrenzen.

Betroffen ist aber in jedem Fall, wer die Virenschutzsoftware des russischen Unternehmens Kaspersky nutzt. „Informieren Sie Ihren Cyberversicherer“, rät deshalb Ole Sieverding, Geschäftsführer des Versicherungsmaklers Cyberdirekt aus Berlin. Denn am 15. März 2022 warnte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) öffentlich vor dem Einsatz dieser Software. Sie könnte zum Hackereinfallstor werden. „Einige Assekuranzen bewerten die Nutzung von Kaspersky nach der BSI-Warnung als Gefahrerhöhung. Das ist ähnlich wie bei einem Gerüst an Gebäuden, das Einbrüche begünstigt“, erklärt Sieverding. Eine solche Gefahrerhöhung muss dem Versicherer unverzüglich mitgeteilt werden, damit der Schutz bestehen bleibt.

Unsicherer Cyberschutz und ein öffentlich ausgetragener Streit um Lockdown-Schäden aus der Betriebsschließungsversicherung sorgen für den fatalen Eindruck, dass Versicherer nicht zahlen, wenn es für den Versicherten darauf ankommt. „Das Image der Branche ist wohl auf einem Tiefpunkt angekommen“, stellt Hans-Georg Jenssen, Vorstand beim Bundesverband deutscher Versicherungsmakler (BDVM), fest. Aber stimmt das wirklich? Wir haben die Assekuranzen gebeten, uns Beispiele für positiv verlaufene, große Schadenregulierungen zu nennen. Die Idee: Wir wollten untersuchen, was diese Fälle von verweigerten oder schlechten Regulierungen unterscheidet.

Mit zwei Beratern zum Erfolg

Lars Thode hat einen Hausmeisterdienst „Service rund um Haus & Grund“ in Lütjenburg. Er vermietet an seinem Geschäftssitz gewerbliche Flächen. Beim Sprit ablassen verursacht ein Mieter Ende Januar 2021 einen Großbrand, der die gesamte 600 Quadratmeter große Halle und rund 90 Prozent der Betriebsausstattung sowie private Sachen von Thode zerstört.

Der gelernte Handwerker ist über die R+V Versicherung geschützt und schaltet sofort einen auf Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt ein. Der Jurist entscheidet nach einiger Zeit, den Fall an den Hamburger Versicherungsberater Rüdiger Falken abzugeben. Ein fairer Zug, denn Thode hat keine Rechtsschutzversicherung und die Anwaltsleistung ist deutlich teurer als die des Versicherungsberaters. „Falken hat sofort klargestellt, dass ich laut Police das Recht auf einen eigenen Sachverständigen habe“, erinnert sich Thode. Und das war wichtig, denn nun hatte der Gutachter des Versicherers einen Ansprechpartner, der ihm auf Augenhöhe begegnete. Zusammen stellten sie den Wert des Gebäudes fest, „von da an lief die Regulierung echt harmonisch“, erzählt Thode.

Der Versicherer ersetzte den Mietausfall und die Abbruch- und Entsorgungskosten zu 100 Prozent. Auch die hohen Kosten des Wiederaufbaus übernimmt die Assekuranz. „Rüdiger Falken ist jeden Cent Honorar wert. Er hat viele Dinge klar­gestellt, die der Versicherer wohl nicht freiwillig mitgeteilt hätte“, ist Thode überzeugt. Etwas mehr als ein Jahr haben Wiederaufbau und Schadenregulierung nun gedauert. „Für mich ist das immer noch eine lange Zeit, doch scheinbar gilt das als zügige Abwicklung“, so Thode.

Vom Ende der Kulanz

Tatsächlich sind Großschäden oft noch deutlich langwieriger. Der Grund: Die Versicherer prüfen akribisch, ob sie einen Fehler des Versicherten finden. Ist das der Fall, bezahlen sie den Schaden nicht oder nur teilweise. Das kritisiert beispielsweise der BDVM. So sei die Regulierung in den letzten fünf Jahren ständig formaler geworden. „Kulanz war gestern“, sagt BDVM-Mitglied Matthias Böhm, der hauptberuflich Geschäftsführer des Versicherungsmaklers Lampe & Schwartze ist. Eine Regulierung dauere heute doppelt so lange wie noch vor ein paar Jahren. Das liegt an der längeren Prüfzeit. Böhm warnt: „Wer als Versicherter diese Art der Regulierung nicht kennt und keinen fachlichen Berater hat, wird vielfach keine faire Entschädigung erhalten.“ Denn wer einen großen Schaden hat, steht wirtschaftlich meist mit dem Rücken zur Wand. Zeit ist dann Geld. Und lässt der Schadenersatz auf sich warten – greifen Versicherte schnell beim angebotenen Vergleich zu.

