Historische Handwerker - Folge 1 Altes Handwerk

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Historische Handwerker

Wir beginnen unsere Reihe mit den "alten" Handwerkern Publius Longidienus, Adam Kraft, August Bebel und den Gebrüdern Asam.

Handwerker Publius Longidienus ließ sich bewusst in der Toga der römischen Oberschicht darstellen und provozierte damit deren Werte. - © akg-images / Gerard Degeorge

Publius Longidienus, politisch unkorrekter Schiffsbauer

Die kleine Sprechblase am Grabstein des Schiffsbauers ist eine Frechheit. Ein wenig unscheinbar über dem Kopf der Relieffigur angebracht, die an einem Schiffsrumpf arbeitet und das Gewerk anzeigt.

Darüber das Porträt von Publius Longidienus selbst und das seiner Frau, den beiden Menschen, die in diesem Familiengrab bestattet liegen. Sie lebten und arbeiteten in Ravenna in der heutigen mittelitalienischen Emilia-Romagna.

Der kurze Satz „ad onus properat“ in der Sprechblase brachte den Zeitgeist der römischen Handwerker im 1. Jahrhundert auf den Punkt. Dieser Grabstein „atmet nämlich den Geist der Rebellion gegen die Normen setzende Oberschicht“, stellt Karl-Wilhelm Weeber fest, ein deutscher klassischer Philologe und Althistoriker. „Die Arrivierten unter den Handwerkern akzeptierten nicht mehr, dass sie sich für ihre „quaestus sordidus“ (etwa: ihren schmutzigen Verdienst, schmutzige Gewerbsarbeit oder schlicht Drecksarbeit) schämen sollen.“

Und so ließ Schiffsbauer Longidienus die Beischrift anbringen, die besagt, dass er sich „eine Last erworben“ habe. Für damalige Verhältnisse eine echte Provokation. Denn der artige Römer seiner Zeit hätte anstelle des Wortes „onus“, die Last, eher den Begriff „opus“ für das Werk erwartet. Das wäre politisch korrekt gewesen. Denn die berufliche „Last“ war ein Begriff, der eher der Oberschicht vorbehalten war. Ähnlich wie sich manche Leistungsträger heutzutage gerne mit einem Burnout schmücken.
„Wenn vielbeschäftigte Anwälte wie Cicero und Plinius über ihren Berufsstress klagten“ analysiert Weeber, „dann sprachen sie von onera, die sie schultern müssen – eine Verantwortung, die schwer auf ihnen lastet. Eben das beansprucht der kecke Schiffsbauer in karikierender Weise auch für sich und seine Arbeit – eine subtile Unbotmäßigkeit gegenüber der Ideologie der Oberschicht und ein Ausdruck von Selbstwertgefühl.“

Longidienus war nicht der Einzige: So ließ etwa der Großbäcker Eurysaces bereits im Jahr 30 vor Christus in seinem monumentalen Grabmal, das er direkt am Rand der Innenstadt des antiken Roms aufbauen ließ, alle Arbeitsschritte der Brotherstellung einmeiseln – von der Anlieferung des Korns bis zur Auslieferung der Brote. Eine Inschrift machte zusätzlich klar, dass Bäcker Eurysaces wichtige öffentliche Aufträge erfüllte.

Nicht nur die Oberschicht setzt die Werte, sagt der Schiffsbauer Longidienus auf seinem Grabstein. Da haben wir ein Wörtchen mitzureden.

Adam Kraft

Stolz auf sein Gewerk: Selbstbewusst präsentiert sich der Steinmetz und Künstler Adam Kraft in seinem Werk. - © Petrus Silesius/Wikipedia

Er wirkt, als habe er die Arbeit gerade eben unterbrochen: Den Klüpfel lässig auf den Oberschenkel gestützt, in der anderen Hand das Eisen. Unter dem Schurz trägt er das Wams der Patrizier. Die Figur, die unter dem rund 500 Jahre alten Sakramentshaus in der St. Lorenz Kirche in Nürnberg kniet, ist ein Selbstbildnis des Bildhauers Adam Kraft (ca. 1455 – 1509). Einen Spitzenlohn von 700 Gulden erhielt der damals 40 Jahre alte Handwerker für das Tabernakel. Es zählt heute zu den besten Arbeiten der Spätgotik: virtuos, filigran, epochal. Ein Meisterwerk.