Noch ein Kniff der Branche: „Oft wird der Kunde mit mehr als 100 Fragen regelrecht überhäuft“, berichtet Philipp Schulz, Fachanwalt für Versicherungsrecht von der Kanzlei KSB INTAX. Dabei würden die Assekuranzen ausnutzen, dass der Versicherungsnehmer zu einer Mitwirkung verpflichtet ist. „Die Assekuranz nutzt die Überforderung des Versicherten dann ganz gezielt aus. Mit den immer neuen aber ähnlichen Fragen will sie Widersprüche konstruieren“, warnt Schulz. Das passierte Unternehmer Thode nicht. Gegenüber der R+V Versicherung war der Unternehmer mit gleich zwei Beratern, dem Versicherungsjuristen und dem Versicherungsberater, ideal aufgestellt.

Den Schaden selber managen

Manche Unternehmer können ihren Schaden aber tatsächlich auch selbst managen. Das beweist der Fall der Brüder Hermann, die in Kempten ein Autohaus mit Werkstatt betreiben. Am 10. August 2020 brannte die Lackierhalle nieder. „Der Anblick war furchtbar“, erzählt Michael Hermann. Es dauerte zwei Tage, bis der Experte für Großschäden der Nürnberger Versicherung zusammen mit einem Gutachter vor Ort war. „Wir haben direkt klar gemacht, dass unser Interesse der schnelle Wiederaufbau der Lackieranlage ist“, erläutert Hermann. Zu seinem Erstaunen, erhielt er schon am Folgetag Anrufe von mehreren „Spezialisten“, die behaupteten, zehn Prozent „mehr rauszuholen“. „Das war aber gar nicht unser Ziel“, so der Geschäftsführer.

Daher habe man immer an einem Strang mit dem Versicherer gezogen: Möglichst den Schaden mindern und schnell wieder wie früher arbeiten. Die Versicherungsmaklerin der Brüder hatte dem Kfz-Betrieb Auto Hermann GmbH eine Autohauspolice der Nürnberger-Tochter Garanta vermittelt. Sowohl die Gebäude, als auch der Inhalt und Kundenfahrzeuge waren mit der Police abgedeckt. Hinsichtlich des Schadens hatte sie empfohlen: „Macht es erst einmal allein mit der Versicherung. Wenn es dann irgendwo klemmt, bin ich sofort dabei.“ Doch es klemmte nie ernsthaft. Die Zusage der Kostenübernahme für die Anmietung einer mobilen Lackieranlage während der Neubauzeit erteilte der Sachverständige der Nürnberger spontan in einem Telefonat. „Wir waren immer sicher, dass solche Zusagen eingehalten werden“, äußert Hermann. Zudem mussten die Brüder nicht einen Cent vorfinanzieren, da die Vorauszahlungen immer pünktlich eintrafen. „Wir haben auf einen eigenen Gutachter verzichtet, weil uns die partnerschaftliche Verständigung einfach wichtiger war.“

Bei der Neuinstallation zeigte sich der Versicherer kompromissbereit. Er akzeptierte eine andere Lackieranlage, weil der verbrannte Typ nicht kurzfristig am Markt erhältlich war. „Natürlich haben wir mit dem Versicherer und dem Sachverständigen diskutiert. Das erfolgte aber immer auf einem sachlichen Niveau“, so Hermann. Rund zwei Millionen Euro zahlte die Assekuranz. „Wir waren wirtschaftlich gesund und sind es nach dem Schaden auch noch. Allein den Nervenverlust durch den Brandschock hat die Nürnberger nicht getragen“, lacht der Autohausbesitzer. Die große Eigeninitiative, gepaart mit Kompromissbereitschaft, dürften im vorliegenden Fall den positiven Ablauf der Regulierung begünstigt haben. Gleichzeitig war der Versicherung aber bewusst, dass im Hintergrund eine sachkundige Versicherungsmaklerin bereitstand.

Streitpunkt Ausfallschaden

Wer seinen Schaden selbstständig meldet und der Versicherung vertraut, kann damit gut fahren. Mitunter muss er jedoch geduldig sein. Metzgermeister Jörg Luz aus Reutlingen machte diese Erfahrung: Ein Starkregen beschädigte im Juni 2021 zwei Tonnen Fleisch und viele Kilogramm Gewürze. Auch alle Maschinen zu Wurstzubereitung sowie die Spülmaschine der Metzgerei waren beschädigt. „Zwar war schon am Schadentag der Generalvertreter der SV Sparkassenversicherung bei uns, doch die beiden Gutachter tauchten erst in einer Frist von jeweils einer Woche auf. Das soll aber – immerhin war überall viel Schaden entstanden – schnell sein“, sagt Luz zögernd.

Sehr zufrieden war er, dass nach dem Kostenvoranschlag das Geld für Neuanschaffungen stets vorausgezahlt wurde. Trotzdem musste die Metzgerei drei Wochen schließen, bis alle Schäden beseitigt und alles wieder neu angeschafft war – und das Veterinäramt den Betrieb freigab. Mit der Entschädigung für Gebäude, Inhalt und Ertragsausfall zahlte die Versicherung insgesamt 150.000 Euro. Der Verdienstausfall wurde über das Durchschnittseinkommen der letzten drei Jahre ermittelt. „Das passt schon im Großen und Ganzen“, meint Luz.

An diesem Fall zeigt sich: Es ist oft schwierig, den Einfluss der Betriebsunterbrechung auf Umsatz, Bestellungen und Kundenentwicklung konkret nachzuweisen. „Bei rund 20 Prozent der Schäden gibt es hier Streit um die Höhe“, sagt BDVM-Mann Böhm. Daher rät er zum Sachverständigenverfahren. Dabei benennen Geschädigter und Versicherer jeweils „ihren“ Sachverständigen. Diese ermitteln unabhängig voneinander die Schadenhöhe. Gibt es erhebliche Differenzen, einigt man sich auf einen Obergutachter, der entscheidet. Das Verfahren ist meist ab einer Schadenhöhe von 25.000 Euro möglich. Gute Vertragsbedingungen sehen eine 100-prozentige Übernahme der Kosten vor.

Gute Beratung beim Abschluss

Eine gute Schadenregulierung wird wahrscheinlicher, wenn der Versicherungsschutz umfassend und passend ist. „Vorzüglich hat unser Versicherungsmakler im Vorfeld eines Wasserschadens gewirkt“, ist Amande Kleier dankbar. Denn er sorgte beim Altenpflegeheim „Haus Sonnenblick“ in Mettingen für lückenlosen Schutz während der Bau- und Bezugsphase. Der wurde notwendig, als Ende November 2021 aus dem Eingang des neu gebauten Pflegeheims Wasser strömte: „Der Heimleiter hatte sofort die Feuerwehr gerufen“, erinnert sich Kleier. So hat er den Schaden begrenzen können, was wichtig für den Versicherungsschutz ist.

Bereits am Folgetag wurde der Schaden von ihrem Versicherungsmakler begutachtet. Mit ihr, der Basler Versicherung, einem Sachverständigen, dem zuständigen Installateur und seinem Haftpflichtversicherer wurde das Heim nur einige Tage nach dem Schaden genau unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Der SHK-Betrieb hatte im Dachgeschoss Rohrverbindungen nicht richtig verpresst. So konnte sich das auslaufende Wasser bis ins Erdgeschoss verteilen. „Die Kommunikation mit dem Versicherer stimmte von Anfang an“, sagt Kleier, die mit ihrem Mann die Kleisto GmbH für die Verwaltung von Grundeigentum führt. „Klischees von zahlungsunwilligen Versicherungen können wir nicht bestätigen.“

So organisierte die Basler die Trocknungsfirma und war einverstanden, dass der bisherige Bauleiter die Sanierung des Wasserschadens übernahm. „Wir haben aber auch den Mietausfall voll entschädigt bekommen“, erzählt Kleier. Zudem wurden Vorauszahlungen für Handwerker schnell angewiesen. Insgesamt zahlte die Basler rund 300.000 Euro. Die hohe Leistungsbereitschaft des Versicherers dürfte drei Ursachen haben: 1. aktives Eingreifen des Versicherungsmaklers, 2. schadenmindernder Einsatz des erfahrenen Bauleiters und 3. die klare Haftungslage, durch die die Basler Versicherung den gesamten Schaden beim Haftpflichtversicherer des Installateurs regressieren konnte.