Der Auftraggeber und Stifter Hans Imhoff hatte nicht nur Kraft zu bezahlen, sondern auch 70 Gulden an die Kirche, damit er diese Sandsteinarbeit realisieren und nördlich des Chores aufstellen durfte. Im Vertrag mit Kraft wurde die Ausführung genau spezifiziert. Auch, wo das Familienwappen der Imhoffs anzubringen und wie groß es auszuarbeiten sei. Schließlich diente das über 20 Meter hohe Werk auch der Repräsentation der Ratsherrenfamilie Imhoff.Eine Koryphäe seiner Zeit Adam Kraft war damals wie Albrecht Dürer eine Koryphäe. Kunst und Handwerk waren im Verständnis der Gesellschaft noch nicht getrennt. Und Nürnberg war das heutige Berlin: die Stadt, in der sich die besten Künstler und Handwerker der Welt versammelten, ihre Werkstätten unterhielten und international Aufträge erledigten. Einer ihrer Stars war Adam Kraft.

Und so sollte er sich – auch auf Wunsch des Stifters und der Kirche – selbst darstellen. Um zu zeigen, was für einen Meister man für dieses Projekt gewinnen konnte. Als Markenzeichen. Und Adam Kraft tat dies: Auf einem Knie, in einer Demutsgeste, aber selbstbewusst, entschieden, mit offenen Augen dem Betrachter zugewandt. Und mit dem Werkzeug in der Hand, das er wie kein anderer beherrschte. Schon Zeitgenossen behaupteten, er könne Stein biegen.

August Bebel, Drechsler und SPD-Gründer

August Bebel, geb. 1840 in Deutz, engagierte sich für Aufstiegschancen im Handwerk. - © Bundesarchiv_Bild_183-14077-0005,_August_Bebel

Bildung bekam er durch die Gesellenvereine, die er auf der Walz besuchte. Eigentlich wollte er studieren. Doch das Geld war nicht da. Also fing der 14-jährige August in Wetzlar eine Lehre als Drechsler an. Groß begeistert war er nicht von diesem Handwerk. Sein Traumberuf war Bergbauingenieur.

Drei Jahre später, im Jahr 1858, trat er seine Gesellenwanderung an. Zuerst ging es ins badische Freiburg, wo er dem katholischen Gesellenverein beitrat. Die nahmen damals auch Protestanten wie Bebel auf. Ihn faszinierten besonders die dort kostenlos ausliegenden Zeitungen. Für ihn als mittellosen Wandergesellen die einzige Möglichkeit, sich weiterzubilden. Und nach Wissen hungerte der junge August Bebel. Auch in Regensburg, München und Salzburg las er sich durch das Angebot der Gesellenvereine. In Leipzig fand er später Arbeit in einer großen Werkstatt. Die Stadt war damals ein Mittelpunkt des Vereinswesens der Arbeiter und Handwerker. 1864 legte er die Meisterprüfung ab und eröffnete einen eigenen Betrieb. Doch soziale Fragen begannen ihn mehr zu beschäftigen: Fünf Jahre später gründete er mit Wilhelm Liebknecht in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP), die frühe SPD.

Brüder Asam: Maler, Stuckateure, Architekten

Die deutsche Briefmarke von 1989 zum 250. Todestag von Cosmas Damian Asam zeigt ein Detail aus dem Kuppelfresko im Kloster Weltenburg von Egid Quirin Asam. - © Laufer - Fotolia.com

Expansion durch vertikale Integration war das große Thema der beiden Brüder Cosmas Damian und Egid Quirin Asam. Vom Vater in der oberbayerischen Provinz als Maler ausgebildet, beschlossen Cosmas Damian und Egid Quirin Asam nach dessen Tod 1711 ihren Geschäftsbereich auf Stuckatur und Architektur auszuweiten.

Das dafür nötige Know-how verschaffte sich Cosmas mit einer Weiterbildung in Rom, wo er die Meisterklasse in der Accademia di San Luca mit dem ersten Preis abschloss. Egid ließ sich derweil beim Münchner Hofbildhauer Andreas Faistenberger ausbilden. Die Diversifikation gelang: Zurück in Bayern sprudelten die Aufträge. 1727 siedelten beide nach München um. Die Kunden kamen mittlerweile aus ganz Deutschland, der Schweiz, aus Böhmen und Tirol. Ihr bekanntestes Bauwerk ist die Kirche Sankt Johann-Nepomuk in München neben ihrem Wohnhaus in der Sendlinger Straße in Münchens Altstadt.