Auf das Kleingedruckte achten

Ganz wichtig für den Ernstfall sind die Versicherungsbedingungen. Dies zeigt ein Schadenfall aus dem Ruhrgebiet. „Ein wichtiger Tag in unserer Firmengeschichte war die Unterzeichnung einer verbesserten Versicherungspolice mit Neuwertschutz bei der Signal Iduna“, erzählt Michael Stratmann, Geschäftsführer der Metallgestaltung Stratmann GmbH aus Essen-Kupferdreh – im Rückblick wohlgemerkt. Denn kurze Zeit später war „Land unter“ in seinem Betrieb. Obwohl der Unternehmer mit einer mechanischen Hochwassersicherung gegen eine Überschwemmung vorgesorgt hatte, stieg der angrenzende Deilbach über die gesicherte Höhe von 1,50 Meter an. Bis 19 Uhr hielten die mechanischen Hochwassersicherungen. Dann kam es auch durch Rückstau zum Wassereinbruch. „Unvorstellbare Wassermassen überfluteten unser Gelände. Das Wasser erreichte eine Höhe von 2,20 Meter“, so Stratmann.

Sein neuer Versicherungsschutz zum Neuwert umfasst Firmenpolice, Gebäude-, Inhalts- und den Betriebsunterbrechungsschutz. Stratmann hat ihn nach zwei Einbruchdiebstählen als wichtig eingestuft: „Jedes Mal wurde uns nur der Zeitwert ersetzt“, erinnert er sich. Signal Iduna-Vertreter Arndt Ziegler weiß: „Viele Firmen sind hier ganz schlecht aufgestellt. Wenn die in Gebrauch befindlichen Sachen nur noch 40 Prozent des Neupreises wert sind, werden sie nur mit ihrem Zeitwert entschädigt.“

Diese Erfahrung teilt Versicherungsberater Falken: „Viele Vertragsbedingungen sind katastrophal.“ Oft gebe es den Neuwertschutz nur in besseren Tarifen wie „Plus“ oder „Exklusiv“. Aber: „Grundsätzlich gilt, dass auf die sogenannte Neuwertspitze nur Anspruch besteht, wenn die beschädigten Sachen tatsächlich ersetzt werden.“ Bei fiktiver Abrechnung gibt es weiterhin nur den Zeitwert. Für die Metallgestaltung Stratmann hätte ein Ersatz zum Zeitwert aufgrund des älteren Maschinenbestands wohl den Ruin bedeutet.

Die Regulierung lief sehr zufriedenstellend. „Es ist gut, dass wir den Schutz bei einer einzigen Versicherung haben. So wird dann nicht noch unter den Assekuranzen gestritten“, meint Stratmann. Selbst der oft schwer kalkulierbare ­Betriebsunterbrechungsschaden wurde „unterm Strich“ richtig entschädigt. „Wir haben vier Monate mit der gesamten Mannschaft durchgearbeitet, um den Hochwasserschaden zu beseitigen.“ Diese Zeit wurde wie ein Auftrag kompensiert, inklusive Gewinnausfall. Am Ende zahlte die Signal Iduna 978.000 Euro.

Unterversichert macht unsicher

Jeder Betrieb sollte Versicherungsverträge aktiv und mit Fokus auf Worst-Case-Szenarien abschließen. Der Fall Dennis Marquardt aus Bergisch-Gladbach verdeutlicht, warum: Sein Fitnessstudio „Die Sporthalle“ war von einem Hochwasser betroffen und Marquardt war sich nicht sicher, ob er einen Elementarschutz hatte. Der Schreck saß tief. Noch in der Schadennacht Mitte Juli 2021 rief er seinen Vertreter der Axa-Versicherung. Der konnte ihn beruhigen: Marquardt hatte den Elementarschutz abgeschlossen. Nach dem Lockdown nun noch das Hochwasser – eine Unterversicherung hätte wohl das unternehmerische Aus bedeutet.

Axa-Vertreter und Sachverständiger kamen schnell zur Schadenbegutachtung. „Ich wurde sogar emotional betreut“, lächelt Marquardt. Das Inventar musste erneuert werden. Die Bestellung der neuen Fitnessgeräte musste mit 50 Prozent des Kaufpreises angezahlt werden. Doch die Axa unterstützte durch Vorauszahlungen auf Abruf. Für die Zeit der Betriebsunterbrechung zahlte der Versicherer den Ausfall. Gleiches galt für Werbemaßnahmen, da einige Kunden abwanderten. Das ist gut gelaufen für den Unternehmer. Doch Versicherungsjuristen raten, einen unabhängigen Makler mit dem Schutz zu beauftragen. Denn bei falscher Absicherung steht dieser in der Haftung. Dafür sind Makler ihrerseits mit einer Police abgesichert.

Aktive Mithilfe ist gefragt

Wer als Unternehmer sicher zum Schadenersatz kommen möchte, muss im Ernstfall aktiv mitarbeiten. So kümmerte sich Bernd Fischer, Geschäftsführer der BF-Verwaltungs-GmbH, nach einem schweren Elementarschaden selbstständig um Fachfirmen für die Sanierung. „Wir haben viele Angebote von Handwerkern eingeholt und nur angemessene Aufträge vergeben.“ Sehr positiv bewertet Fischer, die Schadenregulierung durch die Zurich-Versicherung Sie hat auch umgehend Schäden beglichen, die erst nach der Erstbegehung zu erkennen waren. Sie forderte nur, dass eine Dokumentation des Sachverständigen vorliegt. „Es ging auch um Zeit. Denn wir mussten eine große Halle schnell trockenlegen, weil dort Papier archiviert wird“, so Fischer. Der Unternehmer ist mit der Abwicklung seiner Assekuranz sehr zufrieden und sagt: „Mit Versicherern haben wir schon oft ganz andere Dinge erlebt.“

Rechtsschutz bietet Sicherheit

Manchmal hilft nur eine Rechtsschutzversicherung, um Ansprüche aus einer Police durchzusetzen. Jüngstes Beispiel ist die Betriebsschließungsversicherung (BSV). Aus diesen Policen wurde in der Pandemie meist nicht geleistet. Unternehmern blieb der „Bayerische Kompromiss“, der als Vergleich 15 Prozent der versicherten Summe vorsah.

Höhere Vergleichssummen erzielten Betriebe, die zusätzlich eine Firmenrechtsschutzversicherung abgeschlossen hatten. Makler Ulrich Hähnel aus Mühlheim sagt: „Ich schätze, dass wir von 80 Fällen mittlerweile etwa 60 Fälle mit einer Größenordnung von rund 85 Prozent verglichen haben.“ Glück hatte, wer bei der kleinen Minderheit von Assekuranzen versichert war, die ihre Leistungspflicht sofort anerkannten. Dazu gehören Barmenia, Basler, HDI, LVM, Signal Iduna und Münchener Verein. Bei Letzterem ist Christoph Leiders mit seinem Stautenhof, einem großen Bio-Hof mit Metzgerei, Restaurant und Hofladen in Willich-Anrath versichert. Ab 22. März 2020 wurde er aufgrund der Pandemie vom Staat in den Lockdown gezwungen und musste den Restaurantbetrieb schließen. Der Münchener Verein leistete aus der BSV innerhalb von fünf Tagen.

Fazit: Sicher sind Unternehmer im Ernstfall, wenn sie für umfassenden und neuwertigen Versicherungsschutz sorgen und Präventionsmaßnahmen ergreifen. Auch die Beratung durch unabhängige Makler oder Berater hilft. Wer auf anwaltlichen Rat setzt, sollte eine Rechtsschutzversicherung haben. Wer im Schadenfall aktiv die Kosten gering hält und den Wiederaufbau anstrebt, steht meist ebenfalls gut da.

Tipps: So kontern Sie Leistungsabzügen

Wenn ein Schaden teuer ist, wird Versicherten oft ein Vergleich angeboten – manchmal kommt er als Kulanz daher. Wer ungeprüft zustimmt, verliert meist Geld.

  1. Vorsätzlich verursachte Schäden sind nicht versichert – die Versicherer prüfen akribisch, ob Versicherungsbetrug vorliegt. „Dem Versuch, mit diesen Vorwürfen die Leistung zu verweigern, sollte man mit einem scharf formulierten Anwaltsschreiben und Androhung einer Klage entgegentreten“, rät Klaus Schneider, Fachanwalt für Versicherungsrecht aus Hannover.
  2. Grobe Fahrlässigkeit führt zu einer Kürzung der Leistung. Das gilt auch, wenn grob gegen Pflichten aus dem Vertrag verstoßen wird. Der Versicherte muss durch Notmaßnahmen den Schaden gering halten. Etwa eine Notreparatur am Dach veranlassen, damit es nicht weiter reinregnet. Bei höherer Gefahr, wie etwa Reparaturgerüst am Gebäude oder zeitweilig leer stehende Firmenbereiche, muss der Versicherer unverzüglich informiert werden. Die Assekuranz hat ein Recht, alle notwendigen Informationen zur Aufklärung des Schadens zu erhalten.
  3. Leichte Fahrlässigkeit führt zu leichten Abzügen. Doch der Geschädigte kann sie oft entkräften. Wer das Fenster nur kurzfristig gekippt öffnen wollte, aber aufgrund eines Unfalls eines Verwandten den Betrieb verlassen musste, dürfte lediglich leicht fahrlässig gehandelt haben. „Ein längeres Offenstehen war ja nicht beabsichtigt“, erläutert Schneider. Zudem liegt kein Fehlverhalten vor, wenn man es nicht dem Unternehmer zurechnen kann. Wird fachgerecht delegiert, kann der Firmeninhaber nicht belangt werden.
  4. Kausalität prüfen: „Sie ist die größte Grauzone bei Vergleichen“, erläutert Versicherungsmakler Matthias Böhm. Auch wenn der Unternehmer nachweislich beispielsweise den jährlichen E-Check nicht durchgeführt hat oder Brandschutztüren nicht geschlossen wurden, muss der Fehler für den Schaden ursächlich sein. War etwa eine Brandstiftung Grund für ein Feuer, spielt der unterlassene E-Check keine Rolle.
  5. Vertrag beim Vertreter: Beim Schaden wird es problematisch, denn der Vertreter ist für ein oder mehrere Versicherer tätig. Bei der Schadenregulierung sitzt er im Boot der Assekuranz. Er ist nicht neutral und er ist nicht mit in der Haftung. Bei Maklern und Beratern ist das anders – sie haften bei mangelhafter Beratung.

Checkliste: Schadenregulierung optimieren

Wer bei einem Schadenfall gut vorbereitet ist und einige Regeln kennt, kann einen optimalen Leistungsverlauf durch den Versicherer begünstigen.

  • Stimmen Sie im Schadenfall jeden Schritt mit dem Versicherungsmakler oder Berater ab. Die Berater-Hotline-Nummer sollte allen Verantwortlichen bekannt sein.

  • Geben Sie dem Versicherer die Möglichkeit der Schadendokumentation. Räumen Sie nichts auf und vernichten Sie nichts.

  • Wird Ihnen ein Vergleich angeboten, lassen Sie die Ansprüche fachlich prüfen. Wer vorschnell unterschreibt, muss als Geschäftsführer gegenüber dem Unternehmen unter Umständen haften. Stellt sich etwa später heraus, dass der Versicherer in vollem Umfang hätte leisten müssen, muss der Manager für den Restschaden aufkommen.

  • Verlangen Sie eine Vorauszahlung von zwei Dritteln des Sachschadens (Zeitwert), wenn die Neuwertfeststellung nicht sofort möglich ist, weil die Wiederherstellung des Gebäudes oder der Maschine aus Mangel an Handwerkern oder Lieferung länger dauert.

  • Verlangen Sie bei Streit um die Schadenhöhe, vor allem wenn es um Ihren Ertragsausfall wegen Betriebsunterbrechung geht, ein Sachverständigenverfahren. Das ist meist ab einer voraussichtlichen Schadenhöhe von 25.000 Euro möglich. Gute Bedingungen sehen dann eine 100-prozentige Übernahme der Kosten des Sachverständigen durch den Versicherer vor.

  • Bescheinigt Ihnen ein Arzt eine Berufsunfähigkeit, sollten Sie schon vor der Schadenmeldung an den Berufsunfähigkeitsversicherer juristischen Rat bei einem Fachanwalt einholen. Die Beratungskosten müssen Sie dann zwar trotz Rechtsschutzversicherung selbst tragen. Aber: „Das kann dennoch sehr sinnvoll sein, denn der Versicherer stellt eine Menge Fragen, die wahrheitsgemäß zu beantworten sind, deren Bedeutung ein juristisch nicht gebildeter Laie aber kaum richtig einschätzen kann“, sagt Carla Burmann, Fachanwältin für Versicherungsrecht von der Kanzlei Stobbe Rechtsanwälte aus Hannover.